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»Irgend etwas stimmt hier nicht«, murmelte ich. Shannon sah zu mir zurück, lächelte flüchtig und vollführte eine vage Bewegung mit der Hand.

»Sie werden sich wohl einen schönen Tag machen, solange Tergard nicht da ist«, sagte er spöttisch.

Ich antwortete gar nicht darauf. Shannon wußte so gut wie ich, wie unsinnig seine Vermutung war. Die Männer in dem Gebäude jenseits der Mauer waren Templer, und die machten sich garantiert keinen schönen Tag, nur weil ihr Kommandant nicht hier war!

Shannon schlich bis zur Mitte des Tores, ließ sich auf ein Knie sinken und schob einen der Torflügel etwas weiter auf, um durch den Spalt zu spähen. Fast eine Minute lang verharrte er so, dann stand er auf und winkte mir, näherzukommen.

»Alles ruhig«, sagte er. »Es scheint niemand mehr hier zu sein.«

Verwirrt - aber auch in immer stärkerem Maße beunruhigt - trat ich neben ihn und blinzelte ebenfalls durch das Tor. Es war, wie er gesagt hatte: Der Hof lag verlassen im Licht der Morgensonne da, und selbst die Gebäude dahinter wirkten auf schwer zu bestimmende Weise leer.

Shannon schob mich zur Seite, drückte das Tor weiter auf und trat mit einem entschlossenen Schritt hindurch, und nach einer weiteren Sekunde des Zögerns folgte ich ihm, wenn auch weit weniger entschlossen und mit klopfendem Herzen. Nichts geschah. Ich hatte noch immer halbwegs damit Berechnet, Schreie zu hören oder Männer aus den Gebäuden stürmen zu sehen, aber der Hof blieb still und verlassen, wie er war.

Langsam näherten wir uns dem ersten Gebäude, das - wenn mich meine Erinnerung nicht trog - eine Art Mannschaftsunterkunft sein mußte und nur durch einen schmalen, überdachten Gang mit dem eigentlichen Haupttrakt der Garnison verbunden war. Shannon zog seinen Dolch aus dem Gürtel, ehe er die Tür öffnete.

Eine Vorsichtsmaßnahme, die nicht nötig gewesen wäre, denn das Haus war leer. Sein Inneres bestand aus einem einzigen großen Raum, der äußerst kärglich möbliert war: eine doppelte Reihe zweigeschossiger, unbequem aussehender Betten zog sich rechts und links der Tür an den Wänden entlang, dazwischen drängelten sich einfache hölzerne Tische und dreibeinige Schemel, und in der Mitte des Raumes thronte ein gewaltiger Kanonenofen. Ein sonderbares Gefühl machte sich in mir breit, als ich hinter Shannon durch die Tür trat. Der Raum war nur unzureichend erhellt, denn vor den Fenstern lagen hölzerne Läden, die nur schmale Streifen Licht hereinließen, aber vielleicht war es gerade diese dämmrige Beleuchtung, die der Unterkunft ein so unheimliches Aussehen gab.

Es waren nur Kleinigkeiten: Gleich neben der Tür lag ein umgestürzter Schemel, den aufzustellen sich niemand die Mühe gemacht hatte; auf einem der Tische standen Teller mit den Resten einer Mahlzeit, schmutziges Besteck lag daneben, und eine Gabel war zu Boden gefallen und offenbar achtlos liegengelassen worden. Vielleicht hatte ihr Besitzer auch nicht mehr die Zeit gehabt, sie aufzuheben. Einige der Betten waren zerwühlt, was mir bei Männern von der Disziplin und Zucht der Tempelherren mehr als nur merkwürdig vorkam.

»Du hast recht«, murmelte Shannon plötzlich. »Irgend etwas stimmt hier nicht...« Er trat ein Stück weiter in den Raum hinein, hob plötzlich die Hand und deutete auf eine Stelle vor seinen Füßen. Ich gewahrte einen kopfgroßen, bräunlichen Fleck auf den sorgsam gewischten Dielen.

»Ist das ... Blut?« murmelte ich.

Shannon zuckte mit den Achseln. »Oder Kaffee«, murmelte er. »Komm weiter. Sehen wir uns die anderen Gebäude an.«

Wir verließen die Mannschaftsunterkunft, wandten uns nach rechts und gingen quer über den kopfsteingepflasterten Hof auf das Hauptgebäude zu.

Das ungute Gefühl in mir wuchs fast bis zur Intensität echten körperlichen Schmerzes heran, während ich hinter Shannon auf das festungsähnliche Gebäude zuging, aber es waren wohl eher die unguten Erinnerungen, die mit diesem Anblick verbunden waren. Es war noch nicht lange her, daß ich hier gewesen war, in Ketten und mehr tot als lebendig... Ich vertrieb den Gedanken und beeilte mich, zu Shannon aufzuschließen. Hinter der Eingangstür war es so dunkel wie draußen in der Unterkunft, denn auch vor dem einzigen schmalen Fenster der Halle lag ein geschlossener Laden, aber Shannon schien über das Sehvermögen einer Katze zu verfügen, denn er bedeutete mir ungeduldig, einzutreten, zog die Tür hinter sich ins Schloß und ging zielsicher auf die tiefer ins Haus führende Tür zu. Ich dagegen rührte mich nicht von der Stelle. Es war wie ein Hieb.

Das Gefühl war nicht zu beschreiben, denn es war etwas, wofür es in der menschlichen Sprache keine Entsprechung gibt. Es war... ein Gefühl der Bedrohung, mehr noch, ein körperlich faßbares Empfinden von Gewalt, die hier stattgefunden hatte, der finster-dräuende Atem des Bösen, der von diesem Haus Besitz ergriffen hatte und auf unsichtbaren Spinnenbeinen in meine Seele kroch. Ich fror, gleichzeitig war mir siedend heiß. Meine Handflächen wurden feucht vom Schweiß, und ich hatte das Gefühl, daß sich jedes einzelne Haar auf meinem Kopf kerzengerade aufrichtete. Eine unsichtbare, eisige Hand schien mein Rückgrat entlangzufahren.

»Was ist los?« fragte Shannon unwillig. »Worauf wartest du?«

Ich wollte antworten, aber die Furcht schnürte mir schier die Kehle zu; ich konnte nichts anderes tun, als reglos dazustehen und ihn anzustarren. Spürte er es denn nicht?

Mit aller Kraft, die mir verblieben war, befreite ich mich von dem unseligen Bann und eilte zu ihm hinüber. Shannon knurrte ungeduldig, stieß die Tür mit dem Fuß auf - und blieb wie erstarrt stehen.

Vor uns breitete sich ein großer, in der Art eines Salons möblierter Raum aus, der der Unterkunft hochgestellter Gäste oder vielleicht auch gelegentlichen Festlichkeiten dienen mochte.

Und er war total verwüstet.

Die Möbel waren zertrümmert: Stühle waren umgestürzt und zerborsten, die beiden Tische zerschlagen, so daß das Geschirr, das darauf gestanden hatte, auf dem Boden zerbrochen war, Lampen und Bilder waren von den Wänden gerissen und selbst die Tapeten zerfetzt und besudelt. Ein zerbrochenes Schwert lag direkt hinter der Tür auf dem Boden und gleich daneben, wie um den Anachronismus noch zu betonen, ein modernes Selbstladergewehr, dessen Lauf auf sonderbare Weise verbogen schien. Und überall war Blut. In diesem Zimmer mußte ein fürchterlicher Kampf getobt haben.

»Gott im Himmel«, murmelte ich, »was ist hier passiert?«

Shannon wandte den Kopf, blickte mich eine Sekunde lang auf sonderbare Weise an und ging dann mit schnellen Schritten in den Raum hinein. Zögernd folgte ich ihm, blieb jedoch gleich hinter der Tür stehen, während Shannon daran ging, das Zimmer gründlich zu durchsuchen.

Abermals tastete mein Blick über das zerbrochene Schwert, huschte weiter und blieb schließlich an der Winchester-Büchse hängen, die einen Fußbreit daneben lag, und wieder fiel mir auf, auf welche absurde Weise ihr Lauf verbogen war.

Und nicht nur er war beschädigt. Schloß und Hahn der Waffe waren glattweg abgerissen, und der Kolben, der - wie ich wußte - aus dem härtesten Eichenholz geschnitzt war, war mehrfach gesplittert und an seinem unteren Ende zusammengedrückt, als hätte ihn ein Hammerschlag getroffen. Die Büchse sah aus, als wäre sie von einer unbeschreiblichen Gewalt gepackt und zusammengepreßt worden. Zögernd löste ich mich von meinem Platz an der Tür, kniete neben ihr nieder und streckte die Hand danach aus.

»Nicht!«

Ich zog die Hand abrupt zurück, als ich Shannons Warnung hörte, und sah zu ihm auf. Shannon winkte noch einmal warnend mit der Hand, kam auf mich zu und ließ sich neben mich in die Hocke sinken, ehe er behutsam seinen Dolch nahm und das Gewehr damit herumdrehte.