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Einen Moment lang wurde Shannons Blick hart, und ich wappnete mich instinktiv gegen einen neuerlichen hypnotischen Angriff. Aber er kam nicht. Statt dessen senkte Shannon beinahe betreten den Blick und seufzte hörbar.

»Es tut mir leid, Robert«, sagte er leise. »Aber ich mußte es tun. Du... du hättest alles verdorben.«

Ich starrte ihn an, für Sekunden derart gelähmt vor Entsetzen und Unglauben, daß ich nicht einmal einen klaren Gedanken fassen konnte, geschweige denn antworten.

»Tu das nie wieder, Shannon«, sagte ich. »Niemals.«

Shannon sah auf. In seinem Blick stand ein vager Ausdruck von Trauer. Aber auch von Trotz und Zorn. »Ich mußte es tun«, verteidigte er sich. »Was hättest du denn gemacht? Wolltest du allein gegen fünfzig von Dagons Kreaturen kämpfen? Du hättest uns umgebracht, du Narr!« Er hatte recht, aber das war es nicht, warum ich am liebsten geschrien hätte. Und Shannon wußte das.

»Du hast mich hypnotisiert«, sagte ich zornig. »Du hast mich dazu gebracht, über Menschen wie über Spielfiguren zu denken, Shannon.« Ich deutete zornig auf die Höhle, in der die Majunde verschwunden waren. »Du hast mich gezwungen, sie wie Dinge zu betrachten, Shannon, und das verzeihe ich dir nie. Tu es nie wieder, hörst du? Nie! Wenn du es noch einmal tust, dann töte ich dich.«

Shannon blickte mich an, schüttelte ein paarmal den Kopf und seufzte, war aber klug genug, nicht direkt auf meine Worte zu reagieren. Er mußte wohl spüren, daß mich die Erregung Dinge sagen ließ, die ich vielleicht unter anderen Umständen nicht gesagt hätte.

Aber nicht einmal dessen war ich mir ganz sicher...

Ich stand vollends auf, blickte mich rasch nach beiden Seiten um und begann, noch immer im Schütze der Felsen, auf die Höhle zuzuhuschen. Ich sah nicht einmal zurück, um mich davon zu überzeugen, ob Shannon mir folgte oder nicht. Selbst das war mir im Moment egal.

Als ich die Felswand erreichte, waren bis auf Yo Mai und zwei von Dagons Hungerleiderkreaturen alle verschwunden. Einer der beiden blutete aus dem Mund; es mußte der sein, den Yo Mai niedergeschlagen hatte. Und so, wie es aussah, schien er sich entschlossen zu haben, dem Majunde den Hieb mit größerer Münze heimzuzahlen, denn er hatte die Peitsche gegen einen kopfgroßen Stein getauscht, den er mit beiden Händen schwang, während sein Kamerad wie eine übergroße Spinne auf Yo Mais Brust hockte und seine Arme mit den Knien in den Sand nagelte.

Ich erreichte sie eine Sekunde, ehe der Kerl den Stein niedersausen lassen konnte.

Der Zorn gab mir übermenschliche Kräfte. Mit einem Satz war ich bei dem Burschen, trat ihm in die Kniekehlen und schmetterte ihm gleichzeitig die Faust in den Rücken. Der Kerl brüllte, ließ seinen Stein fallen und kippte in einer fast grotesken Bewegung nach hinten. Ich steppte an ihm vorbei, schmetterte ihm den Ellbogen gegen die Stirn und versetzte dem anderen noch aus derselben Bewegung heraus einen Tritt, der ihn von Yo Mais Brust herunter und der Länge nach in den Sand fliegen ließ.

Als er sich hochstemmen wollte, war ich über ihm, packte ihn im Nacken und versetzte ihm mit der anderen Hand einen Hieb gegen die Schläfe, der ihm für den Rest der Nacht einen besonders tiefen Schlaf bescheren würde. Dann richtete ich mich auf, überzeugte mich mit einem raschen Blick davon, daß auch der andere im Augenblick keine Gefahr mehr darstellte, und kniete neben Yo Mai nieder.

Der ganze Kampf war so schnell vorüber gewesen, daß der junge Majunde-Krieger nicht einmal richtig mitbekommen hatte, was überhaupt geschah. Vielleicht hätte er es aber auch sonst nicht gemerkt, denn der Blick seiner Augen war verschleiert; ich war mir nicht mal sicher, ob er mich erkannte, obwohl er mich ansah.

Sein Gesicht bot einen fürchterlichen Anblick. Die Männer mußten ihre ganze Wut an ihm ausgelassen haben. Er blutete aus zahllosen Wunden, und sein rechter Arm schien gebrochen zu sein.

Behutsam beugte ich mich über ihn, legte seinen Kopf in eine bequemere Lage und berührte ihn mit der Hand zwischen den Augen. Ich spürte ...

Schmerz. Einen grausamen, nicht lokalisierbaren Schmerz, der irgendwo tief in seinem Inneren wühlte. Und Angst. Dann etwas Großes, Finsteres, das sich wie eine rauchige Faust am Grunde seiner Seele zusammenballte und mit unsichtbaren eisigen Fingern nach seinen Gedanken zu greifen begann...

Hinter mir waren Schritte, und als ich aufsah, begegnete ich Shannons Blick. Er hatte sein Schwert gezogen und stand breitbeinig hinter mir, bereit, mir den Rücken zu decken, falls weitere von Dagons Kreaturen aus der Höhle kommen sollten.

»Er stirbt«, sagte ich leise.

Von Shannons Gesicht war keine Regung abzulesen, und so wandte ich mich wieder dem jungen Majunde zu und tat das einzige, was ich noch für ihn tun konnte: Ich berührte ihn abermals an der Stirn, nahm Kontakt mit seinem Bewußtsein auf und linderte den Schmerz, so gut ich konnte.

Yo Mais Blick klärte sich. Drei, vier endlose, schreckliche Sekunden lang starrte er mich an, dann verzog sich sein zerschlagenes Gesicht zu einem Lächeln.

»Du bist... gekommen, weißer Mann«, stöhnte er. »Was... was hast du getan?«

»Nicht genug«, antwortete ich leise. »Aber du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die Schmerzen werden nicht wiederkommen.«

Yo Mai versuchte zu nicken. »Ich... weiß«, sagte er stockend. »Ich habe... keine Angst. Der Tod tut niemandem... weh.«

»Unsinn«, widersprach ich.

»O doch, Robert Craven«, antwortete er. »Ich sterbe. Aber das... das macht nichts.« Er brach ab, verzog das Gesicht zu einer Grimasse der Pein und rang hörbar nach Atem. Ich verstärkte meinen geistigen Griff, aber ich spürte, wie das Finstere, Körperlose hinter seinen Gedanken stärker wurde.

»Du hattest recht, weißer Mann«, fuhr Yo Mai fort. »Die... fremden Götter sind stärker als die unseren.« Er hustete, wand sich abermals wie unter Schmerzen und wollte weitersprechen, schien aber plötzlich nicht mehr die Kraft dazu zu haben.

»Shannon!« sagte ich. »Bitte!«

Shannon zögerte einen Moment, dann gab er sich einen sichtbaren Ruck, kniete neben mir nieder, legte das Schwert aus der Hand und berührte Yo Mai an der Schläfe. Ich wußte nicht, was er tat, aber was immer es war, es mußte ungleich stärker sein als das bißchen Hilfe, das ich Yo Mai hatte zuteil werden lassen, denn sein Blick klärte sich wieder, und als er weitersprach, klang seine Stimme hörbar kräftiger. »Was ist geschehen, Yo Mai?« fragte Shannon leise.

Der Majunde sah mich an, als er antwortete. »Die fremden Götter«, sagte er. »Sie sind gekommen, Robert Craven. Mein... mein Volk suchte Zuflucht in den heiligen Höhlen, aber sie waren schon da.«

»Wer - sie?« drängte Shannon. Ich warf ihm einen beschwörenden Blick zu, sah aber ein, daß Shannon recht hatte. Wir mußten wissen, was geschehen war, wollten wir nicht Gefahr laufen, von den selben Wesen überwältigt zu werden wie Yo Mais Stamm.

»Die Dämonen«, stöhnte Yo Mai. »Sie... sie kamen mit der Nacht. Unser Gott hat gezürnt, aber sie waren stärker.«

»Wer?« drängte Shannon.

Yo Mai begann zu stöhnen. Ich sah, wie sich sein Blick wieder verschleierte, und diesmal war es etwas, das selbst stärker als Shannons Macht war.

»Laß ihn«, sagte ich leise. »Er stirbt.«

»Die Dämonen«, wimmerte Yo Mai. »Sie kommen aus dem Meer, weißer Mann. Sie haben das Volk Krakataus geholt, und sie werden euer Volk holen.«

»Was willst du damit sagen?« fauchte Shannon.

Noch einmal klärte sich Yo Mais Blick, aber ich spürte, daß es diesmal das unwiderruflich letzte Aufbegehren war. Seine Hand krallte sich so tief in meinen Arm, daß ich vor Schmerz die Zähne zusammenbiß.

»Das Meer«, flüsterte er. »Der Tod kommt aus dem Meer, weißer Mann. Er hat unseren Gott besiegt, und er wird auch den euren besiegen. Er wird kommen, sobald sich die Nacht hebt. Ihr werdet sterben. Ihr alle werdet sterben, so wie mein Volk ge...«