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»Yog-Soth...« Nemos Stimme versagte. Seine Augen wurden groß, als er Howard anstarrte. »Du... du willst, daß ich einen der GROSSEN ALTEN selbst angreife?«

»Keinen GROSSEN ALTEN«, sagte Howard zornig. »Nur seine Verkörperung. Ein Wesen aus Fleisch und Blut, das verwundbar ist und getötet werden kann. Die NAUTILUS ist stark genug, ihn zu vernichten. Ein einziger Torpedo, und der Spuk ist aus, Nemo.« Beschwörend hob er die Hände. »Ich flehe dich an! Eine Chance wie diese bekommen wir vielleicht nie mehr.«

»Eine Chance, die Zukunft zu verändern«, sagte Jennifer. »Sie wissen genau, was passiert, wenn Sie das riskieren, Lovecraft. Gerade Sie sollten wissen, wie empfindlich das Gefüge der Zeit ist. Ein winziger Eingriff, ein Fehler, und das Schicksal der gesamten Welt kann sich ändern.«

Nemo schwieg sekundenlang. »Ist das wahr?« fragte er schließlich. Howard antwortete nicht, aber es war gerade dieses Schweigen, das deutlicher war als alles, was er hätte sagen können.

»Natürlich ist es wahr«, antwortete Jennifer an seiner Stelle. Sie blickte noch einmal auf den Schirm und wandte sich an Howard, und mit einem Male klang ihre Stimme beinahe bedauernd. »Ich verstehe Sie ja, Howard«, sagte sie. »An Bord dieses Schiffes befindet sich Ihr bester Freund, ein Mann, der in wenigen Stunden den Tod finden wird. Aber Sie wissen, daß Sie nicht an Dinge rühren dürfen, die einmal geschehen sind. Zu viel würde sich ändern, würde Andara lebend nach England kommen. Wenn die NAUTILUS Yog-Sothoth angreift und vernichtet, dann würde dies ein Zeitparadoxon auslösen.«

»Stimmt das, Howard?« fragte Nemo ganz leise.

Howard wich seinem Blick aus. »Es ist möglich«, antwortete er. »Aber es kann auch ganz anders kommen. Verdammt, Nemo, du weißt, wie dringend wir auf jede Hilfe angewiesen sind, die wir bekommen können. Andara weiß mehr über die GROSSEN ALTEN als wir zusammen. Er ist stark genug, um Cthulhu selbst die Stirn bieten zu können, begreife doch!«

Nemos Blick wandte sich nach Norden, dorthin, wo unsichtbar im schwarzen Wasser des Meeres die Lady und ihr dämonischer Schatten trieben. »Ich begreife, daß du deinen Freund retten willst, Howard«, sagte er schließlich. Er deutete auf Jennifer. »Und wenn sie recht hat, dann würde das ein... wie haben Sie es genannt?«

»Ein Zeitparadoxon«, sagte Jennifer.

»Ein Zeitparadoxon bedeuten«, schloß Nemo. »Ich verstehe nichts von der Zeit, Howard. Du schon. Du hast es bewiesen. Ich frage dich: Kannst du garantieren, daß der Schaden nicht größer ist als der Nutzen?«

Howard schwieg, und nach einiger Zeit sagte Jennifer an seiner Stelle: »Das kann er nicht, Nemo. Möglicherweise würde nichts geschehen. Möglicherweise würde Roderick Andara leben und die GROSSEN ALTEN vernichten. Möglicherweise würden wir alle den Tod finden. Niemand weiß, was geschehen kann, wenn man an den Grundfesten der Zeit rüttelt. Vielleicht würde unsere ganze Welt einfach aufhören zu existieren, im selben Moment, in dem Sie den ersten Torpedo abschießen.«

Lange, sehr lange sagte Nemo gar nichts. Dann wandte er sich nach einem letzten, unendlich traurigen Blick auf Howard an den Steuermann und hob die Hand. »Wir tauchen«, sagte er.

»Tanks fluten, Kurs Süd.«

Wieder war im Stampfen und Pochen des Schiffes keine Veränderung zu bemerken, aber sie alle wußten, daß das mächtige Schiff jetzt schnell wie ein Torpedo in die Tiefe sank und seinen Kurs abermals wechselte.

Und eine halbe Meile über und fünf Meilen nördlich von ihnen lief ein kleines Schiff namens Lady of the Mist seinem Schicksal entgegen...

Das Schiff zitterte, aber es war kein harter, vernichtender Schlag mehr, sondern ein dumpfes Knirschen und Ächzen, als schlösse sich eine gewaltige Faust um den Rumpf der Zuidermaar und beginne mit unbarmherziger Kraft zuzudrücken.

Irgendwo auf der anderen Seite des Schiffes gellte ein Schrei auf, und plötzlich krachte eine ganze Salve von Schüssen. Männer begannen durcheinanderzubrüllen, und das Zittern des Schiffsrumpfes verstärkte sich. Etwas Schwarzes, Glänzendes wuchs plötzlich hinter Harmfeld auf und tastete mit züngelnden Armen nach ihm.

Ich riß ihn zurück und führte einen schnellen Hieb mit dem Stockdegen nach den Tentakeln, aber das Ungeheuer schien die Gefahr, die von der Klinge ausging, endlich begriffen zu haben; die schwarzen Stränge zogen sich blitzartig zurück, fächerten auseinander und versuchten mich aus einem Dutzend Richtungen gleichzeitig zu packen. Ich sprang zurück, packte die Klinge mit beiden Händen und schlug und hieb wie wild um mich. Der rasiermesserscharfe Stahl zertrennte ein halbes Dutzend der widerlichen Gebilde und verschaffte mir für Sekunden Luft, aber schon wuchsen neue Pseudopodien aus dem Meer - und plötzlich änderte die Bestie ihre Taktik!

Voller Entsetzen sah ich, daß es diesmal nicht die armdicken, fürchterlichen Krakenarme waren, die nach mir griffen, sondern eine Unzahl fadendünner, glänzender Stränge, kaum stärker als ein Haar. Und es waren Tausende! Das Monstrum schien instinktiv begriffen zu haben, daß ich der einzige ernstzunehmende Gegner an Bord dieses Schiffes war; der einzige, der ihm wirklichen Schaden zufügen konnte - und es war nicht annähernd das tumbe Ungeheuer, als das ich es bisher betrachtet hatte, sondern verfügte ganz augenscheinlich über eine dämonische Intelligenz.

Ich prallte zurück, hieb wie von Sinnen mit dem Degen um mich und schnitt die dünnen Fäden durch, die wie todbringender schwarzer Altweibersommer mit einem Male in der Luft um mich herum waren, über das Deck herankrochen oder sich zu dicken Bündeln zusammenballten, die sofort auseinanderfächerten, wenn meine Klinge auch nur in ihre Nähe kam. Aber für jeden Strang, den ich zerschlug, schienen hundert neue aufzutauchen.

Und dann kam, was kommen mußte...

Etwas berührte mich im Gesicht, sanft, tastend, weich und klebrig. Ich schrie auf, taumelte zurück und schlug den Faden herunter, aber die halbe Sekunde der Unaufmerksamkeit war genug gewesen. Hundert, zweihundert der dünnen Fäden peitschten auf mich nieder, wickelten sich um meinen rechten Arm und das Handgelenk und rissen mich zu Boden. Ich schrie auf, fiel und versuchte meine Hand hin und her zu biegen, um so viele Fäden wie möglich zu durchtrennen, aber meine Bewegungsfreiheit war zu sehr eingeschränkt.

Dann verstärkte sich der Druck der Minitentakel blitzartig. Ich spürte, wie der Degen meinen Händen entglitt und auf das Deck polterte. Gleichzeitig rasten immer mehr Schlangenarme heran, umschlangen auch meine Füße und Beine und zerrten mich mit unbarmherziger Kraft auf die Reling zu. Verzweifelt versuchte ich mich mit der linken, freigebliebenen Hand irgendwo festzuklammern, aber selbst wenn ich Halt gefunden hätte, hätten meine Kräfte schwerlich ausgereicht, dem Ungeheuer zu widerstehen. Erbarmungslos wurde ich auf die Reling zugezerrt, prallte dagegen und wurde in die Höhe gerissen. Schiff und Himmel kippten über mir zur Seite, als das schwarze Monstrum seine Anstrengungen verdoppelte, um mich über Bord und in die Tiefe zu reißen.

Plötzlich war eine Gestalt neben mir. Metall blitzte auf, und etwas zerschnitt die Fäden, die meine Arme hielten. Ich stürzte, rollte mich zur Seite und fiel ein zweites Mal, als Harmfeld den Degen wie eine Sense über den Boden scharren ließ und die haardünnen Stränge zerschnitt, die meine Beine hielten.

Eine halbe Sekunde lang blieb ich liegen, schwindelnd vor Anstrengung und Erleichterung, dann richtete ich mich auf, rang keuchend nach Luft, warf Harmfeld einen dankbaren Blick zu und streckte die Hand nach dem Stockdegen aus. Der Leutnant zögerte, und in seinen Augen flammte ein schwer zu deutender Ausdruck auf. Plötzlich nickte er, warf mir die Waffe zu und zog seinen Offizierssäbel aus dem Gürtel.

»Wir sind quitt, Craven,« sagte er. Damit wandte er sich um, schwang seine Waffe und eilte zu einer anderen Seite der Reling, um seinen Leuten beizustehen.