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»Warum erzählen Sie mir nicht einfach, was passiert ist?« fragte ich anstelle einer direkten Antwort. »Was bringt Sie auf die Idee, daß Shannon und ich Eldekerk ermordet haben sollen?«

»Seine eigene Aussage«, antwortete Harmfeld. »Er wurde gefunden, Craven, mit einem Messer im Bauch. Er konnte gerade noch Ihren Namen sagen, ehe er starb.«

»Und das reicht für Sie, mich eines Mordes zu bezichtigen?« keuchte ich. »Sind Sie von Sinnen?«

Harmfeld lächelte. »Nein. Vielleicht sind Sie ja wirklich unschuldig, Craven. Aber wenn, dann frage ich mich, warum Sie und Ihr sonderbarer Freund nicht einfach mit uns gekommen sind. Sie müssen zugeben, daß es etwas befremdlich wirkt, wenn jemand, der sich nichts vorzuwerfen hat, unter ziemlich dramatischen Umständen flieht, kaum daß ich auftauche.«

»Aber ich habe es Ihnen erklärt«, sagte ich wütend. »Mehr als einmal.«

Harmfeld bedachte mich mit einem fast mitleidigen Blick; einem Blick, der den dumpfen Zorn, der in mir brodelte, zu neuer Glut entfachte. Für einen Moment war ich nahe daran, ihn schlichtweg zu hypnotisieren, wie Shannon es zuvor getan hatte. Aber ich tat es nicht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich es gekonnt hätte, denn was immer Tergard mit meinem Geist angestellt hatte, wirkte noch immer nach; meine magischen Kräfte waren längst noch nicht wieder völlig regeneriert. Aber ich hätte es wohl auch nicht getan, wäre ich im Vollbesitz meiner Fähigkeiten gewesen. Es hat mir schon immer widerstrebt, einen Menschen zu Dingen zu zwingen, die er nicht wollte; und in diesem Falle wäre es allerhöchstens schädlich gewesen. Hypnose ist ein zweischneidiges Schwert. Man kann einen Mann dazu bringen, seine eigene Mutter auf dem Sklavenmarkt zu verkaufen, aber egal, wie perfekt man ist, jemand, der unter Hypnose handelt, ist wenig mehr als eine Puppe, kaum zu eigenen Entscheidungen fähig. Ich wußte noch immer nicht genau, was auf dieser Insel vorging, aber was immer es war, es war etwas Gewaltiges; etwas, bei dem ich keine Helfer brauchen konnte, die mit Mühe und Not bis drei zählen können.

Vom Gipfel des Krakatau her erscholl ein dumpfes, drohendes Grollen, wie um meine Gedanken zu unterstreichen. Harmfeld sah auf und blickte aus eng zusammengepreßten Augen zur Caldera des Riesenvulkanes hinauf. Flammen und rotglühendes Gestein, das durch die große Entfernung wie ein Schwärm harmloser kleiner Fünkchen aussah, schössen gegen die tiefhängenden Wolken. Für einen Moment glaubte ich ein sanftes, aber ungemein machtvolles Zittern und Beben unter den Füßen zu spüren.

»Der Berg ist unruhig«, murmelte Harmfeld.

»Wird er ausbrechen?« fragte ich.

»Ausbrechen?« Der Kapitän der Zuidermaar wiederholte das Wort mit sonderbarer Betonung, sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht«, sagte er. »Ich bin seit mehr als zehn Jahren hier, aber er ist noch nie ausgebrochen. Ein bißchen Gerumpel, ein paar Flammen... aber das war auch alles.«

Er seufzte, wandte sich mit einem Ruck ab und blickte wieder zur Stadt hinüber. Die Flammen tobten wie eh und je, aber das Schießen und Schreien hatte abgenommen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich ein gutes Zeichen war. Plötzlich erscholl über uns der helle Laut einer Schiffspfeife. Harmfeld sah rasch zum Mast hinauf, wandte sich dann wieder der Insel zu und lehnte sich über die Reling, so weit er konnte.

»Die Boote kommen zurück!« Einen Moment lang blickte er aus zusammengepreßten Augen hinaus in die Dunkelheit, dann wandte er sich halb um und machte ein Zeichen mit der Hand. Sekunden später ertönte ein scharfer Knall, und ein Magnesiumgeschoß stieg vom Deck der Zuidermaar auf und warf zuckendes, grellweißes Licht auf das Meer.

Harmfeld stieß einen entsetzten Schrei aus.

Statt der erwarteten Flotte kleiner Pinassen trieb nur ein einziger massiger Umriß auf die Zuidermaar zu. Und es war auch kein Boot, sondern ein gräßliches, braunschwarz glitzerndes Etwas, zuckend und peitschend wie ein Klumpen ekelhafter Gallerte, der auf einem Dutzend grotesk mißgestalteter Beine über das Meer herangestakst kam!

»Das... ist das Ungeheuer, das die Majunde entführt hat!« keuchte ich. »Um Gottes willen, Harmfeld - wir müssen hier verschwinden!«

Aber es war, als würde der Kapitän der Zuidermaar meine Worte überhaupt nicht hören. Gelähmt und starr vor Schrecken stand er da und starrte die näherkommende Scheußlichkeit an. Die Leuchtkugel brannte aus, aber beinahe sofort stieg ein zweites Geschoß vom Deck des Schiffes auf und illuminierte das näherkommende Ungeheuer.

Und endlich erwachte Harmfeld aus seiner Erstarrung. Wenn auch auf andere Art, als mir lieb gewesen wäre. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, fuhr er herum, begann wie wild mit den Armen zu fuchteln und Befehle in seiner Heimatsprache zu schreien. Sekunden später brach auf Deck der Zuidermaar eine geradezu hektische Aktivität los. Männer hetzten hierhin und dorthin, kletterten behende wie Affen in die Wanten hinauf oder schleppten Dinge durch die Gegend. Das Schiff begann zu zittern, als schlüge tief in seinem Rumpf ein gewaltiges nervöses Herz.

Harmfeld wandte sich wieder der Reling zu. Über dem Meer verzischte die vierte Leuchtkugel und wurde von einer neuen abgelöst, und in ihrem flackernden Schein konnte ich erkennen, daß das protoplasmische Ungeheuer schon mehr als die Hälfte der Entfernung zur Zuidermaar zurückgelegt hatte. Sein aufgedunsener Körper zuckte und bebte unentwegt, und was im ersten Augenblick wie staksende Spinnenbeine ausgesehen hatte, erwies sich beim näheren Hinsehen als ein ganzer Strang peitschender, mannsdicker Tentakel, mit deren Hilfe es sich mit phantastischer Geschwindigkeit durch das Wasser wühlte.

Noch wenige Augenblicke, und es würde die Zuidermaar erreicht haben!

Aber es kam nicht dazu. Harmfeld schrie einen Befehl, und augenblicklich stieß eine orangerote Flamme aus dem Rumpf des Schiffes. Ein ungeheures Krachen erscholl, und eine Sekunde später spritzte dicht vor dem Monstrum das Meer auf. Die Luft stank plötzlich durchdringend nach Pulverdampf. Harmfeld hob den Arm, und eine zweite Kanone entlud sich donnernd. Diesmal war der Schuß besser gezielt.

Das Ungeheuer bäumte sich auf. Seine Tentakel begannen wie wild zu peitschen, und plötzlich war das Meer schwarz vom gräßlichen Blut der Spottgeburt; große Brocken zerfetzten Plasmas wirbelten durch die Luft und klatschten ins Wasser zurück, und ich sah, wie einer der schrecklichen Fangarme abgerissen wurde und zuckend im Meer versank. Ich wußte zwar, daß diesen Ungetümen mit mechanischer Gewalt kaum beizukommen war - aber allein die Wucht der Kanonenkugel hatte gereicht, seinen Körper nahezu in zwei Stücke zu zerreißen und es weit zurückzutreiben.

»Jetzt!« schrie Harmfeld.

Die Zuidermaar feuerte eine ganze Salve auf das Ungeheuer. Und jeder einzelne Schuß saß im Ziel.

Das Monstrum wurde regelrecht zerfetzt. Eine gewaltige Säule aus kochendem Meerwasser und schwarzem, stinkendem Schleim schoß in die Höhe und sank in weitem Umkreis auf das Meer herab. Das Schiff zitterte unter dem Rückschlag seiner eigenen Kanonen, legte sich träge auf die Seite und kippte wieder in die Waagerechte zurück.

Als sich der Pulverdampf verzog, war der Ozean leer. Nur hier und da schwamm noch ein kleiner Brocken schwarz-schleimiger Materie, und tief unter dem Wasser schien etwas Gewaltiges, Körperloses zu zucken und zu beben.

Harmfeld ließ sich mit einem erschöpften Seufzer auf die Reling sinken, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und sah mich an. »Sehen Sie, Craven«, sagte er. »Soviel zu Ihren unbesiegbaren Horror-Monstern. Eine gute niederländische Kanone schafft zur Not auch noch die. Es ist vorbei.«

Ich antwortete nicht, sondern drehte mich - eigentlich ohne so recht zu wissen, weshalb - herum und blickte in die entgegengesetzte Richtung. Über dem Meer waren die Wolken auseinandergerissen. Und im selben Moment, in dem das Mondlicht das Meer berührte, wußte ich, daß Harmfeld unrecht hatte.