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»Mit der NAUTILUS hätten wir den Weg in einer halben Stunde geschafft«, gestand ich. »Aber Howard hatte seine Gründe. Glaube mir. Er ist kein...«

»Kein was?« unterbrach mich Jenny zornig. »Kein Betrüger?« Sie lachte. »Wolltest du das sagen?«

»Du hättest schwimmen können«, verteidigte ich mich, in die Enge getrieben durch ihren plötzlichen Ausbruch, aber auch verwirrt über den Zorn, den ich fühlte.

»Ich schon«, antwortete Jenny. »Und du?«

»Ich?« Ich verstand nicht gleich.

Jennifer lachte abfällig. »Versuch nicht, mir etwas vorzumachen«, sagte sie böse. »Du bist nicht nur mitgekommen, um mir zu helfen oder das Wort einzulösen, das Lovecraft mir gegeben hat.« Sie machte eine vage Geste zur Küste hin. »Du bist genauso interessiert daran wie ich, dort hinunter zu kommen.« Einen Moment lang starrte ich sie an, dann nickte ich. »Ja«, sagte ich, allmählich genauso wütend wie sie. »Dort unten ist nämlich ein Freund von mir. Und wenn er noch lebt, werde ich ihn dort herausholen.«

»Ein Freund?« Jennifer sprach das Wort aus wie eine Beschimpfung. »Nach allem, was du über ihn erzählt hast?« Sie lachte böse. »Ich glaube, wer deine Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr, Robert.«

»Und Dagon?« fauchte ich. »Gib mir eine logische Erklärung, wie man ein Wesen lieben kann, das nicht einmal ein Mensch ist.«

Jennifer stand mit einem Ruck auf und deutete zur Küste. »Gehen wir weiter«, sagte sie. Die beiden Matrosen waren ganz gewiß keine Schwächlinge, sondern vielmehr das, was man sich im allgemeinen vorstellte, wenn man an einen Matrosen dachte: große, sonnengebräunte Gestalten, deren Muskeln den Stoff ihrer rotblau gestreiften Hemden zu sprengen drohten. Trotzdem reichten ihre Kräfte kaum aus, den heftig um sich schlagenden Majunde zu bändigen. Der Mann wog kaum die Hälfte eines seiner beiden Gegner; aber er trat und schlug und kratzte und biß so wütend um sich, daß die beiden ihn mehr als einmal fast fallengelassen hätten. Schließlich wurde es ihnen zu viel, und sie erledigten das Problem auf ihre Art: Ein gezielter Kinnhaken ließ den Eingeborenen reglos in den Armen der Männer zusammensinken.

Howard seufzte. »Ich dachte, wir wollten diese Menschen retten«, sagte er, »nicht ihnen den Schädel einschlagen.«

»Wenn wir wenigstens ihre Sprache beherrschen würden«, murmelte Nemo. »Wie, zum Teufel, soll ich Menschen klarmachen, daß wir sie retten wollen, wenn ich nicht einmal guten Tag sagen kann?«

Howard verzichtete auf eine Antwort. Er konnte Nemos Besorgnis sehr gut verstehen. Es ging nicht nur darum, daß seine Männer die Majunde praktisch einzeln einfangen mußten, um sie an Bord der Zuidermaar zu bringen - und es ihnen nur zu oft nicht gelang, weil sich die Eingeborenen in den Dschungel retteten, nicht ahnend, daß sie damit in den sicheren Tod liefen. Die wirklichen Schwierigkeiten würden erst noch beginnen.

Howard versuchte lieber gar nicht, sich vorzustellen, was an Bord eines Schiffes geschah, auf dem sich drei-, oder auch vierhundert Wilde aufhielten, die glaubten, in die Sklaverei oder sonstwohin entführt zu werden.

Aber sie hatten keine andere Wahl. In wenigen Stunden würde es diese Insel nicht mehr geben.

Eines der vollbesetzten Beiboote erreichte in diesem Moment die Zuidermaar, deren Tiefgang es ihr nicht erlaubte, näher als eine dreiviertel Meile an den Strand heranzufahren. Seile und Strickleitern wurden herabgelassen, und die Matrosen fuhren mit der undankbaren Aufgabe fort, die noch immer kreischenden und um sich schlagenden Majunde an Bord des Seglers zu hieven.

Nemo sah der Rettungsaktion, die mehr und mehr zu einem wilden Handgemenge zwischen Rettern und Nicht-gerettet-werden-Wollenden wurde, einige Augenblicke lang wortlos zu, dann wandte er sich mit einem neuerlichen, sehr tiefen Seufzen zu Howard um.

Aber er sagte nichts mehr, sondern ging mit müden Bewegungen ins Innere der NAUTILUS zurück. Obwohl ich den Höhleneingang jetzt zum ersten Male bei hellem Tageslicht sah, schien er beinahe noch bedrohlicher zu wirken: ein gähnendes, weit aufgerissenes Maul, das jeden verschlingen mußte, der schwachsinnig genug war, auch nur einen Fuß dort hinein zu setzen. Das unheimliche Glühen, das während der Nacht aus dem Berg gedrungen war, hatte zugenommen und war jetzt selbst im Sonnenlicht zu erkennen, wenn auch nur als schwacher Funke irgendwo am Ende des Tunnels.

Es war heiß. Unerträglich heiß. Aus dem Inneren der Erde wehte der Hauch der Hölle hervor.

»Worauf wartest du?« fragte Jennifer. Sie war vorausgegangen und bereits ein gutes Stück in den Tunnel vorgedrungen, während ich dicht hinter dem Eingang stehengeblieben war. Das Gewehr, das mir Harmfeld mitgegeben hatte, lag jetzt in meiner Armbeuge und war entsichert. Aber ich hatte das Gefühl, daß mir die Waffe bei dem, was uns hier erwartete, nicht sehr viel nutzen würde.

»Nicht so laut!« sagte ich warnend.

Jennifer seufzte. »Warum?« fragte sie spitz. »Hast du Angst, die Felswände könnten dich hören?«

Ich schenkte ihr einen bösen Blick und trat mit einem energischen Schritt neben sie; allerdings nicht, ohne mich noch einmal umzusehen.

»Vielleicht«, antwortete ich mit einiger Verspätung. »Wir sollten vorsichtig sein. Dagons Männer...«

»Dagon«, unterbrach mich Jennifer mit sonderbarer Betonung, »hat im Augenblick anderes zu tun, glaube mir.«

»Ist das eine Vermutung - oder weißt du es?«

»Ich weiß es«, sagte Jennifer ungeduldig.

»Aber die Frage, woher, wirst du mir sicher nicht beantworten«, vermutete ich.

»Sicher nicht«, sagte Jennifer.

Ich seufzte, hob mein Gewehr ein wenig höher und blinzelte ein paarmal, damit sich meine Augen, die noch an das grelle, vom Meer zusätzlich reflektierte Sonnenlicht gewöhnt waren, schneller auf das rote Halbdunkel hier unten einstellten. Ich erkannte trotzdem kaum mehr. Vor uns waren Schatten und große Bereiche absoluter Finsternis, in denen sich eine ganze Armee hätte verbergen können, ohne daß ich sie gesehen hätte.

Ein immer stärker werdendes Gefühl der Beklemmung machte sich in mir breit, je weiter wir in den Stollen eindrangen. Bald schrumpfte der Eingang hinter uns zu einem Fleck zusammen, und das düstere, drohende Leuchten der Lava nahm zu. Die Hitze wurde unerträglich. Der Fels, über den wir gingen, war so heiß, daß ich es durch die Stiefelsohlen hindurch spürte.

Howards Worte klangen in mir nach: »Der Vulkan wird ausbrechen, in einer einzigen gewaltigen Eruption«, und mit einem Male schienen sie eine ganz andere, unheimliche Bedeutung zu gewinnen. Bisher war mir die Vorstellung erschreckend und beunruhigend vorgekommen, aber sie hatte mich trotz allem nicht wirklich erschreckt; irgendwie war der Gedanke zu abstrakt wie die Nachricht von einem schrecklichen Unglück, das andere getroffen hat, aber jetzt - Gott im Himmel, dieser Vulkan würde in wenigen Stunden explodieren, und ich befand mich auf dem Weg in sein Zentrum!

Für einen Moment drohte mich Panik zu übermannen. Ich kämpfte sie nieder, aber es blieb eine starke Unruhe zurück. Meine Hände zitterten ganz leicht.

Nach einer Weile erreichten wir das Ende des Stollens. Zur Rechten erstreckte sich ein weiterer, gewölbter Gang, während sich der Tunnel zur Linken nach wenigen Schritten hinter einer Biegung verlor, hinter der das Zentrum des roten Glühens liegen mußte; den Geräuschen und der Hitze nach zu urteilen wohl nichts anderes als ein gigantischer Lavasee. Ich verspürte keine besondere Lust, in diese Richtung zu gehen.

»Gehen wir nach rechts«, schlug ich vor.