Выбрать главу

»Und wie hat sich Seine Exzellenz dazu gestellt?«

»Es ist nichts Besonderes darüber zu sagen. Der Mensch hat sich, wie man sagt, hinreichend ausgewiesen und seine Gründe dargelegt. Er hat gesagt: ,So und so, Exzellenz; ich besitze kein Vermögen und möchte gern amtlich tätig sein, und es wäre mir eine besondere Ehre, wenn mir das unter Ihrer Leitung vergönnt wäre;... na, und alles, wie es sich gehört; wissen Sie, er hat sich ganz geschickt ausgedrückt. Es muß ein kluger Mensch sein. Na, selbstverständlich hat er auch eine Empfehlung mitgebracht; ohne eine solche wäre es ja nicht gegangen...«

»Von wem war die denn?... Das heißt, ich meine, wer hat denn eigentlich bei dieser schändlichen Sache seine Hand im Spiele gehabt?«

»Ja, man sagt, es sei eine gute Empfehlung gewesen; man sagt, Seine Exzellenz habe mit Andrei Filippowitsch zusammen gelacht.«

»Mit Andrei Filippowitsch gelacht?«

»Jawohl; er habe gelächelt und gesagt, es sei gut, und er seinerseits sei nicht abgeneigt, wenn er nur seine dienstlichen Obliegenheiten treu erfüllen wolle...«

»Bitte, weiter! Sie beruhigen mich einigermaßen, Anton Antonowitsch; ich bitte Sie inständig: weiter!«

»Gestatten Sie, ich wundere mich wieder über Sie... Na ja, na, die Sache ist ja ganz unwichtig; das Ereignis ist weiter nicht wunderbar; ich sage: beunruhigen Sie sich nicht; man braucht daran nichts bedenklich zu finden...«

»Nein. Ich möchte Sie noch fragen, Anton Antonowitsch, ob Seine Exzellenz weiter nichts hinzugefügt hat... zum Beispiel etwas, was mich betrifft.«

»Das heißt, gewiß! Ja freilich! Oder vielmehr nein, nichts, Sie können ganz beruhigt sein. Wissen Sie, das ist ja selbstverständlich, daß die Sache sehr auffallend ist, und zuerst... ja, sehen Sie, ich zum Beispiel habe sie zuerst fast gar nicht beachtet. Ich weiß wirklich nicht, warum ich sie nicht eher beachtet hatte, als bis Sie mich darauf aufmerksam machten. Aber übrigens, Sie können ganz beruhigt sein. Seine Exzellenz hat nichts Besonderes gesagt, gar nichts gesagt,« fügte der gutmütige Anton Antonowitsch hinzu, indem er sich von seinem Stuhle erhob.

»Also, Anton Antonowitsch, ich möchte...«

»Bitte, entschuldigen Sie mich! Ich habe schon zu viel Zeit mit diesen Kleinigkeiten verplaudert, und da ist eine wichtige, eilige Sache. Die muß ich notwendig fertigmachen.«

»Anton Antonowitsch!« rief Andrei Filippowitschs Stimme in höflichem Tone. »Seine Exzellenz wünscht Sie zu sprechen.«

»Sofort, sofort, Andrei Filippowitsch; ich komme sofort.« Anton Antonowitsch ergriff einen Pack Akten und lief zuerst zu Andrei Filippowitsch und dann in das Arbeitszimmer Seiner Exzellenz.

»Also wie liegt denn die Sache?« dachte Herr Goljadkin bei sich. »Also wie steht mein Spiel? Was macht der Himmel jetzt für ein Gesicht?... Es steht nicht übel; die Sache hat eine sehr angenehme Wendung genommen,« sagte unser Held im stillen, indem er sich die Hände rieb und vor Freuden den Stuhl unter seinem Leibe nicht spürte. »Also ist meine Sache eine ganz gewöhnliche Sache. Also wird alles ein harmloses Ende nehmen und keine schlimmen Folgen haben. Es hat tatsächlich niemand etwas gemerkt, und meine Kollegen, diese Banditen, haben sich keine Dreistigkeiten herausgenommen; sie sitzen still da und beschäftigen sich mit ihren Akten; prächtig, prächtig! Ich habe diesen guten Menschen, unsern Anton Antonowitsch, sehr gern; ich habe ihn immer sehr gern gehabt und hochgeschätzt... Übrigens, ja... wenn man bedenkt... dieser Anton Antonowitsch... verlassen kann man sich doch nicht auf ihn: er ist doch schon ganz grau und vor Alter recht wackelig geworden. Das beste und wichtigste ist übrigens, daß Seine Exzellenz nichts gesagt hat und die Sache so hat vorübergehen lassen. Das ist gut; das freut mich! Nur, warum mischt sich Andrei Filippowitsch da mit seinem Gelächter hinein? Was kümmert ihn die Sache? Dieser alte Fuchs! Immer ist er mir im Wege; immer sucht er einem einen Strich durch die Rechnung zu machen; immer kommt er einem in die Quere und ist einem hinderlich; immer ist er einem hinderlich und kommt einem in die Quere...«

Herr Goljadkin blickte wieder rings um sich und wurde wieder von neuer Hoffnung belebt. Er fühlte aber doch, daß ihn trotzdem eine ferne Ahnung von Unheil beunruhigte. Es kam ihm sogar der Einfall, sich selbst irgendwie an die Beamten heranzumachen, das Prävenire zu spielen, also etwa beim Herausgehen nach Schluß der Bureaustunden, oder indem er unter dem Vorwande einer geschäftlichen Anfrage an sie heranträte, gesprächsweise Andeutungen in folgender Art zu machen: »So und so, meine Herren, da ist so eine auffällige Ähnlichkeit, ein seltsamer Fall, die reine Komödie,« also sich selbst über die ganze Sache lustig zu machen und auf diese Weise die Tiefe der Gefahr zu sondieren. Aber unser Held sagte sich zum Schluß in Gedanken, in einem stillen, tiefen Pfuhl hätten die Teufel ihr Wesen. Übrigens war das bei Herrn Goljadkin nur ein vorübergehender Gedanke; er wurde noch rechtzeitig anderen Sinnes. Er sah ein, daß das so viel hieße, als die Gefahr herausfordern. »Das liegt nun einmal in deinem Charakter,« sagte er zu sich selbst und klopfte sich leicht mit der Hand gegen die Stirn; »gleich bist du wieder fröhlich und treibst Mutwillen! Du bist eine biedere Seele! Nein, jetzt ist es schon das beste zu warten, Jakow Petrowitsch; jetzt wollen wir uns gedulden und warten!« Nichtsdestoweniger war Herr Goljadkin, wie wir bereits erwähnt haben, wieder hoffnungsvoll und hatte ein Gefühl, als ob er von den Toten auferstanden wäre. »Es macht sich,« dachte er; »es ist mir, wie wenn mir eine Zentnerlast von der Brust gefallen wäre! Nein, so ein Erlebnis! ›Das Kästchen war nur einfach aufzuklappen‹. [Der Schlußvers einer Krylowschen Fabel. Jemand sucht vergebens nach dem Mechanismus zum Öffnen eines Kästchens, das einen solchen gar nicht besitzt, sondern sich einfach aufklappen läßt. Anmerkung des Übersetzers.] Krylow hat recht... Krylow hat recht; dieser Krylow ist ein Fuchs, ein Schlaukopf und ein großer Fabeldichter! Aber was diesen Menschen anlangt, so mag er meinetwegen hier amtieren, und möge es ihm wohl bekommen, wenn er nur niemandem in die Quere kommt und mit niemandem Streit anfängt; mag er hier amtieren, ich habe nichts dagegen, ich bin einverstanden!«

Unterdessen verging die Zeit wie im Fluge, und ehe Herr Goljadkin sich dessen versah, schlug es vier. Die Amtsstunden waren zu Ende; Andrei Filippowitsch griff nach seinem Hute, und alle folgten wie üblich seinem Beispiele. Herr Goljadkin blieb unter dem Vorwande eines notwendigen Bedürfnisses noch eine kleine Weile zurück und ging absichtlich erst nach allen andern, als letzter, weg, als sich bereits alle nach verschiedenen Richtungen verteilt hatten. Als er auf die Straße hinaustrat, fühlte er sich wie im Paradiese, so daß bei ihm sogar der Wunsch rege wurde, einen Umweg zu machen und eine Strecke auf dem Newski-Prospekte zu gehen. »So geht es in der Welt!« sagte unser Held. »Ein unerwarteter Umschwung der ganzen Sache! Auch das Wetter hat sich aufgeklärt; Kälte und Schlittenfahrt. Und die Kälte taugt für den Russen; der Russe verträgt sich mit der Kälte prächtig. Ich liebe den Russen. Auch ein bißchen Schnee ist da, der erste Spurschnee, wie ein Jäger sagen würde; da müßte man im ersten Spurschnee auf die Hasenjagd gehen! Ei weih! Na, wenn's nicht ist, so schadet's auch nichts!«

So gab Herr Goljadkin seinem Entzücken Ausdruck; aber dabei hatte er doch immer noch ein kitzelndes Gefühl im Kopfe, das mit Kummer Ähnlichkeit hatte, und manchmal verspürte er am Herzen ein Saugen, gegen das er kein Linderungsmittel wußte. »Übrigens, wir wollen noch einen Tag warten und uns dann erst freuen. Was ist denn eigentlich los? Na, wir wollen die Sache überlegen, die Sache ansehen. Na, also laß uns einmal überlegen, mein junger Freund, laß uns einmal überlegen! Also da ist ein ebensolcher Mensch wie du, ein ganz ebensolcher. Na, was hat es damit auf sich? Wenn ein solcher Mensch da ist, brauche ich darüber zu weinen? Was geht es mich an? Ich habe damit nichts zu schaffen; ich pfeife darauf, Punktum! Er ist nun einmal da, Punktum! Mag er amtieren! Na, da wird nun gesagt, das sei ein Wunder und eine Seltsamkeit wie die siamesischen Zwillinge... Na, was sollen dabei die Siamesen? Allerdings, die sind Zwillinge; aber auch große Männer haben manchmal ihre Wunderlichkeiten gehabt. Es ist sogar aus der Geschichte bekannt, daß der berühmte Suworow wie ein Hahn krähte... Na, das tat er alles aus Politik; auch große Feldherrn... aber was sollen hier die Feldherrn? Ich bin ein gewöhnlicher Mensch und weiter nichts und will niemanden kennen und verachte im Gefühle meiner Unschuld den Feind. Ich bin kein Intrigant und bin stolz darauf. Mein Charakter ist rein, aufrichtig, anständig, freundlich, sanft...«