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So fuhren die beiden Feinde eine Weile schweigend dahin. Unser Held konnte kaum Luft bekommen; der Weg war sehr schlecht, und er hüpfte bei jedem Schritte in die Höhe, in Gefahr, den Hals zu brechen. Überdies wollte sein erbitterter Feind sich immer noch nicht überwunden geben, sondern bemühte sich, seinen Gegner in den Schmutz hinunterzustoßen. Um das Maß der Unannehmlichkeiten voll zu machen, war ein greuliches Wetter. Der Schnee fiel in dichten Flocken und versuchte auf jede Weise unter den offenstehenden Mantel des wirklichen Herrn Goljadkin zu dringen. Ringsherum war es so dunkel, daß man nicht die Hand vor den Augen sehen konnte. Es war schwer zu erkennen, wohin und durch welche Straßen sie fuhren. Herr Goljadkin hatte dabei die Empfindung, als widerfahre ihm etwas, was ihm schon bekannt sei. Einen Augenblick lang versuchte er sich zu erinnern, ob er nicht schon gestern so etwas geahnt habe, z.B. im Traume... Endlich war sein peinliches Gefühl bis auf den höchsten Grad der Agonie gestiegen. Sich an seinen erbarmungslosen Gegner drückend, wollte er aufschreien. Aber der Schrei erstarb ihm auf den Lippen... Es war ein Augenblick, in welchem Herr Goljadkin alles vergaß und sich sagte, all dies mache gar nichts; es vollziehe sich auf irgendwelche unerklärliche Weise, und sich dagegen zu sträuben, sei unter solchen Umständen unnütz und ganz verlorene Mühe... Aber plötzlich und beinahe in demselben Augenblicke, als unser Held zu diesem Resultate gelangt war, änderte ein unvorhergesehener Stoß die ganze Lage der Dinge. Herr Goljadkin fiel wie ein Mehlsack aus der Droschke und rollte ein Stückchen davon, wobei er sich im Augenblick des Falles ganz mit Recht bewußt war, daß er wirklich sehr zur Unzeit hitzig geworden sei. Nachdem er endlich aufgesprungen war, sah er, daß sie irgendwo angelangt waren: die Droschke stand mitten auf einem Hofe, und unser Held erkannte auf den ersten Blick, daß sie sich bei der Tür eben des Hauses befanden, in welchem Olsufi Iwanowitsch wohnte. Gleichzeitig bemerkte er, daß sein Feind schon die Stufen zur Haustür hinanstieg und wahrscheinlich zu Olsufi Iwanowitsch wollte. In seinem unbeschreiblichen Seelenschmerze wollte er schon hineilen, um seinen Feind einzuholen, besann sich aber zu seinem Glücke verständigerweise noch rechtzeitig eines andern. Ohne daß er vergessen hätte, den Kutscher zu bezahlen, rannte Herr Goljadkin auf die Straße und lief, so schnell er konnte, blindlings davon. Der Schnee fiel wie vorher in dichten Flocken; wie vorher war es feucht und dunkel. Unser Held ging nicht, sondern stürmte dahin, stieß dabei alle Leute auf dem Wege um, Männer, Frauen und Kinder, und prallte seinerseits selbst von Frauen, Männern und Kindern zurück. Um ihn herum und hinter ihm erschollen erschrockene Worte, Kreischen und Schreien... Aber Herr Goljadkin war, wie es schien, ohne Besinnung und mochte auf nichts achten... Er kam erst wieder zu sich, als er sich schon bei der Semjonowski-Brücke befand, und zwar nur deshalb, weil er ungeschickterweise zwei alte Hökerfrauen mit ihren landläufigen Waren angestoßen und umgeworfen hatte und mit ihnen zusammen zu Fall gekommen war. »Das hat nichts zu sagen,« dachte Herr Goljadkin; »das kann sich alles noch ganz gut gestalten,« und griff sogleich in die Tasche, um sich wegen der umhergestreuten Pfefferkuchen, Äpfel, Erbsen und mannigfachen anderen Dinge mit einem Rubel loszukaufen. Plötzlich ging Herrn Goljadkin ein neues Licht auf; er fühlte in der Tasche den Brief, den ihm am Vormittag der Schreiber eingehändigt hatte. Da ihm unter anderm einfiel, daß sich in der Nähe ein ihm bekanntes Restaurant befinde, so lief er, ohne einen Augenblick zu zaudern, dorthin und nahm an einem Tischchen Platz, auf dem zur Beleuchtung ein Talglicht brannte; ohne sich dann um irgend etwas zu kümmern und ohne auf den Kellner zu hören, der herantrat, um seine Bestellung entgegenzunehmen, erbrach er das Siegel und begann den untenstehenden Brief zu lesen, der ihn in das allerhöchste Erstaunen versetzte:

»Edler, für mich leidender, meinem Herzen lebenslänglich teurer Mann!

»Ich leide, ich gehe zugrunde, – rette mich! Jener verleumderische, intrigante und durch seine nichtswürdige Denkweise bekannte Mensch hat mich mit seinen Netzen umstrickt und zugrunde gerichtet! Ich bin gefallen! Aber er ist mir zuwider, während Du... Man hat uns getrennt, meine Briefe an Dich abgefangen, – und all das hat der sittenlose Mensch getan, indem er seine einzige gute Eigenschaft ausnutzte, die Ähnlichkeit mit Dir. Jedenfalls kann man ein häßliches Äußeres besitzen und doch durch Geist, starke Empfindung und angenehme Manieren fesseln... Ich gehe zugrunde! Man wird mich gewaltsam verheiraten, und am allermeisten intrigiert hier mein Vater und Wohltäter, der Staatsrat Olsufi Iwanowitsch, wahrscheinlich in der Absicht, meinen Platz in der vornehmen Gesellschaft einzunehmen und sich meiner Konnexionen zu bedienen... Aber ich habe meinen Entschluß gefaßt und sträube mich mit allen Mitteln, die mir die Natur verliehen hat. Erwarte mich mit Deinem Wagen heute Punkt neun Uhr vor den Fenstern von Olsufi Iwanowitschs Wohnung. Bei uns ist heute Ball, und der schöne Leutnant wird da sein. Ich werde herauskommen, und wir werden fliehen. Es gibt ja auch noch andere Stellen im Staatsdienst, wo man dem Vaterlande Nutzen bringen kann. In jedem Falle denke daran, mein Freund, daß die Unschuld schon durch ihre Unschuld stark ist. Lebewohl! Erwarte mich mit dem Wagen vor der Haustür! Pünktlich um zwei Uhr nachts werde ich mich in den Schutz Deiner Umarmung flüchten.