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»Hmmm.« Sein Kopf reagierte so langsam wie seine Muskeln. Was war eigentlich geschehen? Da war der Berg gewesen … die Höhle … und der …

»Der Drache!« sagte Simon, verschluckte sich und versuchte sich aufzurichten. Die Pelzdecke rutschte zur Seite, und er merkte erst jetzt, wie kalt der Raum war. Unter einem Stück Leder am anderen Ende sickerte Licht herein. Ein plötzlicher Schwindel überkam ihn und machte ihn schlaff. Kopf und Gesicht pochten. Er sank zurück.

»Fort«, antwortete Jiriki kurz. »Ich weiß nicht, ob tot oder nicht, aber er ist fort. Als du zuschlugst, taumelte er an dir vorbei und stürzte in den Abgrund. Im Schnee und Eis der großen Tiefen konnte ich nicht sehen, wohin er fiel. Du hast das Schwert Dorn geschwungen wie ein wahrer Krieger, Seoman Schneelocke.«

»Ich…« Er holte unsicher Atem und versuchte es noch einmal. Das Sprechen verursachte ihm Schmerzen im Gesicht. »Ich glaube nicht … daß ich das war. Dorn … hat mich benutzt. Es wollte gerettet werden … glaube ich. Das mag töricht klingen, aber…«

»Nein. Ich denke, daß du recht haben könntest. Schau dort.« Jiriki deutete nach der wenige Fuß entfernten Höhlenwand. Auf dem Mantel des Sithi-Prinzen lag Dorn wie auf einem Kissen, schwarz und fern wie der Boden eines Brunnens. War es möglich, daß es in seiner Hand lebendig geworden war? »Es ließ sich ganz leicht hierher tragen«, fügte Jiriki hinzu, »vielleicht wollte es in diese Richtung.«

Diese Worte setzten in Simons Kopf ein langsames Gedankenrad in Bewegung.

Das Schwert wollte hierher kommen – aber was ist hier? Und wie sind wir … O Mutter Gottes, der Drache!

»Jiriki!« keuchte er. »Die anderen! Wo sind die anderen?«

Der Prinz nickte sanft. »Ach, ja. Ich hatte gehofft, ich könnte noch damit warten, aber ich sehe ein, daß es nicht geht.« Er schloß eine Sekunde die großen, hellen Augen.

»An'nai und Grimmric sind tot. Sie sind auf dem Berg Urmsheim begraben.« Er seufzte und bewegte die Hände in einer komplizierten Gebärde. »Du weißt nicht, was es bedeutet, einen Sterblichen und einen Sitha zusammen zu bestatten, Seoman. Es ist nur selten vorgekommen, und seit fünf Jahrhunderten überhaupt nicht mehr. An'nais Taten werden im Tanz der Jahre, den Analen unseres Volkes, weiterleben bis ans Ende der Welt, und so wird auch Grimmrics Name weiterleben. Sie werden auf ewig miteinander unter dem Udunbaum liegen.« Jiriki schloß die Augen und saß eine Weile schweigend da. »Die anderen … nun, sie sind alle am Leben geblieben.«

Simon fühlte, wie ihm das Herz weh tat, aber er verschob alle Gedanken an die beiden Gefallenen auf später. Er starrte an die mit Asche bemalte Decke und sah, daß die Linien dünne Zeichnungen von Riesenschlangen und Tieren mit Stoßzähnen darstellten und sich über die gesamte Decke und alle Wände zogen. Die leeren Augen der Geschöpfe machten ihn unruhig; wenn er zu lange hinschaute, schienen sie sich zu bewegen. Er wandte sich wieder dem Sitha zu.

»Wo ist Binabik?« fragte er. »Ich möchte gern mit ihm sprechen. Ich hatte einen ganz sonderbaren Traum … einen ganz sonderbaren Traum…«

Noch ehe Jiriki antworten konnte, steckte Haestan den Kopf durch den Höhleneingang. »Der König will nicht mit uns reden«, verkündete er. Dann sah er Simon. »Du bist ja wach, Junge!« krähte er. »Wunderbar!«

»Was denn für ein König?« fragte Simon verwirrt. »Doch nicht etwa Elias?«

»Nein, Junge.« Haestan schüttelte den Kopf. »Nach … nach dem, was da oben am Berg geschah, fanden uns die Trolle. Du hast ein paar Tage geschlafen. Wir sind jetzt auf dem Mintahoq – dem Trollberg.«

»Und Binabik ist bei seiner Familie?«

»Nicht ganz.« Haestan warf Jiriki einen Blick zu. Der Sitha nickte. »Binabik – und Sludig – hat der König gefangengenommen. Manche sagen sogar, zum Tode verurteilt.«

»Was? Gefangen?« fuhr Simon auf und sackte sofort wieder auf sein Lager, als sich ein schmerzhafter Reif grausam um seinen Kopf zusammenzog. »Warum?«

»Sludig, weil er ein verhaßter Rimmersmann ist«, erklärte Jiriki. »Und Binabik soll ein schreckliches Verbrechen gegen den Trollkönig begangen haben. Wir wissen noch nicht, was es ist, Seoman Schneelocke.«

Simon schüttelte verdutzt den Kopf. »Das ist Wahnsinn. Ich muß verrückt geworden sein – oder noch träumen.« Er sah vorwurfsvoll auf Jiriki. »Und weshalb nennt Ihr mich immer mit diesem Namen?«

»Warte…«, begann Haestan. Aber Jiriki achtete nicht darauf, sondern zog unter seiner Jacke den Spiegel hervor. Simon setzte sich auf und griff danach, die feine Schnitzerei des Rahmens rauh unter seinen empfindlichen Fingern. Vor der Höhle heulte der Wind, und unter dem Türvorhang wehte kalte Luft ins Innere.

War denn inzwischen die ganze Welt mit Eis bedeckt? Würde er dem Winter überhaupt nicht mehr entkommen?

Unter anderen Umständen hätte ihm der dichte, rotgoldene Bart, der jetzt überall in seinem Gesicht zu wachsen begann, große Freude gemacht; aber in diesem Augenblick sah er nur die lange Narbe, die vom Kinn die Wange hinauf und am linken Auge vorbeilief. Die Haut um sie herum war ganz blaß und sah frisch aus. Er strich darüber, zuckte zusammen und tastete dann mit den Fingern nach seiner Kopfhaut.

Eine lange Haarsträhne war so weiß geworden wie der Schnee am Urmsheim.

»Du bist gezeichnet, Seoman.« Jiriki streckte die Hand aus und berührte mit langem Finger seine Wange. »Ob zum Glück oder Unglück, du bist gezeichnet.«

Simon ließ den Spiegel sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.

Noch sind Ineluki und seine schwarzen Scharen nicht besiegt. Viele Gefahren warten auf Simon Schneelocke, Prinz Josua Ohnehand und ihre Gefährten. Die Abenteuer in der versunkenen Wunderwelt von Osten Ard gehen weiter.

Anhang

A. Personen

1. Erkynländer

Barnabas: Küster der Burgkapelle auf dem Hochhorst

Beornoth: Räuber in Hans Mundwalds sagenhafter-Bande

Breyugar: Graf von Westfold, Oberster der Wachen auf dem Hochhorst

Caleb Shem: Pferdeknechts Lehrling

Colmund: Knappe von Camaris-sá-Vinitta, später Baron von Rodstanby

Deorhelm: Soldat beim Drachen und Fischer in Flett

Deornoth, Herr: einer von Josuas Rittern, manchmal auch »die prinzliche Rechte« genannt

Dreosan, Vater: Kaplan auf dem Hochhorst

Eadgram, Herr: Oberster der Wachen von Naglimund

Eahlferend: Simons Vater, ein Fischer, verheiratet mit Susanna

Eahlstan Fiskerne: der Fischerkönig, erster erkynlandischer Gebieter auf dem Hochhorst

Eglaf, Bruder: Mönch in Naglimund, Strangyeards Freund

Elias: Prinz, ältester Sohn von Johan dem Priester, später Hochkönig von Osten Ard

Elispeth: Hebamme auf dem Hochhorst

Ethelbearn: Soldat, Simons Gefährte auf der Reise von Naglimund zum Urmsheim

Ethelferth: Herr von Tinsett

Fengbald: Graf von Falshire

Freawaru: Wirt des Drachen und Fischer in Flett

Godstan: Soldat beim Drachen und Fischer

Godwig: Baron von Cellodshire

Grimmric: Soldat, Simons Gefährte auf der Reise von Naglimund zum Urmsheim

Grimsted, Herr: erkynländischer Adliger, König Josuas Verbündeter

Guthwulf: Graf von Utanyeat, Hand des Hochkönigs

Haestan: Wachsoldat in Naglimund, einer von Simons Gefährten

Heahferth: Baron von Allwald

Heanfax: Wirtsjunge in Flett

Helfcene: Burgkanzler auf dem Hochhorst

Hepzibah: Dienstmagd auf dem Hochhorst

Hruse: im Lied Hans Mundwalds Frau

Inch: Gehilfe von Doktor Morgenes, später Schmiedemeister

Isaak: Page auf dem Hochhorst

Jaeclass="underline" Dienstmagd auf dem Hochhorst