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Was geht hier vor? fragte sich Isgrimnur. Was will er mit dem Schwert?

Als der Herzog die vorderste Reihe der Menge erreichte und sich wieder umdrehte, um zuzuschauen, wurde sein Unbehagen noch größer. Josua hatte dem König Hellnagel auf die Brust gelegt und verschränkte jetzt Johans Hände über dem Griff.

Aber das kann er nicht tun! dachte der Herzog. Das Schwert gehört dem Thronerben – ich weiß, daß Johan es Elias geben wollte. Und wenn Elias es wirklich lieber mit seinem Vater beisetzen möchte, warum legt er es ihm dann nicht selber ins Grab? Wahnsinn! Wundert sich denn sonst niemand darüber?

Isgrimnur schaute nach allen Seiten, fand auf den Gesichtern ringsum aber nichts als Trauer.

Jetzt kam Elias. Langsam schritt er an seinem Bruder vorbei, als nehme er teil an einem feierlichen Tanz – und so ähnlich war es ja auch. Der Thronerbe beugte sich über das Schanzkleid des Bootes. Was er seinem Vater mitgab, konnte niemand sehen, aber alle bemerkten, daß auf Elias' Wange, als er sich abwandte, eine Träne glitzerte, während Josuas Augen trockengeblieben waren.

Die Trauergemeinde sprach noch ein letztes Gebet. Ranessin, mit in der Seebrise wogenden Gewändern, besprenkelte die Seepfeil mit geweihten Ölen. Dann wurde das Boot langsam über die Schräge der Grube hinabgelassen. Schweigend arbeiteten die Soldaten mit ihren schweren Pfählen, bis es endlich einen Faden tief in der Erde lag. Dann wölbte man einen hohen Berg aus Holzbohlen darüber, den die Arbeiter mit Grassoden bedeckten, einen über den anderen geschichtet. Endlich häufte man Steine darauf, um das Felsmal für Johan den Priester zu vollenden, und die Trauergesellschaft machte sich auf den Weg und wanderte langsam über die Klippen am Rande des Kynslaghs nach Hause zurück.

Der abendliche Leichenschmaus in der großen Halle der Burg war keine feierlich strenge Zusammenkunft, sondern eher ein Fest voll Mut und Heiterkeit. Gewiß, Johan war tot, aber er hatte ein langes Leben gehabt, weit länger als die meisten anderen Menschen, und ein Königreich hinterlassen, in dem Wohlstand und Frieden herrschten, mit einem starken Sohn als Thronfolger.

In den Kaminen stapelten sich die Scheite; die tanzenden Flammen warfen seltsam hüpfende Schatten an die Wand. Schwitzende Dienerinnen und Diener eilten hin und her. Die Feiernden gestikulierten und riefen den Königen Trinksprüche zu, dem alten, der von ihnen gegangen war, und dem neuen, der am nächsten Morgen gekrönt werden sollte. Die Burghunde, große und kleine, bellten, balgten sich um heruntergefallene Brocken und wühlten im Stroh, das den Boden bedeckte. Simon, dienstverpflichtet, mußte eine schwere Weinkanne von Tisch zu Tisch schleppen und hatte, von grölenden Angeheiterten angebrüllt und bespritzt, das Gefühl, in einer von den lärmenden Höllen aus Vater Dreosans Predigten seine Arbeit zu tun; die auf den Tischen verstreuten und unter den Füßen knirschenden Knochen konnten die Überreste von Sündern sein, die diese lachenden Dämonen erst gequält und dann fortgeschleudert hatten.

Elias sah schon jetzt wie ein echter Kriegerkönig aus. Er saß an der Haupttafel, umgeben von seinen jungen adligen Günstlingen: Guthwulf von Utanyeat, Fengbald, dem Grafen von Falshire, Breyugar vom Westfold und anderen. Alle trugen sie ein Streifchen von Elias' Grün am Trauerschwarz, und alle wetteiferten sie miteinander um den lautesten Trinkspruch, den härtesten Scherz. Der zukünftige König führte bei diesen Anstrengungen den Vorsitz und belohnte seine Favoriten mit lautem Gelächter. Von Zeit zu Zeit beugte er sich vor und sagte etwas zu Skali von Kaldskryke, Isgrimnurs Verwandtem, der als besonders geladener Gast an Elias' Tafel saß. Obwohl er ein großer Mann war, falkengesichtig und blondbärtig, wirkte Skali von der Ehre, zur Seite des Thronfolgers zu sitzen, etwas überwältigt – vor allem, weil Herzog Isgrimnur keine vergleichbare Ehre zuteil geworden war. Aber etwas, das Elias soeben bemerkte, schien ins Schwarze zu treffen; Simon sah den Rimmersmann zuerst lächeln, hörte ihn dann schallend loslachen und mit seinem Metallpokal krachend mit dem Prinzen anstoßen. Elias drehte sich mit wölfischem Grinsen um und sagte etwas zu Fengbald, der in die allgemeine Erheiterung einstimmte.

Verglichen damit, ging es an dem Tisch, an dem Isgrimnur mit Prinz Josua und einigen anderen saß, weit gedämpfter zu; die Stimmung schien zum grauen Gewand des Prinzen zu passen. Obwohl die anderen Edelleute sich Mühe gaben, eine Unterhaltung in Gang zu halten, konnte Simon im Vorbeigehen feststellen, daß die beiden Hauptpersonen sich nicht daran beteiligten. Josua starrte in die Ferne, als fesselten die Wandbehänge seinen Blick. Genausowenig wie er reagierte Herzog Isgrimnur auf das Tischgespräch, aber seine Gründe dafür waren kein Geheimnis. Selbst Simon konnte erkennen, wie finster der alte Herzog zu Skali Scharfnase hinüberstarrte und mit den riesigen, knorrigen Händen gedankenverloren am Saum seines Bärenfellwamses herumzupfte. Die verächtliche Art, in der Elias einen von Johans getreuesten Rittern behandelte, war an anderen Tischen nicht unbeachtet geblieben. Einige der jüngeren Edelleute, wenngleich höflich genug, es nicht deutlich zu zeigen, schienen das Unbehagen des Herzogs belustigend zu finden. Hinter vorgehaltener Hand tuschelten sie mit hochgezogenen Brauen, um die Größe des Skandals anzudeuten. Während Simon dastand und vor sich hinschwankte, verwirrt von dem Lärm, dem Rauch und seinen eigenen konfusen Beobachtungen, ertönte von einem der hinteren Tische eine laute Stimme, die ihn verwünschte und nach mehr Wein brüllte. Hastig setzte er sich wieder in Bewegung.

Später am Abend, als Simon endlich Gelegenheit fand, sich in einer Nische hinter einem der gewaltigen Wandbehänge einen Augenblick auszuruhen, bemerkte er, daß ein neuer Gast am Ehrentisch Platz genommen und sich auf einen hohen Hocker zwischen Elias und Guthwulf gezwängt hatte. Der Neuankömmling war in für eine Trauergesellschaft höchst unpassendes Scharlachrot gekleidet; schwarzgoldene Tressen faßten die Säume seiner überweiten Ärmel ein. Als er sich vorbeugte, um Elias etwas ins Ohr zu flüstern, betrachtete ihn Simon mit hilfloser Faszination. Der Mann war völlig haarlos, sogar ohne Augenbrauen und Wimpern, aber die Züge gehörten einem noch jungen Mann. Die eng über den Schädel gespannte Haut schien selbst im grell orangefarbenen Binsenlicht auffallend blaß; die Augen lagen tief in den Höhlen und waren so dunkel, daß sie nur wie glänzend schwarze Flecken unter den nackten Brauen wirkten. Simon kannte diese Augen – sie hatten ihn unter dem Kapuzenmantel des Wagenlenkers angeblickt, dessen Fahrzeug ihn am Nerulagh-Tor um ein Haar überrollt hätte. Er schauderte und riß die Augen auf. Es war etwas Widerwärtiges und zugleich Fesselndes an dem Mann, ähnlich wie bei einer sich wiegenden Schlange.

»Sieht gräßlich aus, nicht wahr?« sagte eine Stimme an seinem Ohr. Simon machte einen Satz. Ein junger Mann, dunkelhaarig und lächelnd, stand hinter ihm in der Nische, eine Laute aus Eschenholz liebevoll an das taubengraue Wams gedrückt.

»Ich … es tut mir leid«, stotterte Simon. »Ihr habt mich erschreckt.«

»Das wollte ich nicht«, lachte der andere. »Ich kam nur vorbei, um zu sehen, ob du mir aushelfen könntest.« Er zog die andere Hand hinter dem Rücken vor und zeigte Simon einen leeren Weinbecher.

»Oh …«, begann Simon. »Es tut mir wirklich leid … ich ruhte mich gerade ein bißchen aus, Herr … verzeiht mir …«

»Friede, Freund, Friede! Ich will dir keinen Ärger machen, aber wenn du nicht aufhörst, dich zu entschuldigen, werde ich doch noch zornig. Wie heißt du?«

»Simon, Herr.« Hastig hob er die Kanne und füllte das Gefäß des jungen Mannes. Der Fremde stellte den Becher in einer Vertiefung der Wand ab, faßte die Laute fester und griff in sein Wams, aus dem er einen zweiten Becher zutage förderte. Mit einer Verbeugung hielt er ihn Simon hin.