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Isgrimnur, prustend wie ein Blasebalg, sagte mehrere lange Augenblicke gar nichts. Er hatte die Augen geschlossen; Schweißperlen in seinem Bart glänzten im grellen Sonnenlicht. Josua beugte sich über ihn und starrte ihn an. Dann machte er ein besorgtes Gesicht und griff nach Isgrimnurs Weste, um sie zu öffnen. Als er die Finger unter den Knoten schob, schoß die große, rosige Hand des Herzogs nach oben und versetzte ihm einen Schläfenhieb, der ihn wieder auf den Rücken schleuderte. Der Prinz hob die Hand ans Ohr und zuckte zusammen.

»Ha!« schnaufte Isgrimnur. »Das wird Euch lehren … junger Welpe!«

Wieder eine Weile Schweigen. Keuchend lagen die beiden Männer da und starrten in den wolkenlosen Himmel hinauf.

»Ihr betrügt, Kleiner«, bemerkte Isgrimnur endlich und setzte sich auf. »Wenn es Euch das nächste Mal hier auf den Hochhorst verschlägt, werde ich mich rächen. Außerdem – wenn es nicht so götterverdammt heiß und ich nicht so verflucht fett wäre, hätte ich Euch schon vor einer Stunde die Rippen eingeschlagen.«

Josua richtete sich ebenfalls auf und beschattete mit der Hand seine Augen. Über das gelbe Gras des Turnierplatzes näherten sich zwei Gestalten. Die eine war in ein langes Gewand gehüllt.

»Es ist wirklich heiß«, bemerkte Josua.

»Und das im Novander!« ächzte Isgrimnur und zog die Fechtweste aus. »Die Tage des Hundes liegen längst hinter uns, und immer noch diese Hitze! Wo bleibt der Regen?«

»Vielleicht hat man ihn verscheucht.« Josua sah mit schmalen Augen auf die beiden Herankommenden.

»Ho, kleiner Bruder!« rief einer von ihnen. »Und der alte Onkel Isgrimnur! Sieht aus, als wärt ihr beide vom Spielen erschöpft!«

»Josua und die Hitze haben mich um ein verdammtes Haar umgebracht, Majestät«, rief Isgrimnur dem König zu, der jetzt zu ihnen trat. Elias war mit einem kostbaren seegrünen Wams bekleidet. An seiner Seite schritt in flatternder Robe der dunkeläugige Pryrates, eine kameradschaftliche Scharlachfledermaus.

Josua erhob sich und streckte Isgrimnur die Hand entgegen, um dem Älteren beim Aufstehen zu helfen. »Herzog Isgrimnur übertreibt wie gewöhnlich«, bemerkte der Prinz sanft. »Ich war gezwungen, ihn zu Boden zu schmettern und mich auf ihn zu setzen, um mein eigenes Leben zu retten.«

»Ja, ja, wir haben eurer Rauferei vom Hjeldin-Turm zugeschaut«, erwiderte Elias und machte eine achtlose Handbewegung dorthin, wo die Steinmasse des Turms die Außenmauer des Hochhorstes überragte, »nicht wahr, Pryrates?«

»Jawohl, mein König.« Pryrates' Lächeln war fadendünn, seine Stimme ein trockenes Rasseln. »Euer Bruder und der Herzog sind in der Tat gewaltige Männer.«

»Darf ich Euch«, begann Isgrimnur, »etwas fragen, Majestät? So ungern ich Euch jetzt auch mit Staatsangelegenheiten belästige?«

Elias, der mit starren Augen über den Platz geblickt hatte, drehte sich mit dem Ausdruck milder Verärgerung nach dem alten Herzog um. »Zufällig bin ich gerade damit beschäftigt, mit Pryrates einige wichtige Dinge zu erörtern. Warum kommst du nicht zu mir, wenn ich bei Hof über solche Fragen spreche?« Wieder kehrte er Isgrimnur den Rücken zu. Auf der anderen Seite des Turnierplatzes jagten Guthwulf und Graf Eolair vom Nad Mullagh – ein Verwandter des Hernystir-Königs Lluth – einem widerspenstigen Hengst nach, der seine Stränge zerrissen hatte. Elias lachte über den Anblick und stieß Pryrates mit dem Ellbogen in die Seite. Der Priester schenkte ihm ein weiteres flüchtiges Lächeln.

»Vergebung, Majestät«, setzte Isgrimnur von neuem an, »aber ich versuche seit vierzehn Tagen, Euch in dieser Angelegenheit zu sprechen. Immer wieder erklärt mir Euer Kanzler Helfcene, Ihr wäret zu beschäftigt –«

»Im Hjeldin-Turm«, fügte Josua knapp hinzu. Sekundenlang prallten die Blicke der Brüder aufeinander, dann wandte sich Elias dem Herzog zu.

»Also gut. Um was geht es?«

»Um die königliche Garnison in Vestvennby. Die Leute wurden vor mehr als einem Monat abgezogen und bis heute nicht ersetzt. Die Frostmark ist immer noch eine wilde Gegend, und ohne die Garnison in Vestvennby habe ich nicht genügend Männer, um die nördliche Wjeldhelm-Straße zu sichern. Wann wollt Ihr endlich neue Truppen entsenden?«

Elias hatte den Blick wieder auf Guthwulf und Eolair gerichtet, zwei winzige Gestalten, die in der Hitze schimmerten, während sie den immer kleiner werdenden Hengst jagten. Ohne sich umzudrehen, antwortete er: »Skali von Kaldskryke sagt, du hättest mehr Männer als nötig, mein alter Onkel. Er meint, du hortest deine Soldaten in Elvritshalla und Naarved. Warum tust du das?« Seine Stimme war von trügerischer Unbekümmertheit.

Bevor der verblüffte Herzog etwas erwidern konnte, bemerkte Josua: »Wenn er das behauptet, ist Skali Scharfnase ein Lügner. Nur ein Narr kann ihm glauben.«

Elias wirbelte herum, die Lippen zornig zusammengepreßt. »Ist das wahr, Bruder Josua? Skali ein Lügner? Und das auf dein Wort hin, das Wort eines Mannes, der nie versucht hat zu verbergen, daß er mich haßt?«

»Nun, nun«, unterbrach Isgrimnur bestürzt und nicht ohne Furcht, »Elias … Majestät … Ihr kennt meine Treue. Ich war der beständigste Freund, den Euer Vater je hatte.«

»O ja – mein Vater!« schnaubte Elias.

»Und laßt bitte nicht Josua Euren Unmut über diese skandalösen Gerüchte – denn um mehr handelt es sich nicht – entgelten! Er haßt Euch nicht! Er ist Euch so treu, wie ich es bin!«

»Daran«, erwiderte der König, »zweifle ich nicht. Ich werde Vestvennby eine neue Garnisonsbesatzung schicken, wenn ich es für richtig halte, und keinen Augenblick früher.« Er starrte die beiden sekundenlang mit weitaufgerissenen Augen an. Pryrates, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, hob die weiße Hand und zupfte Elias am Ärmel.

»Ich bitte Euch, Herr«, sagte er, »hier ist nicht Zeit noch Ort für solche Dinge…«, – er warf Josua unter schweren Lidern einen unverschämten Blick zu –, »… wenn ich das in aller Demut erwähnen darf.«

Der König sah seinen Günstling starr an und nickte dann einmal. »Ihr habt recht. Ich habe mich sinnlos aufgeregt.« Und zu Isgrimnur gewendet, meinte er: »Vergib mir, Onkel, denn wie du selber sagtest, ist es ein heißer Tag. Verzeih meine Unbeherrschtheit.« Er lächelte.

Isgrimnur neigte den Kopf. »Natürlich, mein König. Man läßt sich bei drückendem Wetter nur allzu leicht von schlechten Stimmungen beeinflussen. Es ist auch seltsam, so spät im Jahr, findet Ihr nicht auch?«

»In der Tat.« Elias wandte sich dem Priester im roten Mantel zu und grinste ihn breit an. »Sogar Pryrates hier, so heilig auch seine Stellung in der Kirche ist, scheint Gott nicht davon überzeugen zu können, daß er uns den Regen gibt, um den wir beten – oder könnt Ihr es, mein Ratgeber?«

Pryrates sah den König seltsam an und duckte dann den Kopf in den Kragen seines Gewandes wie eine Albinoschildkröte. »Bitte, Herr«, meinte er, »laßt uns unser Gespräch wieder aufnehmen und diese Herren ihr Schwertgefecht fortsetzen.«

»Ja.« Der König nickte. »Fahren wir fort.« Aber als das Paar wenige Schritte getan hatte, blieb Elias stehen, machte langsam kehrt und sah zu Josua hinüber, der gerade die hölzernen Übungsschwerter vom trockenen Gras aufhob.