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»Weißt du, Bruder«, begann der König, »es ist lange her, daß wir beide die Stäbe gekreuzt haben. Was hältst du davon, wenn wir ein paar Gänge machen, da wir gerade alle hier zusammen sind?«

Ein Augenblick Schweigen. »Wie du wünschst, Elias«, antwortete Josua dann und warf dem König eine der hölzernen Klingen zu. Elias fing den Griff geschickt mit der Rechten auf.

»Tatsächlich«, meinte Elias, und ein halbes Lächeln umspielte seine Lippen, »glaube ich nicht, daß wir noch einmal miteinander gefochten haben, seitdem du deinen … Unfall hattest.« Er machte eine feierliche Miene. »Zum Glück war es nicht die Schwerthand, die du dabei verlorst.«

»Wirklich ein Glück.« Josua maß anderthalb Schritte ab und stellte sich Elias gegenüber.

»Jedenfalls gibt es allerhand –«, fuhr Elias fort, – »oh, das Wort war nicht gut gewählt, wie? Ich bitte um Verzeihung. Es gibt allerlei, das dagegen spricht, mit diesen armseligen Holzrudern herumzufuchteln.« Er schwenkte das Übungsschwert hin und her. »Ich sehe so gern zu, wie du – wie nennst du diese dünne Klinge, die du so schätzt – ach ja, Naidel, also wie du Naidel führst. Schade, daß du sie nicht hier hast.« Ohne Warnung sprang Elias nach vorn und schwang eine harte Rückhand nach Josuas Kopf. Der Prinz fing den Hieb ab, ließ ihn vorbeigleiten und stieß dann selber vor. Elias parierte den Ausfall und lenkte ihn geschickt zur Seite ab. Die beiden Brüder lösten sich, traten zurück, umkreisten einander.

»Ja.« Josua hielt sein Schwert gerade vor sich, das schmale Gesicht schweißglatt. »Zu schade, daß ich Naidel nicht bei mir habe. Genauso schade ist es, daß du Hellnagel nicht hast.« Der Prinz führte einen schnellen Hieb nach unten und ging dann zu einem neuen Drehstoß über. Schnell wich der König nach rückwärts aus, um dann seinerseits anzugreifen.

»Hellnagel?« fragte Elias und atmete ein wenig schwer. »Was willst du damit sagen? Du weißt, daß es mit unserem Vater im Grabe liegt.« Er duckte sich, schlug einen Rückhandbogen und drängte Josua nach hinten.

»Oh, das weiß ich«, antwortete Josua und parierte, »aber vom Schwert eines Königs – so wie von seinem Reich – sollte man weise« – ein Stoß – »und stolz« – ein Gegenstoß –, »weise und vorsichtig Gebrauch machen … wenn man der Erbe ist.«

Mit dem Geräusch einer Axt, die Balken spaltet, trafen die beiden Holzklingen aufeinander. Der Druck setzte sich nach unten fort, bis die Griffe aneinanderstießen und Elias' und Josuas Gesichter nur noch wenige Zoll voneinander entfernt waren. Unter den Hemden der Brüder spannten sich die Muskeln; einen Augenblick standen sie fast reglos da, die einzige Bewegung ein leichtes Zittern, als sie sich gegeneinander stemmten. Endlich fühlte Josua, der, anders als der König, den Griff nicht mit beiden Händen halten konnte, wie seine Klinge abzugleiten begann. Mit einer geschmeidigen Drehung löste er sich und sprang zurück, das Schwert wieder vor sich nach unten gerichtet.

Als sie einander über dem Rasenstück ins Gesicht blickten und nach Luft rangen, klang ein lautes, tiefes Geläut über den Turnierplatz. Die Glocken des Grünengel-Turms verkündeten die Mittagsstunde.

»Da habt Ihr es, edle Herren!« rief Isgrimnur, in dessen Gesicht ein verzerrtes Lächeln stand. Der nackte Haß aufeinander, den die beiden Brüder ausströmten, war unverkennbar gewesen. »Da sind die Glocken, und das bedeutet Essenszeit. Wollen wir von einem Unentschieden ausgehen? Wenn ich nicht bald aus der Sonne herauskomme und einen Humpen Wein finde, werde ich Ädonmeß dieses Jahr nicht mehr erleben. Meine alten Nordknochen sind für solch grausame Hitze nicht geschaffen.«

»Der Herzog hat recht, Herr«, schnarrte Pryrates und legte die Finger auf Elias' Hand, die immer noch das Schwert in die Höhe hielt. Ein Reptilienlächeln machte die Lippen des Priesters schmal. »Wir können unsere Geschäfte auf dem Rückweg erledigen.«

»Nun gut«, knurrte Elias und warf das Schwert über die Schulter. Es schlug auf dem Boden auf, wirbelte einmal um seine Achse und fiel dann hin. »Sei bedankt für die Übung, Bruder.« Er drehte sich um und bot Pryrates den Arm. Scharlach und Grün entfernten sich.

»Was meint Ihr, Josua?« fragte Isgrimnur und nahm dem Prinzen das Holzschwert aus der Hand. »Wollen wir einen Becher Wein zu uns nehmen?«

»Ja, ich denke schon«, erwiderte Josua und bückte sich, um die Westen aufzuheben, während Isgrimnur das Schwert holte, das der König weggeschleudert hatte. Der Prinz richtete sich auf und starrte in die Weite. »Stehen denn immer die Toten zwischen den Lebenden, Onkel?« fragte er leise und strich sich mit der Hand über das Gesicht. »Aber laß nur. Komm, wir suchen uns einen kühlen Ort.«

»Wirklich, Judith, es ist ganz in Ordnung. Rachel hätte nichts dagegen…«

Nur wenige Zoll von der Rührschüssel entfernt wurde Simons suchende Hand gepackt. Judith, so rund und rosig sie auch aussah, war ungemein kräftig.

»Hände weg! ›Rachel hätte nichts dagegen‹, ha! Sonst noch etwas? Jeden Knochen in meinem alten schwachen Körper würde sie mir brechen!« Judith schob Simons Hand auf seinen Schoß zurück, pustete sich eine Haarsträhne aus den Augen und wischte sich die Finger an der fleckigen Schürze ab. »Ich hätte wissen müssen, daß der leiseste Hauch von Ädonbrotbacken dich anziehen würde wie einen Troßköter aus Inniscrich.«

Simon malte traurige Muster auf die mehlbestreute Tischplatte. »Aber Judith, du hast doch ganze Berge von Teig – warum kann ich keine Kostprobe aus der Schüssel bekommen?«

Judith wuchtete sich vom Hocker und segelte anmutig, wie eine Barke auf gemächlichem Fluß, zu einem der Hunderte von Küchenborden. Vor ihr stoben zwei kleine Küchenjungen auseinander wie verschreckte Möwen. »Also, wo…«, bemerkte sie sinnend, »ist jetzt dieser Krug mit der süßen Butter?« Während sie so, den Finger im Mund, in nachdenklicher Haltung dastand, rutschte Simon näher an die Rührschüssel heran.

»Wag es nicht, Bürschchen!« Judith warf die Worte über die Schulter, ohne sich auch nur nach ihm umzudrehen. Hatte sie auf allen Seiten Augen? »Es liegt nicht daran, Simon, daß wir keinen Teig übrighätten; aber Rachel will nicht, daß du dir den Appetit für das Abendessen verdirbst.« Sie setzte ihre Inspektion der Borde fort, auf denen eine Fülle von Lebensmitteln aufgestapelt war, während sich Simon zornig brütend wieder hinsetzte.

Trotz solcher gelegentlichen Mißerfolge war die Küche ein wundervoller Ort. Länger noch als Morgenes' ganze Wohnung, wirkte sie trotzdem klein und gemütlich, erfüllt von der pulsierenden Wärme der Öfen und Herde und den Düften guter Dinge. Schmorlamm brodelte in eisernen Töpfen, im Ofen gingen die Ädonbrote auf, und im beschlagenen Fenster hingen wie Glocken papierschalige braune Zwiebeln. Die Luft war schwer vom Geruch der Gewürze, von scharfem Ingwer und Zimt, Safran, Nelken und kratzigem Pfeffer. Küchenjungen rollten Fässer mit Mehl oder sauer eingelegtem Fisch durch die Tür oder holten mit flachen Holzpaddeln Brotlaibe aus den Backöfen. Einer der Oberlehrlinge kochte auf dem Feuer in einem Topf Mandelmilch-Reisbrei, eine weiße Süßspeise für den Nachtisch des Königs. Und Judith selbst, eine mächtige, sanfte Frau, die die riesige Küche so anheimelnd erscheinen ließ wie eine Bauernkate, leitete das alles, ohne auch nur einmal die Stimme zu heben, eine freundliche, aber scharfäugige Beherrscherin ihres Reiches aus Töpfen und Feuerschein.

Sie kam mit dem fehlenden Krug wieder und ergriff unter Simons mißbilligendem Blick einen langstieligen Pinsel, um die geflochtenen Laibe Ädonbrot mit der Butter zu bestreichen. »Judith«, fragte Simon nach einer Weile, »wenn jetzt schon bald Ädonmeß ist, warum haben wir keinen Schnee? Morgenes sagt, er hätte noch nie erlebt, daß er so lange auf sich warten ließ.«

»Das weiß ich ganz bestimmt nicht«, erwiderte Judith munter. »Wir hatten ja auch im Novander keinen Regen. Ich nehme an, es ist eben ein trockenes Jahr.« Sie runzelte die Stirn und pinselte noch einmal über den letzten Brotlaib.