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»Gewiß, mein König.«

»Dann sag mir, lieber Strupp, wie es kam, daß man dir einen Hundenamen gab.« In scheinbarer Ratlosigkeit hob Elias die Brauen und sah zuerst zu dem grinsenden Guthwulf hinüber, dann zu Miriamel, die den Blick abwandte. Die übrigen Höflinge lachten und tuschelten hinter vorgehaltener Hand.

»Niemand gab mir einen Hundenamen, Herr«, antwortete Strupp gelassen. »Ich selbst wählte ihn mir.«

»Was!« rief Elias und schaute wieder den alten Mann an. »Ich habe gewiß nicht recht gehört.«

»Doch, Herr. Ich habe mir selbst den Hundenamen gegeben! Euer edler Vater pflegte mich zu necken, weil ich ihm so treu war, immer mit ihm ging, nie von seiner Seite wich. Zum Scherz nannte er einen seiner Hunde ›Cruinh‹ – das war mein Taufname.« Der Alte drehte sich halb um, damit das Publikum ihn besser sehen konnte. »›Nun gut‹, sagte ich, ›wenn es Johans Wille ist, daß der Hund meinen Namen trägt, so will ich seinen annehmen.‹ Und seit dieser Zeit habe ich nie mehr auf einen anderen Namen als Strupp gehört, und so soll es bleiben.«

Strupp gestattete sich ein winziges Lächeln. »Es mag sein, daß Euer verehrter Vater seinen Scherz danach ein wenig bereut hat.«

Die Antwort schien Elias nicht unbedingt zu gefallen, aber er lachte trotzdem laut auf und schlug sich aufs Knie. »Ein kecker Zwerg, meint Ihr nicht auch?« fragte er und blickte in die Runde. Die anderen, die dort saßen, versuchten sich der Stimmung des Königs anzupassen und lachten höflich mit – alle außer Miriamel, die von ihrem hochlehnigen Stuhl auf Strupp hinunterblickte, einen verwirrenden Ausdruck im Gesicht, den der alte Narr nicht enträtseln konnte.

»Hm«, meinte Elias, »wäre ich nicht der gute König, der ich bin – wäre ich, sagen wir einmal, ein Heidenkönig wie Lluth von Hernystir –, dann würde ich dir vielleicht dein winziges Runzelköpfchen abhacken lassen, weil du so über meinen verstorbenen Vater sprichst. Aber natürlich bin ich kein solcher Tyrann.«

»Natürlich nicht, Majestät«, erwiderte Strupp.

»Nun denn, bist du eigentlich gekommen, um uns etwas vorzusingen oder um Purzelbäume zu schlagen – wobei wir das letztere nicht hoffen wollen, denn du scheinst uns zu gebrechlich für solche Possen … Komm, sag es uns.« Elias lehnte sich behaglich in seinem Thron zurück und klatschte in die Hände nach mehr Wein.

»Zum Singen, Majestät«, erklärte der Narr. Er nahm die Laute von der Schulter und begann die Wirbel zu drehen, um die Saiten zu stimmen. Ein junger Page eilte herbei und füllte den Becher des Königs. Strupp schaute an die Decke, wo vor den vom Regen bespritzten Oberlichtern die Banner der Ritter und Edlen von Osten Ard hingen. Der Staub war entfernt, das Spinnengeflecht zerrissen, aber Strupp schienen die bunten Farben der kleinen Wimpel falsch, zu grell – wie die geschminkte Haut einer Dirne, die ihre eigene Jugendzeit nachzuäffen versucht und damit auch das noch zerstört, was an echter Schönheit übriggeblieben ist. Als der aufgeregte Page auch Guthwulf, Fengbald und den anderen die Pokale neu gefüllt hatte, winkte Elias Strupp zu.

»Herr«, nickte der alte Narr, »ich will Euch von einem anderen guten König vorsingen; freilich war er ein unglücklicher und trauriger Herrscher.«

»Ich mag keine traurigen Lieder«, mischte sich Fengbald ein, der wie üblich stark angetrunken war.

Guthwulf neben ihm grinste höhnisch. »Sch.« Die Königliche Hand ermahnte ihren Kameraden mit dem Ellenbogen zu schweigen.

»Wenn uns das Lied nicht gefällt, können wir den Zwerg hinterher hüpfen lassen.«

Strupp räusperte sich und griff in die Saiten. Mit dünner, wohlklingender Stimme sang er:

Wacholder war ein König einst, uralt war er und schwach, schneeweiß sein Bart vom Kinn zum Knie; er saß im Throngemach.
Wacholder rief von seinem Thron: ›Bringt meine Söhne mir! Die Zeit ist um, ich scheide bald, ein andrer herrscht dann hier.‹
Sie holten die zwei Prinzen her, Hund, Falken, Jägerspieß; der jüngere Prinz Stechpalm war, der ältre Schierling hieß.
›Wir folgten, Vater, Eurem Ruf, verließen unsre Jagd‹, sprach Schierling, ›was begehrt Ihr, Herr?‹ Der alte König sagt:
›Ich sterbe bald, ihr Söhne mein, doch wenn im Grab ich lieg, so will ich, daß ihr euch vertragt, daß zwischen euch kein Krieg.‹

»Ich glaube nicht, daß mir der Klang dieses Liedes gefällt«, knurrte Guthwulf, »es hat einen höhnischen Ton.«

Elias hieß ihn schweigen. In seinen Augen lag ein düsterer Glanz, als er Strupp zum Weitersingen aufforderte.

›O Vater, was befürchtet Ihr? Prinz Schierling hat das Recht. Und würd ich mit ihm streiten drum, ich wär ein Ritter schlecht.‹
Zufrieden hört' der Vater ihn und schickt' die Söhne fort und dankte Ädons Gnade für Prinz Stechpalms edles Wort.
Jedoch in Schierlings Herzen tief – und König sollt er sein! –, da weckten Stechpalms Worte nur Gedanken bös und klein.
›So süß spricht Prinzenzunge nicht, die Wahrheit sagen kann.‹ Und Schierling denkt: Arglistig sinnt mein Bruder üblen Plan.
Er fürchtete das milde Herz, Stechpalm mißtraute er, und aus dem Wams er heimlich zog ein Tränklein gifteschwer.
Die Brüder saßen froh bei Tisch, da goß er es ins Glas und hieß Prinz Stechpalm trinken und –

»Genug! Das ist Verrat!« brüllte Guthwulf, sprang auf und kippte seinen Stuhl mitten unter die erschreckten Höflinge. Sein Langschwert zischte aus der Scheide. Wäre Fengbald nicht verwirrt in die Höhe gefahren und ihm dadurch in den Arm gefallen, hätte Guthwulf sich auf den ängstlich zurückweichenden Strupp gestürzt.

Auch Elias war sofort auf den Füßen. »In die Scheide mit der Haarnadel, du Tölpel!« schrie er. »Niemand zieht im Thronsaal des Königs das Schwert!« Von dem wütend knurrenden Grafen von Utanyeat wandte er sich dem Narren zu. Der alte Mann, der sich noch nicht von dem erschreckenden Anblick des rasenden Guthwulfs erholt hatte, rang mühsam um Fassung.

»Glaube nicht, Zwergengeschöpf, daß uns dein Liedchen erheitert hat«, zischte der König, »oder daß die lange Zeit, die du meinem Vater gedient hast, dich unverletzlich macht – aber denk auch nicht, daß du mit solch stumpfen Dornen die Haut des Königs ritzen kannst. Geh mir aus den Augen!«

»Ich will Euch gestehen, Herr, daß dieses Lied ein neu ersonnenes war«, begann der Narr mit unsicherer Stimme. Seine Schellenkappe saß schief. »Aber es war nicht…«

»Scher dich fort!« fauchte Elias, totenbleich im Gesicht, in den Augen den Blick eines Raubtiers. Hastig humpelte Strupp aus dem Thronsaal, schaudernd vor dem letzten wilden Blick des Königs und dem eingesperrten, hoffnungslosen Gesicht der Prinzessin Miriamel.

XI

Ein unerwarteter Gast

Am letzten Avreltag, in der Mitte des Nachmittags, war Simon im dunklen Heuboden des Stalls untergetaucht, trieb behaglich in einem kratzigen, gelben Meer dahin, nur den Kopf über den staubigen Wogen. Vor dem breiten Fenster funkelte der Heustaub zur Erde, und Simon lauschte dem eigenen gleichmäßigen Atem.

Er war eben erst von der düsteren Galerie der Kapelle heruntergekommen, in der die Mönche die Mittagsriten gesungen hatten. Die reinen, gemeißelten Töne ihrer feierlichen Gebete hatten ihn ergriffen, wie die Kapelle und die trockenen Verrichtungen in ihren teppichverkleideten Mauern es selten taten; jede einzelne Note sorgsam gehalten und dann liebevoll freigegeben, so wie ein Holzschnitzer zierliche Spielzeugboote in einen Bach setzt. Die singenden Stimmen hatten das geheime Innere seines Herzens in ein süßes, kaltes Netz aus Silber gehüllt; noch immer hielt die zärtliche Hoffnungslosigkeit der Fäden ihn fest. Es war so ein wunderliches Gefühl gewesen – sekundenlang hatte er empfunden, als bestehe er ganz aus Federn und rasendem Herzschlag, ein verängstigter Vogel in Gottes hohler Hand …