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Die eng aneinander geneigten Tunnelwände waren dick mit verschlungenem Moos bewachsen, und dieses Moos war es, das leuchtete – ein bleicher, grünweißer Schimmer, der gerade genug Helligkeit spendete, daß Simon die schwärzere Dunkelheit des Tunnels vor sich und den das Licht verdeckenden Schatten der eigenen Hände und Arme erkennen konnte. Aber es war Licht! Licht! Simon lachte tonlos, und seine nebelhaften Schatten hüpften kreuz und quer durch den Gang.

Der Tunnel mündete in eine weitere offene Galerie. Als Simon aufsah und über das Sternbild aus leuchtenden Moosen staunte, das an der weit entfernten Decke sproß, fühlte er einen kalten Wassertropfen am Hals. Langsam tropfte noch mehr Wasser von oben herunter, und jeder Tropfen prallte mit dem Geräusch eines winzigen Hämmerchens, das gegen Glas klopft, unten auf den Fels. Die gewölbte Kammer war voll von hohen Steinsäulen, dick an beiden Enden, schmal in der Mitte; manche besaßen nur die Breite eines Haares und erinnerten an Honigfäden. Während Simon sich mühsam weiterschleppte, wurde ihm in einem entfernten Winkel seines zermarterten Kopfes klar, daß das meiste hier das Werk von Stein und Tropfwasser war, nicht die Arbeit schaffender Hände. Aber dennoch erschienen Linien im Dämmerlicht, die nicht natürlich wirkten: rechtwinklige Spalten in den moosüberwuchterten Wänden, zerstörte Pfeiler, die sich allzu regelmäßig, um zufällig zu sein, zwischen den Stalagmiten erhoben. Simon war im Begriff, einen Ort zu durchqueren, der einmal etwas anderes gekannt hatte als den unaufhörlichen Rhythmus von Wasser, das in steinerne Tümpel tropft. Einst war das Echo anderer Schritte hier erklungen; aber dieses ›einst‹ hatte nur dann eine Bedeutung, wenn die Zeit noch eine Schranke darstellte. Simon war nun so lange in der Dunkelheit herumgekrochen, daß er vielleicht bis in die neblige Zukunft oder die düstere Vergangenheit vorgestoßen war – oder in unerforschte Reiche des Wahnsinns, wie sollte er das noch wissen?

Simon wollte auftreten und fühlte einen Augenblick erschreckender Leere. Er stürzte in kalte, nasse Schwärze. Im Fallen berührten seine Hände die gegenüberliegende Seite, und das Wasser erwies sich als nur knietief. Er meinte, ein Klauenwesen zu fühlen, das sein Bein umklammerte, als er sich mit einem Ruck wieder in den Gang hinaufzog und vor mehr als nur Kälte zitterte.

Ich will nicht sterben. Ich will die Sonne wiedersehen!

Armer Simon, antworteten seine Stimmen. Verrückt in der Dunkelheit. Verrückt.

Triefend und frierend hinkte er durch die grünlich glimmende Kammer und achtete sorgfältig auf schwarze Leere, die nächstes Mal vielleicht nicht so seicht sein würde. Rosig und weiß schimmernde matte Blitze zuckten in den Löchern hin und her, wenn er darüber hinwegstieg oder sie vorsichtig umging. Fische? Leuchtende Fische in den Tiefen der Erde?

Nun, da eine große Kammer in die nächste und wieder eine andere mündete, wurden die Umrisse von Hand gefertigter Dinge unter dem Mantel aus Moos und Steinsinter immer deutlicher. Im trüben Halblicht zeigten sich wunderliche Silhouetten: zerbröckelte Querstreben, die einst Balkone gewesen sein mochten, bogenförmige Vertiefungen, verfilzt von blassem Moos, die Fenster gewesen sein konnten oder Tore. Als er versuchte, mit schmalen Augen in der fast völligen Dunkelheit Einzelheiten wahrzunehmen, kam es ihm plötzlich so vor, als verschiebe sich sein Sehfeld um ein weniges zur Seite – die überwucherten Formen, schattenerstickt, schienen gleichzeitig in den Umrissen zu flackern, die sie einst getragen hatten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie eine der geborstenen Säulen, die die Galerie einfaßten, auf einmal wieder aufrecht stand – ein glänzendweißes Gebilde, in das anmutige Blumengirlanden gemeißelt waren. Als er sich umdrehte, um sie anzustarren, hatte sie sich wieder in einen zerbrochenen Steinhaufen verwandelt, fast völlig bedeckt mit Moos und heruntergefallener Erde. Die tiefe Düsternis der Kammern verzerrte sich an den Rändern seines Blickfeldes auf verrückte Weise, und in seinem Kopf hämmerte es. Das unaufhörliche Geräusch des fallenden Wassers begann sich anzufühlen wie Schläge auf sein schwindliges Hirn. Schnatternd kehrten seine Stimmen zurück wie von wilder Musik erregte Festgäste.

Verrückt! Der Junge ist verrückt!

Habt Mitleid, er ist verirrt, verwirrt, verirrt!

Wir holen es uns wieder, Menschenkind! Wir holen es uns alles wieder!

Verrücktes Mondkalb!

Und als er einen neuen abschüssigen Tunnel hinunterstieg, begann Simon noch andere Stimmen im Kopf zu hören, Stimmen, die vorher noch nicht dagewesen waren, und die in gewisser Weise zugleich wirklicher und weniger wirklich waren als die, die ihn schon so lange und unerwünscht begleiteten. Einige von ihnen riefen in Sprachen, die er nicht kannte – sofern er ihnen nicht vielleicht in den uralten Büchern des Doktors begegnet war.

Ruakha, ruakha Asu'a!

T'si e-isi'ha as-irigu!

Die Bäume brennen! Wo ist der Prinz? Der Hexenwald steht in Flammen, die Gärten brennen!

Um Simon verzerrte sich das Halbdunkel und krümmte sich, als stünde er im Mittelpunkt eines sich drehenden Rades. Er machte kehrt und stolperte blindlings in einen Gang und von dort in einen weiteren hohen Saal, den gequälten Kopf mit beiden Händen festhaltend. Hier herrschte ein anderes Licht: Dünne blaue Strahlen tasteten sich durch Risse in der unsichtbaren Decke, ein Licht, das die Dunkelheit durchdrang, aber dort, wo es einfiel, nichts beleuchtete. Simon roch noch mehr Wasser und fremdartigen Pflanzenwuchs; er hörte Männer umherrennen und schreien, weinende Frauen und das Klirren von Metall auf Metall. In der seltsamen Beinah-Schwärze tobte überall der Lärm einer furchtbaren Schlacht, ohne ihn selbst jedoch mit einzubeziehen. Er schrie auf – oder glaubte es wenigstens –, konnte aber seine eigene Stimme nicht hören, nur das gräßliche Getöse in seinem Kopf.

Dann, wie um seinen längst feststehenden Wahnsinn zu bestätigen, begannen in der von blauen Lanzenstichen durchbohrten Dunkelheit vage Gestalten an ihm vorbeizueilen, bärtige Männer mit Fackeln und Äxten, die andere, schlanker gebaute mit Schwertern und Bogen hetzten. Alle, Verfolger und Verfolgte, waren durchsichtig und vage wie Nebel. Keiner berührte oder bemerkte Simon, obgleich er mitten unter ihnen stand.

Jingizu! Aya'ai! O Jingizu! kam ein klagender Ruf.

Tötet die Sithi-Dämonen! schrien rauhere Stimmen. Legt Feuer an ihr Nest!

Seine Hände, fest über die Ohren gelegt, konnten die Stimmen nicht fernhalten. Simon taumelte weiter und versuchte dabei, den vorüberwirbelnden Gestalten auszuweichen. Er fiel durch eine Türöffnung und landete auf einem flachen Absatz aus glänzendem, weißem Stein.

Unter seinen Händen fühlte er Moospolster, aber seine Augen sahen nichts als polierte Glätte. Er kroch auf dem Bauch weiter, immer noch auf der Flucht vor den entsetzlichen Stimmen, die vor Schmerz oder Wut kreischten. Seine Finger fühlten Risse und Vertiefungen, aber der Stein sah auch jetzt für ihn so fehlerlos aus wie Glas. Er erreichte den Rand und starrte auf ein großes, ebenes Feld aus schwarzer Leere, das nach Zeit und Tod und dem geduldigen Ozean roch. Ein unsichtbarer Kiesel rollte unter seiner Hand fort und fiel dann lange Augenblicke lautlos in die Tiefe, bis es weit unter ihm aufspritzte.

Neben Simon schimmerte etwas Großes, Weißes. Er hob den schweren, schmerzenden Kopf vom Rand des dunklen Teiches und sah auf. Nur ein paar Zoll von der Stelle, an der er lag, sprangen die untersten Stufen einer riesigen Steintreppe vor, einer nach oben schwingenden Spirale, die anstieg, an der Höhlenwand hinaufkletterte, dabei den unterirdischen See umkreiste und endlich oben in der Dunkelheit verschwand. Er rang nach Luft, als eine drängende, bruchstückhafte Erinnerung das Getöse in seinem Kopf durchbrach.