Выбрать главу

»Wie wir.«

Simon, der wie gebannt den Fortgang dieser Wahnvorstellung verfolgte, war in keiner Weise überrascht, Pryrates' Stimme zu erkennen. Der Priester streifte die Kapuze zurück. Feuerschein zeichnete die hohe Wölbung seiner Stirn nach und unterstrich die skelettartigen Höhlen seiner Augen. »Wir sind hier … wie es vereinbart ist«, fuhr er fort – war da ein winziges Zittern in seiner Stimme? – »Habt ihr gebracht, was versprochen war?«

Der knochenweiße Arm schwang zurück und deutete auf den hinter ihm aufragenden Wagen.

»Das haben wir. Habt auch ihr das Versprochene?«

Pryrates nickte. Zwei von den Wachen bückten sich und wuchteten etwas Schweres aus dem Gras, wo es gelegen hatte. Sie schleppten es herbei und ließen es dann unsanft vor die gestiefelten Füße des Alchimisten fallen. »Hier liegt es«, erklärte Pryrates. »Zeigt nun die Gabe eures Meisters.«

Zwei der Verhüllten traten zu dem Wagen und hoben vorsichtig einen langen, dunklen Gegenstand herunter. Als sie ihn herantrugen, wobei jeder ein Ende hielt, erhob sich jäh ein beißender Wind, der über den Berggipfel pfiff. Die schwarzen Gewänder wogten, und die Kapuze der vordersten Gestalt flog zurück.

Ein Schneegestöber schimmerndweißen Haares quoll hervor. Das für eine kurze Sekunde sichtbare Antlitz war feingeschnitten wie eine Maske aus dünnstem, reinstem Elfenbein. Gleich darauf wehte die Kapuze wieder zurück.

Was sind das für Wesen? Hexen? Geister? Hinter den schützenden Felsen hob Simon eine zitternde Hand, um das Zeichen des Baumes zu machen.

Die Weißfüchse … Morgenes sprach von ›Weißfüchsen‹…

Pryrates – diese Dämonen, oder was sie sonst waren – es war alles zu viel. Bestimmt lag er immer noch auf dem Begräbnisplatz und träumte. Er betete, daß es so sein möge, und schloß die Augen, um die gottlosen Bilder zu verscheuchen. Aber der Boden unter ihm roch stechend und unverkennbar nach feuchter Erde, und in seinen Ohren prasselte das Feuer. Als Simon die Augen wieder öffnete, fand er den Alptraum unverändert.

Aber was geht hier vor?

Die beiden schattenhaften Gestalten erreichten den Rand des Feuerkreises. Während die Soldaten noch weiter zurückwichen, setzten sie ihre Last ab und traten zurück. Es war ein Sarg, zumindest besaß es die gleiche Form, war aber nur drei Hände hoch. Um seinen Rand schwelte ein geisterhaftes bläuliches Licht.

»Bringt uns nun, was ihr versprochen habt«, sagte der erste Schwarzgewandete. Pryrates machte eine Handbewegung, und zwei Männer schleiften das zu seinen Füßen liegende Bündel nach vorn. Als sie zurückgetreten waren, drehte der Alchimist es mit der Fußspitze um. Es war ein Mann, geknebelt und an den Handgelenken gefesselt. Erst allmählich erkannte Simon das runde, blasse Gesicht Graf Breyugars, des obersten der königlichen Wachen.

Lange musterte die verhüllte Gestalt Breyugars zerschundenes Antlitz. Ihre Miene blieb unter den düsteren Falten der Kapuze verborgen, aber als sie sprach, lag ein zorniger Unterton in der klaren, unirdischen Stimme.

»Das scheint nicht zu sein, was versprochen war.«

Pryrates hielt seinen Körper ein wenig schief, als wollte er dem verhüllten Wesen eine geringere Angriffsfläche bieten.

»Dieser Mann ließ zu, daß der Versprochene entkam«, erklärte er, wobei seine Stimme eine gewisse Besorgnis zu verraten schien. »Er wird die Stelle des Versprochenen einnehmen.«

Zwischen zwei Wachen drängte sich eine Gestalt nach vorn, trat vor und ragte plötzlich neben Pryrates auf. Laut und deutlich erklärte sie: »Versprochen? Was bedeutet das: ›versprochen‹? Wer wurde hier versprochen?«

Der Priester hob beschwichtigend die Hand, aber sein Gesicht hatte einen strengen Ausdruck. »Bitte, mein König; ich glaube, Ihr wißt es. Bitte.«

Elias wandte ruckartig den Kopf und starrte seinen Ratgeber an.

»Weiß ich es wirklich, Priester? Was habt Ihr in meinem Namen versprochen?«

Pryrates beugte sich näher zu seinem König. Ein verletzter Ton trat in die rauhe Stimme. »Herr, Ihr befahlt mir, alles für diese Zusammenkunft Nötige vorzubereiten. Das habe ich getan … oder ich hätte, wenn nicht dieser – cenit«, er stieß mit dem Fuß nach dem gefesselten Breyugar, »in seiner Pflicht Euch gegenüber versagt hätte.« Der Alchimist sah zu dem Schwarzverhüllten hinüber, dessen scheinbare Gleichgültigkeit der Störung gegenüber trotz allem einen Hauch von Ungeduld ahnen ließ. Pryrates runzelte die Stirn. »Bitte, mein König. Der, von dem wir sprechen, ist nicht mehr da; die Frage nach ihm ist daher müßig. Bitte!« Er legte leicht die Hand auf die Schulter von Elias' Mantel. Der König schüttelte sie ab und starrte den Priester aus dem Schatten seiner Kapuze an, sagte jedoch nichts mehr. Pryrates wandte sich wieder dem Schwarzgewandeten zu.

»Er, den wir euch bieten … auch sein Blut ist edel. Er ist von hoher Abkunft.«

»Von hoher Abkunft?« fragte das dunkle Wesen, und seine Schultern zuckten, als lachte es. »O ja, das ist sehr wichtig. Reicht seine Familie viele Generationen der Menschen zurück?« Die dunkle Kapuze drehte sich um und suchte den verhüllten Blick ihrer Gefährten.

»Gewiß«, erwiderte Pryrates scheinbar beunruhigt. »Hunderte von Jahren.«

»Dann wird unser Meister gewiß zufrieden sein.« Und dann lachte das Wesen, ein messerscharfes Trillern der Erheiterung, das Pryrates einen Schritt zurückweichen ließ. »Fahr fort.«

Der Priester warf Elias einen Blick zu, und der König schlug die Kapuze zurück. Simon fühlte, wie sich der drohende Himmel noch tiefer duckte. Das Gesicht des Königs, selbst im rötlichen Feuerschein noch blaß, schien mitten in der Luft zu schweben. Die Nacht wirbelte, und der ausdruckslose Blick des Königs zog Licht an wie ein Spiegel in einem von Fackeln erleuchteten Korridor. Endlich nickte Elias.

Pryrates schritt nach vorn und packte Breyugar beim Kragen. Er zerrte ihn zu der Sargtruhe und ließ ihn dort fallen. Dann öffnete der Priester die Schnalle seines Mantels. Sein rotes Gewand loderte in stumpfer Flamme. Aus den inneren Falten zog er eine lange, sichelförmig gekrümmte Klinge hervor. Er richtete den Blick auf den nördlichsten Punkt der Steinringe, hob die Klinge an die Augen und begann feierlich zu intonieren, während seine Stimme immer lauter und gebieterischer wurde:

An den Dunklen, den Herrn dieser Welt, der über den nördlichen Himmel schreitet: VASIR SOMBRIS, FEATA CONCORDIN!
An den Schwarzen Jäger, Besitzer der eisigen Hand: VASIR SOMBRIS, FEATA CONCORDIN!
An den Sturmkönig, den Weitausgreifenden, Bewohner des Steinernen Berges, den Erfrorenen und Brennenden, den Schlafenden, der erwacht ist: VASIR SOMBRA, FEATA CONCORDIN!

Die schwarzgewandeten Gestalten schwankten – außer dem einen auf dem Wagen, der so still war wie die Zornsteine –, und ein Zischen stieg aus ihrer Mitte und vermischte sich mit dem Wind, der sich von neuem erhoben hatte.

Und Pryrates' Stimme tönte erneut:

Höre nun an den, der zu dir fleht, den Käfer unter deinem schwarzen Absatz; die Fliege zwischen deinen kalten Fingern; den wispernden Staub in deinem unendlichen Schatten – oveiz mei! Höre mich! Timior cuelos exaltat mei! SCHATTEN-VATER – LASS DEN HANDEL BESIEGELT SEIN!

Schlangenschnell zuckte die Hand des Alchimisten nach unten und griff nach Breyugars Kopf. Aber der Graf, der eben noch schlaff vor Pryrates' Füßen gelegen hatte, taumelte plötzlich vorwärts und fort von dem verblüfften Priester, dem nur eine blutige Haarsträhne in der Hand blieb.

Hilflos sah Simon zu, wie der glotzäugige Graf direkt auf sein Versteck zutorkelte. Undeutlich vernahm er Pryrates' zorniges Rufen. Die Nacht, die ihn so eng umschloß, zog sich noch mehr zusammen, erstickte seinen Atem und ließ es ihm schwarz vor Augen werden. Ein paar von den Wachen sprangen hinter Breyugar her.