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Hartmann kniete im vorderen Teil des Cockpits und machte sich an einem aufgeklappten Computerterminal zu schaffen. Als er Charitys Schritte hörte, sah er auf, lächelte knapp und machte dann ein überraschtes Gesicht, als er Melissa erblickte.

»Hallo«, sagte er. »Wo kommst... kommt ihr denn her? Ich dachte, du wärst bei Net und den Jungen geblieben?«

»Sie wollte Gurk besuchen«, sagte Charity. »Das nennt man echte Freundschaft, nicht wahr?«

»Die Basis ist abgeriegelt«, erwiderte Hartmann stirnrunzelnd. »Wir haben immer noch gelben Alarm. Wie bist du hereingekommen?«

»Das war nicht schwer«, sagte Melissa. »Niemand sieht mich, wenn ich nicht will.«

Hartmanns Gesichtsausdruck wurde noch miesepeteriger, und Charity konnte ein schadenfrohes Grinsen nicht mehr ganz unterdrücken. »Vielleicht solltest du deine Sicherheitsvorkehrungen noch einmal überprüfen«, sagte sie. »Anscheinend ist es kinderleicht, in eure Festung einzudringen. Aber das ist kein Grund zur Panik - schließlich werden wir nicht von Kindern angegriffen.«

»Sehr witzig«, nörgelte Hartmann.

»Fast so witzig wie dein Befehl, Gurk unter Hausarrest zu stellen«, erwiderte Charity. Sie grinste jetzt nicht mehr. »Was soll dieser Unsinn?«

»Es ist kein Unsinn«, antwortete Hartmann. »Außerdem war es nicht meine Idee.«

»Laß mich raten«, sagte Charity. »Drasko.«

»Außerirdische sind hier im Moment nicht gerne gesehen«, sagte Hartmann achselzuckend. »Ob du es glaubst oder nicht, es geschieht zu Gurks Schutz. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn ihm etwas zustieße. Nicht nach allem, was er für Net und die Kinder getan hat. Und natürlich für dich«, fügte er an Melissa gewandt hinzu.

»Niemand kann dem kleinen Mann etwas tun«, sagte Melissa überzeugt.

»Ich hoffe, du hast recht«, seufzte Hartmann. »Im Moment stellt er nämlich die größte Gefahr für sich selbst dar. Drasko ist nicht der einzige, der ihm nicht traut. Und solange Gurk sich weiter darin gefällt, den Geheimnisvollen zu spielen, kann ich die anderen kaum vom Gegenteil überzeugen.«

Hinter ihnen polterten Schritte die Rampe herauf, und Skudder kam ins Schiff. Der Platz reichte nicht aus, daß er das Cockpit betreten konnte, so daß er gebückt in dem schmalen Gang stehenblieb.

Der Anblick des Cockpits irritierte Charity immer mehr. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte - der Platz reichte für sechs Passagiere einfach nicht aus; nicht einmal, wenn man berücksichtigte, daß drei davon Kinder gewesen waren. Sie würde sich noch einmal mit Melissa unterhalten müssen.

Aber nicht jetzt.

Sie wechselte ganz bewußt nicht nur das Thema, sondern auch die Tonlage.

»Was habt ihr herausgefunden?« fragte sie.

»Eine Menge«, antwortete Hartmann. »Wenn auch nicht viel, was wir nicht schon vorher gewußt hätten. Abgesehen von ein paar Kleinigkeiten und einem technologischen Vorsprung von maximal zehn Jahren könnte dieses Schiff auf der Erde gebaut worden sein. Keine revolutionäre Technik, keine wirklich neuartigen Materialien...«

Charity sagte nichts dazu, warf aber einen eindeutigen Blick auf die fremdartigen Waffen, die in einer Haltevorrichtung neben dem Ausstieg befestigt waren. Doch Hartmann schüttelte den Kopf.

»Sie sind gar nicht so fremdartig«, sagte er. »Frag mich jetzt nicht nach Einzelheiten. Die Techniker haben versucht, es mir zu erklären, aber ganz verstanden habe ich es nicht, ehrlich gesagt. Im Prinzip läuft es darauf hinaus, daß diese Waffen nur die konsequente Weiterentwicklung unserer Railguns darstellen.«

»Können wir sie nachbauen?« fragte Charity.

»Nein«, antwortete Hartmann. »Jedenfalls jetzt noch nicht. Das ist im Moment aber auch nicht unser größtes Problem.«

»Und was ist unser größtes Problem?« fragte Charity, als Hartmann keine Anstalten machte, seiner Bemerkung eine entsprechende Erklärung nachfolgen zu lassen. Und er wirft Gurk vor, einen übertriebenen Hang zur Dramatik zu haben! dachte sie.

Hartmann deutete mit einer Kopfbewegung auf das geöffnete Pult, an dem er gearbeitet hatte, als Charity hereinkam.

»Diese verdammten Computer«, sagte er. »Sie besitzen eine Art Selbstzerstörungsmechanismus. Es reicht, sie nur schief anzusehen, und die Speicherkristalle lösen sich in Wohlgefallen auf.«

»Ihre Konstrukteure waren eben vorsichtig«, sagte Charity.

»Paranoid wäre wohl der treffendere Ausdruck«, antwortete Skudder. »Es reicht, die Dinger einzuschalten, und... pfffft!« Er spreizte ruckartig die Finger der linken Hand, um eine Explosion anzudeuten.

»Das heißt im Klartext: Wir haben keine Chance herauszufinden, wo diese Fremden herkommen. Geschweige denn, wer sie sind.« Charity wandte sich an Skudder. »Hat wenigstens die Untersuchung der Leichname etwas gebracht?«

»Wenn es Leichname zum Untersuchen gäbe.« Skudder zog eine Grimasse. »Dieser Selbstzerstörungsmechanismus funktioniert hervorragend. Bisher haben wir keinen Anzug öffnen können, ohne ihn zu aktivieren.«

»Also wissen wir wenigstens, daß wir nichts wissen«, sagte Charity seufzend. »Na, das ist doch schon mal was. Stellt euch vor, wir wüßten nicht einmal, daß wir nichts wissen. Das wäre ja schrecklich.«

Hartmann und Melissa schauten sie irritiert an, aber Skudder grinste. »Immerhin wissen wir mittlerweile, wie es funktioniert«, sagte er. »Ein Enzym, das eine Art Kettenreaktion im Körper auslöst. Du hattest Glück, daß du das Zeug nicht angerührt hast. Sonst würdest du jetzt in einem Reagenzglas wohnen.«

»Sehr komisch«, sagte Charity. »Würde einer von euch beiden Witzbolden mir jetzt vielleicht verraten, warum ich eigentlich hier bin?«

Hartmann und Skudder tauschten einen bezeichnenden Blick. Keiner von beiden antwortete direkt auf ihre Frage, und Charity seufzte hörbar und sagte: »Ich habe keine Geheimnisse vor Melissa, wenn ihr das meint.«

»Also gut«, sagte Hartmann schließlich. »Wir haben etwas herausgefunden. Wir wissen nur noch nicht genau, was wir damit anfangen sollen. Hier.« Er bückte sich, hob einen tragbaren Videorecorder von der Größe einer Zigarettenschachtel vom Boden auf und legte ihn so auf den Pilotentisch, daß Charity das winzige Display sehen konnte. Im ersten Moment erkannte sie nur ein Chaos aus Farben und grellen Blitzen, dann sah sie, daß es sich offensichtlich um eine Aufzeichnung des Luftkampfes über der Basis handelte - mit einer Handkamera aufgenommen, vollkommen verwackelt und in miserabler Qualität, aber erkennbar.

»Achte auf den rechten Stingray«, sagte Hartmann.

Charity konzentrierte sich auf den winzigen, zweidimensionalen Monitor. Offensichtlich handelte es sich um eine Aufnahme des zweiten Überfalles. Ein gutes halbes Dutzend Viper-Jäger hatte zwei Stingrays in die Zange genommen, doch Charity konzentrierte sich ganz auf das rechte der beiden Rochenschiffe, wie Hartmann es gesagt hatte. Der feindliche Jäger flog halsbrecherische Manöver, um dem Beschuß der Vipern auszuweichen, aber die Übermacht war einfach zu groß. Grelle Lasersalven hämmerten in seine Schutzschilde, ließen sie aufflammen wie Mottenflügel, die dem Licht zu nahe gekommen waren, und schließlich zusammenbrechen. Flüssiges Metall spritzte in lodernden Fontänen davon, als die gebündelten Energiestrahlen über den Rumpf und die geschwungenen Flügel der Stingray glitten. Das Schiff taumelte, verlor für einen Moment an Höhe und fing sich wieder.

»Jetzt!« sagte Hartmann.

Der Treffer, der das Schicksal des Rochenschiffes endgültig besiegelte, war nicht einmal richtig zu sehen. Ein unsichtbarer Hammerschlag schien das Cockpit zu treffen und in einem Hagel aus zerborstenem Glas, Kunststoff, verdrehtem Metall und Flammen davonwirbeln zu lassen. Das Schiff bäumte sich auf, überschlug sich in einer drei-, vier-, fünffachen Pirouette und begann dem Boden entgegenzutaumeln.