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»Du hast recht«, sagte sie und wandte sich dann an Hartmann. »Ich kann mir auch einen gemütlicheren Ort vorstellen, an dem wir uns unterhalten können.«

»Ganz wie du meinst.«

Hartmann hob die Schultern und bedeutete Skudder mit der gleichen Bewegung, das Schiff zu verlassen. Der Gang war so schmal, daß sie nur in der Reihenfolge hinausgehen konnten, in der sie hereingekommen waren.

Charity hatte das Gefühl, zum erstenmal seit langen Minuten wieder frei atmen zu können, als sie aus dem Stingray hinaus und wieder auf den Betonfußboden des Hangars trat. Irgend etwas knirschte unter ihren Schuhsohlen. Sie schaute nach unten und erblickte ein wenig grobkörnigen, roten Sand, der aus der offenen Luke gerieselt war.

Rot.

Der Himmel war rot gewesen.

Sie bückte sich, hob ein paar Sandkörner auf und ließ sie nachdenklich durch die Finger rieseln. Irgend etwas daran kam ihr bekannt vor. Nein: hätte ihr bekannt vorkommen sollen. Der Anblick erinnerte sie an irgend etwas. So bizarr der Gedanke klang: Er erinnerte sie an etwas, das sie niemals mit eigenen Augen gesehen hatte, aber trotzdem wiedererkennen müßte.

Sie kam nicht darauf. Ihre Gedanken kreisten noch einen Moment, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen, und dann, plötzlich, konnte sie fast körperlich fühlen, wie in ihrem Gedächtnis etwas einrastete.

Beinahe hastig beugte sie sich noch einmal vor, schob die Sandkörner mit der Hand zusammen und hob so viel davon auf, wie auf ihre Handfläche paßte, ehe sie sich mit einem Ruck erhob.

»Was hast du?« fragte Hartmann. Charitys Reaktion war weder ihm noch Skudder entgangen.

Charity blickte nach oben. Die stahlverstärkte Decke des Hangars, die sich mehr als dreißig Meter über ihren Köpfen befand, war in gleißendes Licht getaucht. Charity deutete auf einen Punkt schräg über sich, etwa eine Handbreit über der Stelle, an der der Horizont gewesen wäre, hätten sie freie Sicht auf den Himmel gehabt.

»Richtet die Teleskope auf diese Stelle«, sagte sie. »Ich glaube, wir werden eine Überraschung erleben.«

Hartmanns Gesicht sah aus wie ein fleischgewordenes Fragezeichen.

»Würde es dir viel ausmachen, einem schon leicht senilen alten Mann zu erklären, wovon du überhaupt sprichst?«

Charity ließ den roten Sand aus der linken Hand in die geöffnete rechte rieseln.

»Vom Mars, Hartmann, vom Mars«, sagte sie.

Die Gefechtszentrale der Basis lag neun Stockwerke unter der Erde und gehörte zu den wenigen Einrichtungen, die den Angriff der Fremden vollkommen unbeschadet überstanden hatten. Wenigstens auf den ersten Blick.

Auf den zweiten Blick sah die Sache leider etwas anders aus.

Charity beobachtete mit wachsender Ungeduld die beiden Techniker, die sich an dem halb auseinandergebauten Schaltpult vor ihr zu schaffen machten, seit mittlerweile einer guten halben Stunde, und das Ergebnis ihrer Bemühungen ließ sich sehen.

Auf dem riesigen Monitor an der gegenüberliegenden Wand war zu Anfang nichts als Schneegestöber und weißes Rauschen zu sehen gewesen; mittlerweile irrlichterten diagonale und vertikale Streifen darüber, und manchmal pulsierte das ganze Bild in einer Frequenz, die einem Kopfschmerzen bereitete, wenn man länger als einige Sekunden hinschaute. Ein-, zweimal hatte Charity auch so etwas wie ein Bild gesehen, das in dem weißen Durcheinander Gestalt hatte annehmen wollen. Aber nur beinahe.

Als hätte er Charitys Gedanken gelesen (wahrscheinlich war es nicht sehr schwer, sie zu erraten) hob einer der Techniker den Kopf, zuckte mit den Schultern und blickte sie schuldbewußt an. Charity antwortete mit einem flüchtigen Lächeln. Der Mann konnte nichts dafür. Der Fehler lag nicht an den Geräten hier. Nach der Zerstörung Skytowns war praktisch ihr gesamtes außerterrestrisches Kommunikationsnetz zusammengebrochen. Die Orbitalstadt war viel mehr gewesen als nur eine fliegende Aussichtsplattform. Unendlich viel mehr.

Charity hörte das Geräusch der Tür und erkannte am Rhythmus der Schritte, daß es Skudder und eine zweite Person waren; wahrscheinlich Hartmann. Sie drehte sich nicht um.

»Wie sieht es aus?« Es war Hartmanns Stimme.

Charity zuckte mit den Schultern. Bevor sie antworten konnte, sagte einer der Techniker: »Wir kriegen es hin. Wir brauchen nur noch etwas Zeit.«

»Haben Sie das nicht vor einer Stunde schon einmal gesagt?« knurrte Hartmann.

Der Mann hielt für einen Moment in seinem Tun inne, drehte sich ganz herum und schaute Hartmann mit einer Mischung aus Trotz und schlechtem Gewissen an.

»Es ist nicht so einfach«, antwortete er. »Die meisten Antennen und Sendeanlagen sind zerstört. Wir versuchen eine Art elektronischen Bypaß zu schalten. Möglicherweise gelingt es uns, das Teleskop über eine der Sendeanlagen in Asien zu erreichen.«

»Möglicherweise?«

»Möglicherweise.«

Charity warf Hartmann einen warnenden Blick zu, und obwohl er nicht einmal in ihre Richtung schaute, schien er diesen Blick zu spüren, denn sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich zwar noch weiter, aber er sagte nichts mehr, sondern beließ es bei einem Achselzucken.

»Falls es überhaupt noch funktioniert«, sagte Skudder. »Das Ding ist seit neunzig Jahren nicht mehr bewegt worden.«

»Es funktioniert«, behauptete Charity.

»Das muß es, weil deine Leute es gebaut haben, wie?« Skudder grinste breit, machte aber im gleichen Moment auch eine besänftigende Geste. Charity fragte sich, ob Skudder sie so gut kannte wie sonst niemand.

Andererseits waren sie alle mit ihrer Geduld am Ende. Seit dem Angriff der Stingrays waren annähernd zwei Wochen vergangen, und nichts, aber auch gar nichts hatte in diesen beiden Wochen auch nur annähernd so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt hatten. Die Reparaturarbeiten an der Basis gingen weit weniger zügig vonstatten, als geplant gewesen war - was einerseits daran lag, daß sich die Schäden als weit schwerwiegender erwiesen hatten, als es im ersten Moment den Anschein gehabt hatte, zum anderen, daß einfach nicht genug Ersatzteile zur Verfügung standen.

Sie hatten erst nach ein paar Tagen wirklich begriffen, wie verheerend der Überfall gewesen war. Im Chaos der Angriffs selbst war es nicht zu bemerken gewesen, aber mittlerweile wußten sie, daß die Fremden mit unglaublicher Präzision angegriffen hatten. Sie hatten nicht nur schreckliche Prügel bezogen, sondern waren praktisch taub und blind. Und das würden sie noch für lange, lange Zeit bleiben. Niemand hatte es bisher laut ausgesprochen, aber nicht nur Charity war klar, daß sie einen weiteren Angriff wie den letzten wahrscheinlich nicht mehr durchstehen würden.

Und sie wußten immer noch nicht, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten.

Das Bild auf dem Wandschirm flackerte. »Es funktioniert!« rief einer der Techniker. »Wir haben Verbindung! Hubble reagiert!«

»Beeindruckend«, sagte Skudder spöttisch. »Was ist das? Der Mittelpunkt des Universums?«

Der Techniker bedachte ihn mit einem bösen Blick, doch Charity konnte nur noch mit Mühe ein Grinsen unterdrücken. Sie verstand Skudders Spott. Das Schneegestöber auf dem Bildschirm hatte sich nicht sichtbar verändert.

»Das Teleskop reagiert«, beharrte der Techniker. Seine Stimme klang ein bißchen beleidigt. »Die Bildübertragung steht noch nicht, aber das ist im Moment auch nicht so wichtig. Es wird eine Zeitlang dauern, bis wir Hubble auf den Mars ausgerichtet haben.«

»Was genau heißt eine Zeitlang?« erkundigte sich Skudder.

»Ein paar Stunden«, antwortete der Techniker. »Fünf, vielleicht sechs.«

Skudder seufzte, und Charity fragte rasch: »Und die Bildübertragung?«