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Während Charity, Gurk noch immer wie ein strampelndes Kind auf den Armen haltend, auf die Ruine des Verwaltungsturmes zustürmte, mußte sie sich fast gewaltsam wieder in Erinnerung rufen, daß seit Beginn dieses neuerlichen Angriffs noch nicht einmal zwei Minuten vergangen waren - hundertzwanzig Sekunden, die ausgereicht hatten, die Basis binnen kürzester Zeit zum zweiten Mal in eine Hölle aus Flammen, Explosionen, schreienden Menschen und explodierenden Schiffen und Gebäuden zu verwandeln.

Es war so plötzlich, so völlig ohne Vorwarnung geschehen!

In einer Sekunde hatten sie alle noch dagestanden und Gurk angestarrt, der scheinbar von den Toten wieder auferstanden war, während Hartmann seine ebenfalls totgeglaubte Frau und seine Kinder in die Arme schloß - und im nächsten Augenblick hatte sich buchstäblich der Himmel aufgetan und Dutzende der bizarren Rochenschiffe ausgespien, die sofort und gnadenlos das Feuer eröffnet hatten.

Wieder explodierte eines der Rochenschiffe am Himmel. Charity hatte vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden selbst gegen diese bizarr geformten Raumjäger gekämpft und wußte, daß sie den irdischen Maschinen hoffnungslos überlegen waren. Um so erstaunlicher erschien es ihr, daß sie jetzt wie die Tontauben abgeschossen wurden.

Die Rochenschiffe schienen sich kaum auf Gefechte mit Hartmanns Vipern einzulassen, sondern vertrauten einzig auf ihre phantastische Manövrierfähigkeit, um ihren Gegnern lange genug zu entgehen und um - was zu tun?

Charity verschob die Antwort auf diese Frage auf später, als eine weitere Lasersalve in ihrer unmittelbaren Nähe in den Boden hämmerte und sie zu einem verzweifelten Sprung in die entgegengesetzte Richtung zwang. Um ein Haar wäre sie gestürzt.

Die Hitze hatte die Grenzen des Vorstellbaren längst erreicht und stieg immer noch, und Gurks Körper schien Tonnen in ihren Armen zu wiegen.

Charity war schon total erschöpft hier angekommen, jetzt aber war sie mit ihren Kräften völlig am Ende. Sie war nicht sicher, ob sie die fünfzig oder hundert Schritte bis zum Haus noch schaffen würde.

Das Rochenschiff erlitt das gleiche Schicksal wie seine Vorgänger und verwandelte sich in einen lodernden Feuerball, und wieder regneten Trümmer auf Charity herab.

Diesmal jedoch hatte sie weniger Glück: Irgend etwas traf ihren Rücken mit der Wucht eines Hammerschlags und schleuderte sie zu Boden. Gurk entglitt ihren Armen und schlitterte kreischend davon, und für einen Moment mußte Charity mit aller Gewalt gegen eine Ohnmacht ankämpfen, die sie in ihre dunkle Umarmung hinabzuziehen versuchte.

Alles wurde unwirklich. Der Schmerz in ihrem Rücken verblaßte, und sämtliche Geräusche klangen mit einem Male sonderbar dumpf und wattig.

Sie wollte sich hochstemmen, aber ihre Handgelenke schienen plötzlich aus weichem Gummi zu bestehen und waren nicht mehr in der Lage, das Gewicht ihres Körpers zu tragen.

Sie fiel erneut, versuchte ein zweites Mal, sich hochzustemmen, und fühlte plötzlich eine schmale, aber erstaunlich kräftige Hand, die sie halb in die Höhe zog und sich dann an ihrer Hüfte zu schaffen machte. Ein halblautes Summen erklang, und sie verspürte ein rasches, flüchtiges Kribbeln, als sich ihr Körperschild aufbaute.

Gurk riß mit einer hastigen Bewegung die Hand zurück, um sich nicht an dem elektronischen Schutzschild zu verbrennen, zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf.

»Warum benutzt du dieses Spielzeug nicht wenigstens, wenn du es schon mit dir herumschleppst?«

»Stehst du eigentlich auf Schmerzen?« fragte Charity freundlich.

Gurk grinste, war aber trotzdem klug genug, um noch einen weiteren Schritt zurückzuweichen.

»Du hast dich in all den Jahren wirklich kein bißchen verändert«, sagte er grinsend.

Charity sparte es sich auf, darauf zu antworten. Gurk hatte sich ebenfalls nicht verändert - dumme Bemerkungen in den unpassendsten Augenblicken waren schon immer seine Spezialität gewesen.

Stöhnend richtete Charity sich gänzlich auf, fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht und hob den Blick in den Himmel.

Diesmal sah sie genau, was geschah.

Unmittelbar über ihr schien eine dünne, leuchtende Linie zu entstehen, als hätte jemand ein Skalpell genommen und den Himmel damit aufgeschnitten, und dann faltete sich das Firmament auseinander und spie ein Dutzend Schiffe aus.

Der Anblick war so bizarr, daß Charity sekundenlang einfach dastand und das unfaßbare Geschehen beobachtete. Es war unmöglich, das, was sie sah, mit Worten zu beschreiben. Der Himmel über der Basis schien mit einem Mal größer geworden zu sein, und im Inneren dieser zusätzlichen Dimension war nicht mehr der Sternenhimmel über der Erde zu sehen, sondern eine rote, sturmgepeitschte Wüste voller bizarrer Felsstrukturen und grotesker Gebäude.

Der unheimliche Anblick war nur für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen, dann schnappten die Dimensionen der Wirklichkeit mit einem Ruck wieder zusammen.

Die fremden Schiffe blieben am Himmel.

Schon bevor sie sich wieder in Bewegung setzte, begriff Charity, daß die Angreifer ihre Taktik geändert hatten. Es handelte sich um vier oder fünf Rochenschiffe sowie zwei der plumpen Transporter, mit denen sie ebenfalls schon unangenehme Bekanntschaft gemacht hatten. Aber statt wahllos das Feuer auf die Basis zu eröffnen, wie sie es bisher getan hatten, spritzten die Rochenschiffe in alle Richtungen auseinander und begannen die irdischen Raumjäger zu attackieren.

Zwei, drei Vipern explodierten, bevor die Piloten überhaupt begriffen, daß sie es plötzlich nicht mehr mit wehrlosen Zielscheiben zu tun hatten, und dann brach über dem Landfeld ein verbissener Luftkampf los.

Charity blieb keine Zeit, diese Schlacht zu beobachten. Die beiden Transporter begannen sich träge auf der Stelle zu drehen und verloren gleichzeitig schnell an Höhe, steuerten dabei aber auch sichtbar auf Gurk und sie zu. Vielleicht wieder ein Zufall, vielleicht aber auch nicht.

»Oh, Scheiße!« stieß Gurk voller Inbrunst hervor.

Er griff unter sein Gewand, zog etwas sehr Kleines, Silbernes darunter hervor, mit dem er auf einen der beiden Transporter zielte, und sagte laut: »Peng!«

Charity zweifelte eine halbe Sekunde lang an Gurks Verstand. Die andere Hälfte der Sekunde brauchte sie, um sich flach auf den Boden zu werfen und die Hände über das Gesicht zu reißen, als das Landungsschiff in einer gewaltigen Explosion auseinanderbarst.

Flüssiges Feuer und Trümmerstücke regneten auf sie herab. Ohne den Körperschild wäre sie diesmal wahrscheinlich wirklich schwer verletzt worden - oder Schlimmeres. Gurk jedenfalls wurde von der Druckwelle erfaßt und gute zehn Meter davongeschleudert, ehe er sich wild fluchend wieder auf die Beine kämpfte.

Das zweite Landungsschiff hatte den Boden mittlerweile fast erreicht. Es schwankte zwar unter der Druckwelle des explodierenden Transporters, war aber nicht nennenswert beschädigt. Die beiden großen Türen an den Seiten begannen sich zu öffnen, noch bevor das Schiff den Boden ganz erreicht hatte.

»Gurk!« schrie Charity.

»Keine Chance«, antwortete Gurk krächzend.

Er rappelte sich hoch, spuckte einen Mund voll Schmutz aus und versetzte seiner sonderbaren Waffe, die ihm aus der Hand gefallen war, einen Tritt. »Die gute Fee hat mir nur einen Wunsch gewährt! Lauf um dein Leben!«

Charity sprang mit einem Fluch auf und rannte los. Sie war kein bißchen überrascht, als sie sah, wie die Türen des Landungsschiffes endgültig aufflogen und annähernd zwei Dutzend riesige Gestalten in mattschwarzen Kampfanzügen heraussprangen, die sofort das Feuer auf sie eröffneten...

Was sie rettete, war das Wrack eines abgestürzten Schiffes, das zwischen ihnen und dem Verwaltungsgebäude lag. Gurk brachte sich mit einem Satz hinter dem glühenden Wrack in Sicherheit, und die schwarzvermummten Krieger konzentrierten ihr Feuer für einen kurzen Moment auf den Zwerg, vielleicht um sich ihr näheres - sichereres - Opfer für die zweite Salve aufzuheben.