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Charity deutete ein Achselzucken an, obwohl Drasko nicht einmal in ihre Richtung blickte.

Sie hatte so etwas noch nie gesehen. Sie war sicher, niemand auf diesem Planeten hatte schon einmal ein solches Gebilde erblickt. Es besaß eine ungefähre Kugelform, war aber unregelmäßig und mit zahllosen Auswüchsen, Narben, Kratern, Falten, Tentakeln und ganz und gar formlosen... Dingen übersät.

Auf den ersten Blick erinnerte das Gebilde ein wenig an einen verschrumpelten Apfel, der zu lange in der Sonne gelegen hatte. Überall auf seiner Oberfläche schienen sich Dinge zu bewegen, auch wenn diese Bewegung stets sofort aufhörte, wenn Charity versuchte, sie mit Blicken zu fixieren.

Sie wiederholte Draskos Frage, lauter und direkt an Gurk gewandt: »Was ist das?«

Und jetzt behaupte bloß nicht wieder, daß du es nicht weißt, fügte ihr Blick hinzu.

Gurk versuchte es erst gar nicht. Sie war auch nicht sicher, ob er ihre Frage überhaupt gehört hatte. Er starrte weiter auf den Monitor. Sein Gesicht war so weiß wie die sprichwörtliche Wand, und seine Augen waren ein deutliches Stück aus den Höhlen getreten.

»Nein«, stammelte er. »Das... das können sie nicht getan haben. So verrückt können sie nicht sein!«

»Was meinst du?« fragte Charity alarmiert. Sie hatte Gurk selten so erschrocken gesehen.

»Das können sie nicht getan haben«, keuchte Gurk. »So wahnsinnig sind sie nicht! Nicht einmal sie!«

»Gurk!« Charity schrie es beinahe. »Wovon redest du?!«

»Die Zone«, flüsterte Gurk. »Das ist ein Zonenschiff!«

»Aha«, sagte Skudder. »Und was, bitte schön, ist ein Zonenschiff?«

»Der Tod«, antwortete Gurk. »Euer aller Tod. Unser aller Tod.«

Charity schaute wieder auf den Schirm. Das Gebilde schien sich irgendwie... verändert zu haben. Als hätte es auf Gurks Worte reagiert.

Sie verscheuchte den Gedanken. Wenn überhaupt, dann war sie es, die auf die Worte des Zwerges reagierte. Und möglicherweise ganz genau so, wie er es wollte.

»Da stimmt was nicht«, sagte der Techniker plötzlich. »Irgend etwas... stört das Übertragungssignal.«

Tatsächlich begann die Bildqualität sich rapide zu verschlechtern.

Das Bild wurde grobkörniger, zugleich verblaßten die Farben, und das Abbild verlor an Schärfe und Tiefe.

»Was ist da los?« fragte Hartmann scharf.

»Das Teleskop arbeitet einwandfrei«, antwortete der Techniker. »Ich verstehe das nicht. Irgend etwas stört die Übertragung von Hubble zur Erde.«

»Sie haben bemerkt, daß wir sie beobachten«, sagte Drasko. »Anscheinend sind sie nicht sehr erfreut darüber.«

»Bemerkt?« fragte Skudder. »Wie?«

»Nun, das Teleskop ist -« Drasko brach verblüfft ab, starrte erst Skudder, dann eine Sekunde lang den Monitor und dann wieder Skudder an.

»Das Teleskop. Sie sagen es, Gouverneur«, meinte Skudder. »Niemand merkt, wenn ein Teleskop auf ihn gerichtet ist.«

Das Bild auf dem Wandmonitor erlosch jetzt endgültig. Der Schirm zeigte nur noch weißes Schneegestöber. Nach einem Augenblick gab Hartmann dem Techniker einen Wink, woraufhin dieser abschaltete. »Ich versuche, eine neue Verbindung herzustellen.«

»Sparen Sie sich die Mühe«, sagte Skudder. »Ich verwette mein nächstes Monatsgehalt, daß sie sämtliche Frequenzen stören.«

»Aber wie können sie wissen, daß wir sie beobachten?« murmelte Drasko. »Das ist vollkommen unmöglich. Es sei denn...«

Er sprach nicht weiter, sondern drehte sich langsam herum und fuhr erst nach sekundenlangem Schweigen und mit veränderter Betonung fort: »Es sei denn, irgend jemand hier treibt ein falsches Spiel.«

»Und warum sehen Sie mich dabei so an?« fragte Gurk.

»Die Auswahl ist nicht besonders groß«, antwortete Drasko. Gleichzeitig machte er eine kaum sichtbare Bewegung mit der linken Hand. Zwei seiner Männer traten vor und nahmen in unmißverständlicher Haltung rechts und links von Gurk Aufstellung.

»Darf ich fragen, was das bedeutet?« fragte Hartmann.

»Das, wonach es aussieht«, antwortete Drasko. »Ich nehme diesen Außerirdischen in Haft. Und sparen Sie sich gleich die Mühe, mir erklären zu wollen, daß ich das nicht kann. Ich kann, und ich werde, General. Dieser Außerirdische hätte keine Sekunde lang unbeobachtet bleiben dürfen.«

»Sie werden hier niemanden verhaften, Gouverneur«, sagte Hartmann spröde. »Diese Anlage untersteht dem Militär. Sie haben hier keinerlei -«

»Bitte!« sagte Charity. »Wir haben im Moment wirklich andere Probleme, meint ihr nicht?« Sie wandte sich mit einem - wie sie hoffte - beruhigenden Blick an Gurk. »Geh einfach mit. Skudder und ich kommen in einer Stunde nach und holen dich raus.«

»Das bezweifle ich«, sagte Drasko kühl. Er gab den beiden Soldaten einen Wink. »Abführen!«

Die Männer zögerten einen Augenblick. Sie wußten natürlich, daß Hartmann recht hatte: Gouverneur Drasko mochte ein mächtiger Mann sein, aber hier unten hatte er keinerlei Befehlsgewalt, während Hartmann ihr oberster Vorgesetzter war. Erst als Hartmann unmerklich nickte, ergriffen sie den Zwerg und führten ihn zum Lift. Gurk widersetzte sich nicht, aber als er sich herumdrehte, warf er Charity einen vorwurfsvollen Blick zu.

Ihr Mitleid hielt sich allerdings in Grenzen. Natürlich war Draskos Verdacht schlichtweg absurd, und sie würde auch nicht tatenlos zusehen, wie Gurk länger als ein paar Stunden gefangen gehalten wurde. Diese paar Stunden allerdings gönnte sie ihm. Möglicherweise tat es Gurk ganz gut, einmal am eigenen Leib zu erfahren, was das Wort Ungewißheit bedeutete. Sollte er ruhig eine oder zwei Stunden schmoren.

Das Licht über der Aufzugtür wechselte von rot auf grün. Die Türen glitten lautlos auf. Aber die Kabine dahinter war nicht leer.

Genaugenommen war sie nicht einmal mehr da.

Wo die zwei mal drei Schritte messende Aufzugkabine sein sollte, erstreckte sich eine endlose, rostfarbene Ebene unter einem blaßrosa Himmel. Formlose, dunkle Umrisse bedeckten sie, so weit der Blick reichte, und die Luft auf der anderen Seite der Tür mußte viel dünner sein als hier drinnen, denn die Türen waren kaum aufgeglitten, da begann sich ein wahrer Sturm zu erheben, der in die Liftkabine hineinfauchte.

Allerdings verschwendete Charity keinen einzigen Gedanken daran.

Es wäre möglicherweise ihr letzter gewesen...

Aus dem Aufzug stürzten zwei riesige, in schwarze Kampfanzüge gehüllte Gestalten. Ihre beeindruckende Größe ließ sie plump erscheinen, aber sie waren es ganz und gar nicht, sondern bewegten sich im Gegenteil mit fast übermenschlicher Schnelligkeit. Einen von ihnen griff sofort und kompromißlos die beiden Soldaten an, die Gurk flankierten, während sich der andere unverzüglich auf den Zwerg selbst stürzte. Doch trotz seiner übermenschlichen Schnelligkeit verfehlte er Gurk, denn der Zwerg duckte sich blitzschnell unter den zupackenden Händen des Riesen hindurch und flitzte zur Seite.

Selbst Charity, die gewußt hatte, wie schnell Gurk sein konnte, war überrascht. Hätte er auch nur eine einzige Sekunde mehr gehabt, wäre er dem Angreifer vielleicht sogar entwischt.

Aber diese Sekunde hatte er nicht.

Aus dem Sturm, der in die Liftkabine hineinströmte, wurde ein Orkan. Charity bekam schlagartig keine Luft mehr; zugleich wurde sie aus dem Gleichgewicht und auf die Aufzugtüren zu gerissen. Während sie mit verzweifelt rudernden Armen darum kämpfte, nicht die Balance zu verlieren, mußte sie hilflos zusehen, wie die beiden Soldaten rechts und links des Aufzugs in die luftleere rote Einöde auf der anderen Seite gezerrt und meterweit davongeschleudert wurden.

Sie stürzte. Der keuchende Schmerzensschrei, der über ihre Lippen kam, verbrauchte auch noch das letzte bißchen Luft in ihren Lungen. Haltlos schlitterte sie weiter auf den Lift zu, griff ebenso verzweifelt wie erfolglos um sich, um irgendwo Halt zu finden und sah, wie auch einer der Techniker von dem furchtbaren Luftsog gepackt und weggerissen wurde.