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Hartmann sah ihn eine Sekunde lang durchdringend an, dann wandte er sich an die Soldaten.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte er. »Sie können gehen. Und stellen Sie diese verdammte Alarmanlage ab!«

Drasko keuchte, als hätte ihm jemand in den Magen geboxt, und auch der Soldat starrte Hartmann für einen Moment an, als zweifelte er an seinem Verstand. Dann aber nickte er, drehte sich mit einer abrupten Bewegung herum und verschwand wieder im Aufzug. Seine Kameraden folgten ihm.

Erst als die Aufzugtüren sich hinter den Männern geschlossen hatten, fand Drasko seine Sprache wieder.

»Sind... sind Sie verrückt geworden?« keuchte er. »Wieso schicken Sie die Soldaten weg?«

»Weil sie uns nichts nutzen.« Charity antwortete an Hartmanns Stelle und wies mit einer eindeutig wütenden Kopfbewegung auf den Lift. »Sie haben es gerade selbst gesagt, Gouverneur: Sie gehen hier nach Belieben ein und aus. Ein halbes Dutzend Soldaten mehr oder weniger macht da keinen Unterschied.«

»Außerdem wollten die Fremden uns nicht töten«, fügte Skudder hinzu.

»Wie kommen Sie denn darauf?« fragte Drasko.

»Weil wir anderenfalls bereits tot wären«, entgegnete Skudder ruhig. »Sie hätten nur die Tür noch ein paar Sekunden länger geöffnet lassen müssen.« Er fuhr sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Als er den Arm wieder senkte, klebte Blut an seinen Fingern. »Ein paar Sekunden hätten gereicht.«

Drasko funkelte ihn an. Aber er sagte nichts, sondern machte nur ein verächtliches Gesicht und wandte sich wieder an Charity.

»Jedenfalls dürfte es jetzt keine Unklarheiten mehr geben, was die Loyalität ihrer außerirdischen Verbündeten angeht«, sagte er.

Charity verstand im ersten Moment nicht einmal, was er meinte.

»Was soll das heißen?«

»Er hat schnell reagiert«, sagte Drasko.

»Das meinen Sie nicht ernst, Drasko«, sagte Skudder. »Sie wollen andeuten, daß diese Kerle hier aufgetaucht sind, weil Gurk sie gerufen hat?«

»Ich will gar nichts andeuten, Mr. Skudder«, sagte Drasko eisig.

Daß Skudder in der Anrede Draskos Rang weggelassen hatte, war eine Provokation, die der Gouverneur sehr wohl verstand. »Ich finde es nur merkwürdig, daß diese Männer genau in dem Moment auftauchen, in dem ihrem Freund offensichtlich der Boden unter den Füßen zu heiß wird.«

»Oder als er drauf und dran war, etwas Wichtiges zu erraten«, sagte Charity.

Drasko bedachte sie nur mit einem geringschätzigen Lächeln. »Wieso überrascht es mich nicht, daß Sie immer noch seine Partei ergreifen, Miss Laird?« fragte er.

Charity setzte zu einer wütenden Antwort an, fing aber im letzten Moment einen warnenden Blick Hartmanns auf und schluckte herunter, was ihr auf der Zunge lag. Es hatte keinen Sinn, sich zu streiten. Nicht jetzt, und schon gar nicht mit Drasko.

Charity drehte sich auf dem Absatz herum und wandte sich an den überlebenden Techniker. Der Mann war bleich wie die sprichwörtliche Wand, blutete aus Nase, Augenwinkeln und Ohren und lehnte zitternd an einem Computertisch.

»Könnten Sie mir helfen?« fragte Charity.

Selbst in ihren eigenen Ohren klang diese Frage wie der blanke Hohn. Trotzdem erzielte sie die beabsichtigte Wirkung. Die flackernde Panik in den Augen des Mannes erlosch nicht ganz, ging aber ein wenig zurück, und der Techniker rang sich sogar zu einem angedeuteten Nicken durch.

»Ich weiß, es ist viel verlangt«, sagte Charity, »aber trotzdem: Können Sie versuchen, die Übertragung wieder herzustellen?«

Der Mann zögerte eine Sekunde; dann aber nickte er noch einmal, stieß sich vom Pult ab und drehte sich in einer kompliziert anmutenden Bewegung herum. Seine Hände zitterten immer noch, bewegten sich aber trotzdem mit erstaunlicher Präzision und Schnelligkeit über das Pult.

Das Ergebnis seiner Bemühungen entsprach allerdings genau dem, was Charity erwartete: Nach zwei oder drei Minuten richtete der Techniker sich wieder auf und schüttelte den Kopf.

»Tot«, sagte er.

»Was haben Sie erwartet?« fragte Drasko. »Wahrscheinlich haben sie das ganze verdammte Teleskop abgeschossen.«

»Kaum«, antwortete Charity. »So dumm sind sie nicht.«

»Dumm?«

»Warum sollten sie wertvolle Hardware zerstören, wenn ein simpler Störimpuls reicht?« Charity schüttelte in einer müde anmutenden Bewegung den Kopf. »Sie wollen uns nicht vernichten, Gouverneur. Sie wollen uns besiegen. Das ist ein Unterschied.«

»Das müssen Sie mir bei Gelegenheit erklären«, sagte Drasko.

»Bei Gelegenheit, ja«, mischte Hartmann sich ein. »Aber nicht jetzt. Ich schlage vor, wir lassen erst einmal eine Putzkolonne hier herein, und anschließend jemanden, der mit einem Lötkolben umzugehen versteht. Treffen wir uns in zwei Stunden... am besten in Ihrem Büro, Gouverneur. Meine Räume sind im Moment leider auch nicht in einem besonders guten Zustand.«

Drasko wollte widersprechen, doch Hartmann gab ihm gar keine Gelegenheit dazu, sondern drehte sich auf dem Absatz herum und ging zum Aufzug. Charity und Skudder folgten ihm.

Die Türen öffneten sich fast augenblicklich, als Hartmann den entsprechenden Knopf drückte, aber Charity war nicht die einzige, die ein mulmiges Gefühl hatte, als sie die Kabine betrat. Auch Skudder und Hartmann zögerten merklich, als hätten sie Angst, sich nicht in der Aufzugkabine, sondern auf der luftlosen Oberfläche des Mars wiederzufinden.

Charity warf Hartmann einen beinahe schon beschwörend-fragenden Blick zu, doch er ignorierte ihn einfach. Erst als sie nicht nur den Lift, sondern das gesamte Gebäude verlassen hatten, brach Hartmann endlich sein Schweigen:

»Ist euch eigentlich klar, was gerade passiert ist?«

»Nein«, antwortete Skudder. »Warum erklärst du es uns nicht?«

Es kam Charity fast schon lächerlich vor, aber Hartmann sah sich tatsächlich nach beiden Seiten um, ehe er antwortete.

»Es ist schlimmer, als wir dachten.«

»Ach?« fragte Charity spöttisch.

Hartmann blieb ernst.

»Habt ihr eigentlich überhaupt nichts begriffen?« fragte er. »In einem Punkt hat Drasko hundertprozentig recht, so ungern ich es zugebe. Das gerade war kein Zufall!«

»Wie meinst du das?« fragte Charity. »Redest du von Gurk oder von der Bildstörung?«

Der plötzliche, feindselige Unterton in ihrer Stimme erschreckte sie selbst, doch Hartmann schien ihn gar nicht zur Kenntnis zu nehmen.

»Von beidem«, antwortete er. »Vielleicht. Ich weiß es nicht, verdammt. Aber es kann kein Zufall sein. Drasko hat recht. Sie haben verdammt schnell reagiert.«

»Du meinst... sie haben uns abgehört.« Charity brachte es auf den Punkt.

»Jedes Wort«, bestätigte Hartmann. »Ich verwette meine rechte Hand, daß wir eine Wanze finden, wenn wir den Kontrollraum auseinanderschrauben.«

»Oder Gouverneur Drasko einer Leibesvisitation unterziehen«, fügte Skudder hinzu.

Charity - und selbst Hartmann - schauten ihn überrascht an, und Skudder hob in einer besänftigenden Geste die Hände. »Seht mich nicht so vorwurfsvoll an. Ich habe diesem Kerl nie getraut. Und ihr auch nicht, wenn ihr ehrlich seid.«

»Jetzt übertreibst du«, sagte Charity. »Ich würde Drasko nie heiraten, aber ein Verräter ist er bestimmt nicht.«

»Wieso?«

»Du weißt, wo er herkommt«, antwortete Charity. »Von den USA abgesehen hat Osteuropa wahrscheinlich am meisten unter den Moroni gelitten. Drasko ist ein Widerling und ein Trottel, aber er würde sich eher die Hände abhacken lassen, als mit einer außerirdischen Macht zusammenzuarbeiten.«

»Und wenn es keine Außerirdischen sind?« Skudder machte eine komplizierte Handbewegung. »Hast du vergessen, was Gurk gesagt hat? Das hier ist eine Familienangelegenheit. Was glaubst du wohl, hat er damit gemeint?«