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Trotzdem hätte Charity es selbst jetzt ohne zu zögern mit jeder von Hartmanns Vipern aufgenommen. Mit voll hochgefahrenen Systemen mußten diese Kampfmaschinen praktisch unbesiegbar sein. Sie waren schneller, manövrierfähiger, beweglicher und besser gepanzert als die Vipern, von der überlegenen Bewaffnung und den viel stärkeren Schutzschirmen ganz zu schweigen. Mit jeder Minute, die Charity im Cockpit einer dieser Maschinen verbrachte, verstand sie weniger, wie es Skudder und ihr gelungen war, die Stingrays gleich reihenweise abzuschießen. Eigentlich war es unmöglich.

Nein, nicht eigentlich...

Es war unmöglich. Aber das war schließlich längst nicht das einzige Rätsel im Zusammenhang mit den unbekannten Angreifern. Alles an ihnen war ein einziges Rätsel.

Die HOME RUN hatte mittlerweile aufgeholt und befand sich jetzt annähernd neben der Stingray. Charity beschleunigte behutsam, bis der Jet seine Geschwindigkeit der des größeren Schiffes nahezu angeglichen hatte. Gleichzeitig verringerte sie den Abstand zwischen den beiden Schiffen. Das Manöver erforderte ihre gesamte Konzentration. Es war lange her, daß sie ein solch diffiziles Manöver ohne Computerunterstützung ausgeführt hatte - immerhin bewegten sich die beiden Schiffe mit immer noch guten dreißigtausend Meilen pro Stunde nebeneinander her. Die kleinste Unachtsamkeit, ein winziger Fehler, mußte katastrophale Folgen haben.

Nichts dergleichen geschah. Charity war selbst ein wenig erstaunt, wie souverän und sicher sie das im Grunde immer noch fremde Fahrzeug unter Kontrolle hatte. Offenbar gab es Dinge, die man nie wirklich verlernte. Meter für Meter, dann buchstäblich zentimeterweise manövrierte sie die Stingray näher an die HOME RUN, bis die Magnetkontakte griffen und der Jäger sicher am Rumpf des viel größeren Schiffes verankert war.

Charity atmete hörbar auf, griff nach dem Helm ihres Schutzanzuges und stülpte ihn über, ehe sie nacheinander die Triebwerke, die Hauptenergieversorgung und schließlich den Zentralcomputer der Stingray abschaltete. Das sanfte Vibrieren im Rumpf des Jägers verstummte, und das fremdartige Instrumentenpult lag nun schwarz und tot vor ihr. Der ganze Jet war jetzt nicht mehr als ein totes Anhängsel aus Metall, auf keinem Radar- oder Ortungsschirm zu erkennen.

Jedenfalls von keinem Ortungssystem, das sie kannten.

Charity verscheuchte den Gedanken. Rasch löste sie den Sicherheitsgurt, kroch umständlich aus dem schmalen Pilotensitz und ging gebückt zum Ausgang. Die Magnetsohlen ihrer Stiefel sorgten für sicheren Halt, als sie die Stingray verließ und die zehn Meter entfernte Schleuse ansteuerte. Trotzdem mußte sie für einen Moment gegen ein leichtes Schwindelgefühl ankämpfen. Die unendliche Weite des Raumes, der sie umgab, überwältigte sie beinahe. Sie fühlte sich winzig, unendlich verloren und vor allem unbedeutend. Nichts was sie, was irgendein Mensch, ja, irgendein Lebewesen im Universum tat, war auf irgendeine Weise wichtig.

Charity wußte, wie unsinnig diese Gedanken waren. Aber sie kämpfte nicht dagegen an. Sie kannte diese sonderbare, fast schon melancholische Stimmung, die sie fast jedesmal überkam, wenn sie sich im freien All befand, nicht als eine millimeterdünne Schicht aus Kunststoff zwischen sich und der Unendlichkeit.

Vielleicht aber - so albern ihr der Gedanke auch vor zwei Minuten noch vorgekommen wäre und in weiteren zwei Minuten auch wieder vorkommen würde - war sie in diesen seltenen Momenten der Wahrheit am nächsten. Vielleicht spielte es wirklich keine Rolle, ob sie oder irgendein Mensch überlebte, und vielleicht war nicht einmal das, was sie als Leben bezeichnete, für das Universum in seiner Gesamtheit von irgendeinem Belang. Der Gedanke, daß das All nur entstanden war, um so etwas wie Leben hervorzubringen, war verlockend - aber traf er auch zu?

Charity hatte die Schleuse erreicht, ließ sich umständlich in die Hocke sinken und betätigte mit einiger Mühe das tellergroße Handrad. Nach einigen Augenblicken wurde es besser, als hätte sie plötzlich Hilfe erhalten, und genau das war auch der Falclass="underline" Als die Schleuse endlich aufschwang, sah sie, daß Skudder das Gegenstück ihres Handrades von innen betätigt hatte.

Während sie sich ins Innere der winzigen Schleusenkammer hangelte, warf sie einen letzten Blick über die Schulter zurück. Die EXCALIBUR war bereits deutlich näher gekommen. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

Skudder zog die äußere Tür der Schleusenkammer zu, verriegelte sie sorgsam und drückte den Knopf, der die innere Tür entriegelte. Trotz allem war die HOME RUN ein achtzig Jahre altes Schiff, dessen Technik sich auf einem ebenso veralteten Niveau befand. Es gab keinen allmählichen Druckausgleich, sondern einen heftigen Schlag, als die Luft in das Vakuum der Schleusenkammer strömte. Um ein Haar hätte Charity die Balance verloren und klammerte sich hastig an Skudders Arm fest. Erst nach ein paar Sekunden wagte sie es, ihn wieder loszulassen und ihren Helm abzunehmen.

Das erste, was ihr auffiel, war der Geruch. Die HOME RUN war vor kaum einer Stunde gestartet, und die Luft hier drinnen sollte eigentlich noch frisch und unverbraucht schmecken. Das Gegenteil war der Fall. Die Luft roch trocken, alt und irgendwie metallisch; wie in einer Gruft aus Eisen.

»Du hast es also auch gemerkt.« Skudder warf seinen Helm achtlos zu Boden und sog demonstrativ die Luft durch die Nase ein. »Willkommen in der Steinzeit. Mit diesen Mülleimern seid ihr damals wirklich zum Mond geflogen?«

»Mülleimer?« Charity bedachte ihn mit einem übertrieben strafenden Blick. »Du sprichst vom Stolz der Space-Force!«

Skudder machte ein erstauntes Gesicht. »Ich verstehe... und du warst die beste Pilotin dieses Vereins, stimmt's? Also, so langsam frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war, mitzukommen.«

»Du kannst immer noch aussteigen.«

»Und dir den ganzen Spaß überlassen?« Skudder schüttelte heftig den Kopf. »Kommt gar nicht in Frage.«

»Dann hör auf zu nörgeln.«

Charity wurde schlagartig wieder ernst. Dicht hinter Skudder trat sie aus der winzigen Schleusenkammer hinaus und in einen Raum, der nicht nur kaum größer war als dieser, sondern den ersten Eindruck, den das Schiff machte, noch zu unterstreichen schien. Alles hier war primitiv und grob, in sichtlicher Hast zusammengeschweißt und -geschraubt. Nackte Kabelverbindungen schlängelten sich unter der Decke und an den Wänden entlang, Monitore und Computerterminals standen in chaotischer Unordnung herum. Die beiden einzigen sichtbar modernen Geräte waren die zwei matt verchromten Schlaftanks, die fast die Hälfte des vorhandenen Raumes einnahmen. Der verbliebene Platz reichte kaum für Skudder und Charity aus.

»Urgemütlich«, sagte sie.

»In einem Designerwettbewerb hätten Hartmanns Techniker keine Chance«, bestätigte Skudder. »Aber dafür ist es sicher. Nicht einmal die Konstrukteure dieses Schiffes würden diesen Raum bemerken.«

»Hoffentlich.« Charity streifte die beiden Schlaftanks mit einem nervösen Blick.

»Bestimmt«, versicherte Skudder. »Wir sind vollkommen autark. Eigene Energieversorgung, eigene Sauerstoffversorgung, eigene Lebensmittel... wir haben sogar einen eigenen Eingang. Trautes Heim, Glück allein.«

Charity schaute sich nach einem Platz um, an dem sie ihren Helm ablegen konnte, fand keinen und tat schließlich dasselbe wie Skudder: Sie ließ den Helm einfach los. Er fiel jedoch nicht zu Boden, sondern blieb schwerelos neben ihr in der Luft hängen.

Skudder lachte spöttisch. »Du hast doch nicht etwa künstliche Schwerkraft erwartet? So einen Luxus kann ich leider nicht bieten.«

Charity starrte erneut den Schaftank an. Es fiel ihr schwer, Skudders Worten zu folgen, und noch schwerer, seiner aufgesetzten Fröhlichkeit irgend etwas abzugewinnen. Wahrscheinlich war es ohnehin nur Hysterie. Das Ding... machte sie nervös. Vorsichtig ausgedrückt.