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»Guten Tag, Herr Knaster!«

Kister sah ihn erstaunt an.

»Meine Hochachtung, Herr Knaster!« wiederholte Lutschkow. »Ich heiße Kister, mein Herr.«

»So, Herr Knaster?!«

Fjodor Fjodorowitsch wandte ihm den Rücken zu und ging nach Hause. Lutschkow blickte ihm mit spöttischem Lächeln nach.

Am nächsten Tag ging er gleich nach dem Exerzieren wieder auf Kister zu.

»Nun, wie geht es, Herr Kinderbalsam?«

Kister fuhr auf und blickte ihm gerade ins Gesicht. In den kleinen, galligen Augen Awdej Iwanowitschs leuchtete boshafte Freude.

»Ich meine Sie, Herr Kinderbalsam!«

»Mein Herr«, antwortete ihm Fjodor Fjodorowitsch, »ich finde Ihren Scherz dumm und deplaziert – hören Sie es? –, dumm und deplaziert.«

»Wann schlagen wir uns?« entgegnete Lutschkow ruhig.

»Wann Sie wollen, von mir aus morgen.«

Am andern Morgen schlugen sie sich. Lutschkow brachte Kister eine leichte Verwundung bei, ging darauf, zum größten Erstaunen der Sekundanten, auf den Verwundeten zu, drückte ihm die Hand und bat ihn um Verzeihung.

Kister mußte zwei Wochen zu Hause sitzen; Awdej Iwanowitsch besuchte ihn einigemal und freundete sich, als Fjodor Fjodorowitsch genesen war, mit ihm an. Ob ihm die Entschlossenheit des jungen Offiziers gefallen hatte, oder ob in seinem Herzen ein der Reue ähnliches Gefühl erwacht war, ist schwer zu entscheiden ... doch vom Tage des Duells an trennte sich Awdej Iwanowitsch fast nie von Kister und nannte ihn erst Fjodor und dann auch Fedja. In seiner Gegenwart war er immer wie verändert, doch – seltsamerweise – nicht zu seinem Vorteil. Milde und Sanftheit standen ihm nicht zu Gesicht. Sympathie konnte er ja doch in niemand wecken; so war einmal sein Schicksal! Er gehörte zu den Menschen, denen gleichsam das Recht, über die anderen zu herrschen, gegeben ist; doch die Natur versagte ihm jede Begabung – die notwendige Rechtfertigung eines solchen Rechts. Da er weder eine Bildung genossen hatte noch klug war, durfte er sich eigentlich nie demaskieren; vielleicht beruhte seine Erbitterung auch auf der Erkenntnis der Mängel seiner Erziehung und auf dem Wunsche, alles unter einer unveränderlichen Larve zu verbergen. Awdej Iwanowitsch hatte sich anfangs gezwungen, die Menschen zu verachten; und als er merkte, daß es gar nicht so schwer ist, sie einzuschüchtern, fing er an, sie tatsächlich zu verachten. Lutschkow machte es Vergnügen, durch sein bloßes Erscheinen jedes nicht ganz banale Gespräch zu unterbrechen.

Ich weiß nichts, ich habe nichts gelernt und habe auch für nichts Begabung, dachte er sich, also dürft auch ihr in meiner Anwesenheit nichts wissen und keine Begabung zeigen ...

Kister hatte ihn vielleicht dadurch gezwungen, aus seiner Rolle zu fallen, weil der Kampfhahn, bevor er ihn kennen gelernt hatte, noch keinem einzigen wirklich »ideal« veranlagten, das heißt einem uneigennützig und gutmütig seinen Träumen nachgehenden und darum nachsichtigen und nicht ehrgeizigen Menschen begegnet war.

Zuweilen kam Awdej Iwanowitsch des Morgens zu Kister, steckte sich eine Pfeife an und setzte sich still in einen Sessel. Vor Kister schämte er sich nicht seiner Unwissenheit; er verließ sich – und nicht vergebens – auf dessen deutsche Bescheidenheit.

»Nun«, fing er an, »was hast du gestern getrieben? Hast wohl gelesen, wie?«

»Ja, ich habe gelesen ...«

»Was hast du denn gelesen? Erzähl es mir, Bruder, erzähl es mal.« Awdej Iwanowitsch behielt den spöttischen Ton bis zuletzt.

»Ich las das ›Idyll‹ von Kleist, Bruder. Ach, ist das schön! Erlaube, daß ich dir einige Zeilen übersetze!« – Und Kister übersetzte mit großem Eifer; während Lutschkow mit gerunzelter Stirn und zusammengebissenen Zähnen aufmerksam zuhörte.

»Ja, ja ...«, wiederholte er schnell, mit unangenehmem Lächeln. »Es ist schön, sehr schön ... Ich glaube, ich hab es schon einmal gelesen ... sehr schön ... Sag mir bitte«, fuhr er gedehnt und gleichsam unwillig fort, »wie denkst du über Ludwig XIV.?«

Kister fing an, über Ludwig XIV. zu sprechen. Lutschkow aber hörte zu, verstand vieles gar nicht und manches falsch und entschloß sich zuletzt, eine Bemerkung zu machen ... Schweiß trat ihm auf die Stirn. Vielleicht sage ich etwas sehr Dummes? – dachte er sich. Er sagte auch oft Dummheiten, doch Kister wurde in seinen Entgegnungen niemals scharf: Der gute Jüngling freute sich, daß in einem Menschen das Streben nach Bildung erwachte.

Doch ach! Awdej Iwanowitsch fragte ihn gar nicht aus Lust nach Bildung aus, sondern einfach so, Gott weiß weshalb. Vielleicht wollte er selbst durch einen Versuch feststellen, was für einen Kopf er, Lutschkow, habe: einen stumpfen oder nur einen ungeschulten. – Ich bin im Grunde genommen dumm, sagte er sich mehr als einmal mit einem bitteren Lächeln; dann richtete er sich auf, blickte frech und herausfordernd um sich und lächelte boshaft, wenn er merkte, daß einer der Kameraden seinen Blicken auswich.

»Ja, mein Bester, du bist klug und gebildet ...«, flüsterte er durch die Zähne. »Willst du aber nicht ... Du weißt schon was ...«

Die Herren Offiziere hielten sich über die so plötzlich geschlossene Freundschaft zwischen Kister und Lutschkow nicht sehr lange auf: Sie waren die seltsamen Launen des Kampfhahns gewöhnt.

»Da hat sich der Teufel mit einem Kindlein eingelassen!« sagten sie ...

Kister lobte überall seinen neuen Freund mit Begeisterung; man widersprach ihm nicht, weil man Lutschkow fürchtete; Lutschkow erwähnte in Gegenwart anderer niemals Kisters Namen, gab aber den Verkehr mit dem parfümierten Adjutanten auf.

Kap. 2

Die südrussischen Gutsbesitzer lieben es, Bälle zu geben, die Herren Offiziere einzuladen und sie mit ihren Töchtern zu verheiraten. Zehn Werst vom Dorfe Kirillowo entfernt lebte gerade so ein Gutsbesitzer, ein gewisser Herr Perekatow, der vierhundert leibeigene Seelen und ein recht geräumiges Haus besaß. Er hatte eine etwa achtzehnjährige Tochter, Maschenjka und eine Frau, Nenila Makarjewna. Herr Perekatow diente einst in der Kavallerie, hatte aber aus Liebe zum Landleben und aus Faulheit seinen Abschied genommen und sich einem ruhigen Leben hingegeben, wie es die mittleren Gutsbesitzer führen. Nenila Makarjewna stammte auf eine nicht ganz legitime Weise von einem sehr vornehmen Moskauer Herrn ab.

Ihr Beschützer hatte ihr in seinem Hause, was man so nennt, eine sorgfältige Erziehung gegeben, sich aber ihrer dann auf das erste Angebot hin recht schnell, wie einer unzuverlässigen Ware entledigt. Nenila Makarjewna war nicht hübsch; der vornehme Herr gab ihr nur zehntausend Rubel mit, und sie klammerte sich an den Herrn Perekatow. Dem Herrn Perekatow erschien es recht verführerisch, ein wohlerzogenes, kluges Mädchen zu heiraten – das schließlich auch mit dem vornehmen Würdenträger verwandt war.

Der Würdenträger zeigte dem jungen Paar auch nach der Hochzeit seine Gewogenheit, das heißt, er ließ sich von ihnen gesalzene Wachteln schenken und sprach Perekatow mit: »Du mein Bester«, und zuweilen auch einfach mit »Du« an.

Nenila Makarjewna bekam ihren Gatten ganz in ihre Gewalt und wirtschaftete und verwaltete das Gut durchaus selbständig, übrigens in recht verständiger Weise; jedenfalls viel besser, als es Herr Perekatow verwaltet hätte. Sie bedrückte ihren Ehegenossen nicht zu sehr, hatte ihn aber ganz in ihrer Hand und bestellte ihm sogar seine Kleider, und zwar nach der englischen Mode. Auf ihren Befehl mußte sich Herr Perekatow einen kleinen Kinnbart stehenlassen, der den Zweck hatte, eine große Warze in Gestalt einer überreifen Himbeere, die er am Kinn hatte, zu verdecken. Nenila Makarjewna erzählte aber den Gästen, daß ihr Mann die Flöte blase und daß alle Flötisten sich unter der Unterlippe ein Bärtchen stehenlassen, um das Instrument bequemer halten zu können.