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Herr Perekatow war schon früh am Morgen mit einer hohen sauberen Halsbinde angetan, sorgfältig gekämmt und gewaschen. Im übrigen war er mit seinem Los recht zufrieden; er bekam schmackhaftes Essen, tat alles, was er wollte, und schlief, soviel er konnte.

Nenila Makarjewna führte in ihrem Hause, wie es die Nachbarn nannten, »ausländische Sitten« ein: Sie hielt nur wenige Dienstboten und kleidete diese anständig. Der Ehrgeiz plagte sie: Sie wollte wenigstens eine Frau Kreis-Adelsmarschall werden; doch die Edelleute des ...schen Kreises aßen sich bei ihr zwar satt, wählten jedoch zum Adelsmarschall nicht ihren Gatten, sondern bald den Premier-Major a. D. Burkholz und bald den Seconde-Major a. D. Burundjukow. Herr Perekatow kam ihnen zu großstädtisch vor.

Die Tochter des Herrn Perekatow, Maschenjka glich dem Vater. Nenila Makarjewna widmete ihrer Erziehung viel Sorgfalt. Sie sprach gut französisch und spielte recht anständig Klavier. Sie war von mittlerem Wuchs, ziemlich voll und hatte einen weißen Teint; ihr etwas gar zu rundes Gesicht war von einem gutmütigen, heiteren Lächeln belebt; die dunkelblonden, nicht zu üppigen Haare, die braunen Augen und die angenehme Stimme weckten stilles Wohlgefallen, doch nicht mehr. Dafür mußte man über den Mangel jeder Ziererei und Vorurteile, über die ungewöhnliche Belesenheit dieses in der Steppe aufgewachsenen, jungen Mädchens, über die Freiheit ihrer Ausdrucksweise und ihre einfache und ruhige Art zu sprechen und zu urteilen unwillkürlich staunen. Sie hatte sich ganz frei entwickelt: Nenila Makarjewna legte ihr keine Hindernisse in den Weg.

Eines Morgens gegen zwölf war die ganze Familie Perekatow im Salon versammelt. Der Gatte stand in einem rund zugeschnittenen grünen Frack, einer hohen, karierten Halsbinde, erbsenfarbenen Hosen und Stiefeletten vor dem Fenster und fing mit großem Eifer Fliegen. Die Tochter saß vor dem Stickrahmen; ihr kleines rundliches Händchen im schwarzen Halbhandschuh hob und senkte sich langsam und graziös über dem Kanevas. Nenila Makarjewna saß auf dem Sofa und blickte schweigsam zu Boden.

»Haben Sie eine Einladung an das ...sche Regiment geschickt, Ssergej Ssergejewitsch?« fragte sie den Mann.

»Für heute abend? Gewiß, ma chère! (Es war ihm untersagt, sie »Mütterchen« zu nennen.) Gewiß!«

»Es sind gar keine Kavaliere da«, fuhr Nenila Makarjewna fort. »Die jungen Mädchen wissen nicht, mit wem zu tanzen.«

Der Gatte seufzte, als ob der Mangel an Kavalieren ihn schwer bedrücke.

»Mamachen«, sagte plötzlich Mascha, »ist auch Monsieur Lutschkow eingeladen?« – »Was für ein Lutschkow?«

»Er ist auch Offizier. Man sagt, er sei sehr interessant.«

»Wieso?«

»Ja. Er ist weder hübsch noch jung, doch alle fürchten ihn. Er ist leidenschaftlicher Duellant. (Mamachen zog etwas die Brauen zusammen.) Ich würde ihn mal gerne sehen ...«

Ssergej Ssergejewitsch unterbrach seine Tochter: »Was gibt's da zu sehen, Herzchen? Du glaubst wohl, er sieht wie ein Lord Byron aus? (Um jene Zeit fing man bei uns eben an, über Lord Byron zu sprechen.) Unsinn! Auch ich galt einmal als Raufbold, Herzchen!«

Mascha blickte ihren Vater erstaunt an, lachte, sprang dann auf und küßte ihn auf die Wange. Die Gattin lächelte leise ... und Ssergej Ssergejewitsch hatte nicht gelogen.

»Ich weiß nicht, ob dieser Herr kommen wird«, sagte Nenila Makarjewna. »Vielleicht erweist auch er uns die Ehre.«

Die Tochter seufzte.

»Paß auf, verlieb dich nur nicht in ihn!« bemerkte Ssergej Ssergejewitsch. »Ich weiß, ihr seid jetzt alle so ... exaltiert ...«

»Nein«, erwiderte Mascha einfach.

Nenila Makarjewna sah ihren Mann kühl an. Ssergej Ssjergejewitsch spielte etwas verlegen mit seiner Uhrkette, nahm vom Tisch seinen englischen, weitkrempigen Hut und verließ das Haus, um nach der Wirtschaft zu sehen. Sein Hund lief ihm gehorsam und schüchtern nach. Als kluges Tier fühlte er, daß auch sein Herr in diesem Hause keine zu große Gewalt hatte, und er benahm sich daher bescheiden und vorsichtig.

Nenila Makarjewna ging auf die Tochter zu, hob ihr leise den Kopf und blickte ihr freundlich in die Augen. »Wirst du es mir sagen, wenn du dich verliebst?« fragte sie sie.

Mascha küßte der Mutter lächelnd die Hand und nickte einige Male bejahend mit dem Kopfe.

»Also paß auf!« versetzte Nenila Makarjewna, streichelte ihr die Wange und folgte ihrem Mann aus dem Haus. Mascha lehnte sich im Sessel zurück, ließ den Kopf auf die Brust sinken, verschränkte die Finger und blickte lange mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster; seufzend richtete sie sich wieder auf, versuchte zu sticken, ließ aber die Nadel fallen, stützte den Kopf in die Hand, biß sich in die Fingernägel und versank in Gedanken ... dann warf sie einen Blick auf ihre Schulter und auf ihre ausgestreckte Hand, stand auf, trat vor den Spiegel, lächelte, setzte sich den Hut auf und ging in den Garten.

Am gleichen Abend gegen acht begannen sich die Gäste zu versammeln. Frau Perekatow empfing und »unterhielt« überaus freundlich die verheirateten Damen, Maschenjka die jungen Mädchen, Ssergej Ssergejewitsch sprach mit den Gutsbesitzern von der Wirtschaft und schielte jeden Augenblick nach seiner Frau.

Nun erschienen einer nach dem andern die jungen Stutzer: die Offiziere, die absichtlich etwas später kamen, zuletzt der Herr Oberst in Begleitung seines Adjutanten, Kisters und Lutschkows. Er stellte sie der Dame des Hauses vor. Lutschkow machte eine stumme Verbeugung; Kister murmelte das übliche »Freut mich sehr ...« Herr Perekatow ging auf den Oberst zu, drückte ihm fest die Hand und blickte ihm mit Gefühl in die Augen. Der Oberst machte sofort ein finsteres Gesicht. Man begann zu tanzen. Kister forderte Maschenjka zum Tanz auf. Um jene Zeit blühte die Écossaise.

»Sagen Sie mir, bitte«, fragte Maschenjka, als sie, nachdem sie an die zwanzigmal bis ans Ende des Saales gehopst waren, sich endlich unter den ersten Paaren aufstellten, »warum tanzt Ihr Freund nicht?«

»Welcher Freund?«

Mascha wies mit dem Ende des Fächers auf Lutschkow.

»Er tanzt niemals«, entgegnete Kister.

»Warum ist er dann hergekommen?«

Kister wurde etwas verlegen. »Er wollte das Vergnügen haben ...«

Maschenjka unterbrach ihn. »Sie sind, glaube ich, erst vor kurzem in unser Regiment versetzt worden?«

»In Ihr Regiment«, bemerkte Kister mit einem Lächeln. »Ja, vor kurzem.«

»Langweilen Sie sich nicht?«

»Aber bitte ... Ich fand hier eine so angenehme Gesellschaft ... und erst die Natur! ...« Kister begann die Schönheiten der Natur zu schildern. Mascha hörte ihm zu, ohne den Kopf zu heben.

Awdej Iwanowitsch stand in der Ecke und musterte gleichgültig die Tanzenden.

»Wie alt ist Herr Lutschkow?« fragte sie plötzlich.

»Ich glaube ... so an die fünfunddreißig«, antwortete Kister.

»Man sagt, er sei ein gefährlicher ... zorniger Mensch«, fuhr Mascha eilig fort.

»Er ist etwas aufbrausend ... doch im übrigen ein guter Kerl.«

»Man sagt, alle fürchten ihn?«

Kister lachte.

»Und Sie?«

»Wir sind Freunde.«

»Wirklich?«

»Sie, Sie sind jetzt dran!« rief man ihnen von allen Seiten zu. Sie fuhren zusammen und fingen wieder an, seitwärts durch den ganzen Saal zu hopsen.

»Nun, ich gratuliere!« sagte Kister zu Lutschkow nach dem Tanz. »Die Tochter des Hauses hat mich die ganze Zeit über dich ausgefragt.«

»Nein wirklich?« entgegnete Lutschkow verächtlich.

»Mein Ehrenwort! Sie ist aber doch recht hübsch, schau sie dir nur an.«

»Welche ist es denn?«