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Schließlich – und darauf lief die ganze Aktion am Ende hinaus – würde Arctor jemanden treffen, der eine so große Nummer war, daß es sich wirklich lohnte, ihn auffliegen zu lassen. Jemanden, der so dick drin war, daß er entweder selbst Kontakt zu den Herstellern hatte oder aber wenigstens Leute kannte, die den Stoff direkt vom Hersteller bezogen – Leute also, die selbst die Quelle kannten.

Im Gegensatz zu anderen Drogen stammte Substanz T offensichtlich nur aus einer einzigen Quelle. Substanz T war nämlich kein organisches Rauschgift, sondern wurde synthetisch hergestellt; deshalb mußte es aus einem Labor stammen. Die Substanz T-Synthese war in zahlreichen Experimenten unter strenger behördlicher Kontrolle nach vollzogen worden. Dabei hatte man herausgefunden, daß die wesentlichen Bestandteile selbst Derivate komplexer Substanzen waren, und diese wiederum waren fast ebenso schwer zu synthetisieren. Theoretisch konnte sie zwar jeder herstellen, der die Formel kannte und zudem über hinreichende finanzielle und technologische Mittel verfügte, eine geeignete Fabrik einzurichten; in der Praxis jedoch waren die Kosten dafür astronomisch. Auch jene, die Substanz T entwickelt hatten und sie herstellten, verkauften die Droge eigentlich viel zu billig, als daß es sich für sie hätte lohnen können. Und die Verbreitung deutete darauf hin, daß es, selbst wenn nur eine Quelle existierte, ein weitverzweigtes Netz von Endfabrikationsstätten und Auslieferungsstellen geben mußte. Vielleicht befanden sich eine Reihe von Laboratorien in mehreren Schlüsselgebieten, etwa in der Nähe eines jeden größeren städtischen Drogenzentrums in Nordamerika und Europa. Warum man bisher keines dieser Laboratorien hatte entdecken können, blieb ein Rätsel. Allerdings lag die Vermutung nahe, daß die ST-Agentur – wie die Behörden die Organisation, die sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Substanz T beschäftigte, mittlerweile einfach nannte – sowohl auf örtlicher als auch auf nationaler Ebene über vorzügliche Verbindungen zu den Spitzen der höchsten Polizeibehörden verfügte – eine Tatsache, über die die Öffentlichkeit lautstark und die offiziellen Stellen etwas verklausulierter lamentierten. Zudem munkelte man, daß allzu neugierige Schnüffler, die rauchbare Fakten über die Operationen der ST-Agentur in Erfahrung brachten, entweder bald wieder die Finger von diesem heißen Eisen ließen oder aber sang- und klanglos von der Bildfläche verschwanden und nie wieder auftauchten.

Arctor hatte natürlich im Moment neben Donna noch verschiedene andere Ansatzpunkte. Er drängte auch andere Dealer dauernd dazu, ihm immer größere Mengen Stoff zu besorgen. Aber weil Donna seine Puppe war – er machte sich jedenfalls Hoffnungen in dieser Richtung –, stellte sie für ihn den brauchbarsten Ansatzpunkt dar. Donna zu besuchen, mit ihr zu telefonieren, sie auszuführen oder sie flachzulegen – das war gleichzeitig auch ein persönliches Vergnügen. Indem er sich besonders auf sie konzentrierte, wählte er in gewisser Weise den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn man schon jemanden bespitzeln und über ihn berichten mußte, dann konnten das schließlich ebensogut Leute sein, mit denen man ohnehin öfters zusammen war; das war weniger verdächtig und außerdem auch weniger umständlich. Und wenn man diese Leute noch nicht oft getroffen hatte, bevor man mit der Überwachung begann, würde man von da an sowieso intensiver mit ihnen in Kontakt treten müssen. Am Ende lief es auf das gleiche hinaus.

Fred-Arctor betrat eine Telefonzelle und wählte durch.

Klingelingeling.

»Hallo«, sagte Donna.

Alle Münzfernsprecher in der ganzen Welt waren angezapft. Und wenn irgend einer doch mal nicht angezapft war, mochten die Monteure bloß noch nicht bis dorthin vorgestoßen sein. Die abgehörten Gespräche wurden an einem zentralen Ort elektronisch gespeichert. Ungefähr jeden zweiten Tag erhielt ein Polizeibeamter einen Speicherausdruck und konnte sich nun einen Überblick über alle abgehörten Telefongespräche verschaffen, ohne überhaupt sein Büro verlassen zu müssen. Er wählte nur die Speichertrommeln an, und auf sein Signal hin spulten sie die verlangten Anrufe ab, wobei sie alle Leerstellen auf den Bändern ausließen. Die meisten Anrufe waren harmlos. Der Polizeibeamte konnte jedoch die, die nicht so harmlos waren, ziemlich schnell identifizieren. Das war seine besondere Fähigkeit. Dafür wurde er bezahlt. Und einige Beamte konnten das halt besser als ihre Kollegen.

Als Arctor und Donna jetzt miteinander sprachen, hörte niemand simultan mit. Der elektronische Mitschnitt würde frühestens am nächsten Tag zur Überprüfung abgespult werden. Wenn sie etwas eindeutig Illegales besprachen und der Überwachungsbeamte das bemerkte, würde man von ihnen Stimmabdrücke machen. Alles, was Arctor und Donna also tun mußten, war, das Gespräch so unverfänglich wie möglich zu halten. Aber auch dieser Dialog konnte immer noch als Rauschgift-Deal erkennbar sein. Hier kam ihnen aber ein gewisses regierungstypischen Effektivitätsdenken zugute: Für die Behörden lohnte es sich einfach nicht, die ganze komplizierte Prozedur mit den Stimmabdrücken und den anschließenden Nachforschungen durchzuziehen, wenn es nur um kleine Delikte ging. Davon gab es viel zu viele, die an jedem Wochentag über viel zu viele Telefone besprochen wurden. Donna und Bob Arctor wußten das natürlich. »Wie geht’s?« erkundigte er sich.

»So la la.« Ein kurzes Zögern in ihrer warmen, rauhen Stimme.

»Was macht dein Kopf heute?«

»Totale Wirrnis. Bin irgendwie down.« Pause. »Mein Boß hat mich heute morgen im Laden angefurzt.« Donna arbeitete an der Kasse einer kleinen Parfumerie in Gateside Mall in Costa Mesa. Sie fuhr jeden Morgen mit ihrem MG hin. »Stell dir mal vor, was er von mir wollte. Da war so ein Kunde, ein abgehalfteter Opa, einer von diesen Typen mit den grauen Schläfen, du kennst die Sorte ja, und der hat uns um zehn Eier beschissen. Und weißt du, was mein Chef gesagt hat? Das wär’ nur mein Fehler gewesen, und ich müßte den Schaden natürlich ersetzen. Na, jedenfalls werden mir die zehn Kröten jetzt vom Gehalt abgezogen. Und auf diese Weise bin ich zehn Kröten los, ohne überhaupt einen Scheißfehler – ‘tschuldige – gemacht zuhaben.«

Arctor sagte: »Hey, kann ich was von dir kriegen?«

Sie klang jetzt mürrisch. Als ob sie nicht wollte. Aber das war nur einer der kleinen, in diesem Geschäft üblichen Bluffs. »Wie viele – willst du? Hör mal, eigentlich –«

»Zehn«, sagte er. So, wie sie es vereinbart hatten. Eins stand für einhundert; er forderte jetzt also tausend an.