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»Wir haben zuviel von dem in uns, was das Nichtlebende vorwärts treibt. Und der Austausch – kann nicht mal jemand aufstehen und nachsehen, was mit dieser verdammten Kaffeemaschine los ist?«

Es gab eine Unterbrechung, während jemand die Kaffeemaschine untersuchte. Er saß da, starrte nach unten, wartete.

»Ich schreibe das jetzt noch mal auf. ›Wir tauschen zuviel unseres passiven Lebens gegen die äußere Wirklichkeit ein.‹«

Sie diskutierten das. Die Kaffeemaschine verstummte, und sie trotteten wie eine Herde hinüber, um sich Kaffee zu holen.

»Möchtest du nicht auch etwas Kaffee?« Eine Stimme hinter ihm, die ihn sanft berührte. »Ned? Bruce? Wie heißt er noch mal – Bruce?«

»Okay.« Er stand auf und folgte ihnen zur Kaffeemaschine. Er wartete geduldig, bis er an der Reihe war. Sie schauten ihm dabei zu, wie er Sahne und Zucker in seine Tasse tat. Sie schauten ihm dabei zu, wie er zu seinem Stuhl – demselben wie vorher – zurückkehrte; er hatte ihn sich gut gemerkt, damit er ihn auch wiederfand, um sich hinsetzen und weiter zuhören zu können. Der warme Kaffee, der Dampf, verschaffte ihm angenehme Gefühle.

»Aktivität bedeutet nicht notwendigerweise Leben. Quasare sind aktiv. Und ein Mönch, der meditiert, ist nicht unbelebt.«

Er saß da und schaute auf den leeren Becher; es war ein Porzellanbecher. Als er ihn umdrehte, entdeckte er einen Aufdruck auf dem Boden und daß die Glasur gesplittert war. Der Becher sah sehr alt aus, aber er war in Detroit hergestellt worden.

»Kreisförmige Bewegung ist die toteste Form des Universums. «

Eine andere Stimme sagte: »Es ist Zeit.«

Er wußte die Antwort darauf. Zeit ist rund.

»Richtig, wir müssen jetzt Schluß machen, aber will irgend jemand noch eine abschließende Bemerkung machen?«

»Nun, man muß dem Weg des geringsten Widerstandes folgen; das ist die Grundregel, wenn man überleben will. Man muß folgen, nicht führen.«

Eine andere, ältere Stimme sagte: »Ja, die, die folgen, überleben den Führer. Wie bei Christus. Nicht umgekehrt.«

»Wir sollten jetzt lieber essen, weil Rick neuerdings genau ab halb sechs nichts mehr ausgibt.«

»Sprecht während des Spiels darüber, nicht jetzt.«

Stühle kreischten, knarrten. Er stand ebenfalls auf, trug ganz wie die anderen seinen alten Becher zurück zum Tablett und stellte sich mit ihnen in einer langen Reihe auf. Er konnte kalte Kleidungsstücke um sich herum riechen; gute Gerüche, aber kalt. Es klingt so, als würden sie sagen, passives Leben sei gut, dachte er. Aber so etwas wie passives Leben gibt es doch gar nicht. Das ist ein Widerspruch in sich.

Er fragte sich nach dem Wesen und der Bedeutung des Lebens; vielleicht verstand er bloß noch nicht richtig, was sie meinten.

*

Ein großes Spendenpaket mit lollyhaften Kleidungsstücken war angekommen. Mehrere Leute standen mit Haufen von Kleidern auf dem Arm herum, und einige hatten sich Hemden angezogen, um sie anzuprobieren und Komplimente einzuheimsen. »Hey, Mike, du bist ja ein wahnsinnig scharfer Macker.«

In der Mitte des Foyers stand ein untersetzter, stämmiger Mann mit lockigem Haar und einem Boxergesicht; er fummelte stirnrunzelnd an seinem Gürtel herum. »Wie funktioniert denn das hier? Ich kapier’ einfach nicht, wie man ihn am Verrutschen hindert. Und warum geht er jetzt auf einmal nicht mehr auf?« Er hatte sich einen zehn Zentimeter breiten, schnallenlosen Gürtel mit Metallringen ausgesucht, wußte aber nicht, wie man die Ringe einklinken mußte. Augenzwinkernd blickte er um sich und sagte: »Ich glaube, die haben mir einen gegeben, mit dem sonst keiner klarkommen konnte.«

Bruce trat hinter ihn, griff um ihn herum und zog die Gürtelschleife zurück durch die Ringe.

»Dane«, sagte Mike. Er wühlte sich durch einen Stapel von Hawaiihemden, die Lippen geschürzt. Zu Bruce gewandt, sagte er: »Wenn ich heirate, zieh’ ich eins davon an.«

»Hübsch«, sagte er.

Mike schlenderte zur anderen Seite des Foyers hinüber, wo zwei Frauen standen; sie lächelten. Indem er sich ein weinrotes Hemd mit Blumenmuster vor die Brust hielt, sagte Mike: »Ich geh’ heut’ groß aus, in die Stadt.«

»All right, geht rein und kommt essen«, rief der Direktor des Rehabilitationszentrums anfeuernd. Seine Stimme klang so kraftvoll wie immer. Er winkte Bruce zu. »Na, wie steht’s, mein Junge?«

»Gut«, sagte Bruce.

»Klingt, als ob du dich erkältet hättest. «

»Ja«, stimmte er zu, »das kommt vom Entzug. Könnte ich nicht doch ein bißchen Dristan oder –«

»Keine Chemikalien«, sagte der Direktor des Zentrums. »Nichts. Jetzt rein mit dir, damit du was in den Magen kriegst. Was macht dein Appetit?«

»Besser«, sagte er, dem Direktor folgend. Von den Tischen aus lächelten die anderen ihn an.

*

Nach dem Essen saß er auf halber Höhe der breiten Treppe, die zum zweiten Stock führte. Keiner sprach ihn an; derzeit fand gerade eine Mitarbeiterbesprechung statt. Er saß da, bis sie zu Ende war. Alle Mitarbeiter tauchten jetzt wieder auf und strömten in die Halle.

Er spürte, daß sie ihn ansahen, und vielleicht sprachen ihn auch einige an. Er saß auf den Stufen, vornübergebeugt, die Arme um sich gelegt, und starrte und starrte. Auf den dunklen Teppich vor seinen Augen.

Jetzt keine Stimmen mehr.

»Bruce?«

Er regte sich nicht.

»Bruce?« Eine Hand berührte ihn.

Er sagte nichts.

»Bruce, komm mal mit in den Gemeinschaftsraum. Eigentlich müßtest du ja schon auf deinem Zimmer sein und im Bett liegen, aber ich möchte mit dir sprechen, hörst du?« Mit einem Wink forderte Mike ihn auf, ihm zu folgen. So begleitete er Mike die Treppe hinunter und in den Gemeinschaftsraum, der jetzt leer war. Als sie im Gemeinschaftsraum waren, schloß Mike die Tür.

Er ließ sich in einen tiefen Sessel fallen und bedeutete Bruce, sich ihm gegenüber hinzusetzen. Mike schien müde zu sein; dicke Ringe langen um seine kleinen Augen, und er rieb sich die Stirn.

»Ich bin seit halb sechs heute morgen auf den Beinen«, sagte Mike.

Ein Klopfen; die Tür ging einen Spaltbreit auf.

Mit erhobener Stimme brülle Mike: »Ich möchte nicht, daß irgendwer hier hereinkommt; wir unterhalten uns. Hört ihr?«

Gemurmel. Die Tür schloß sich.

»Weißt du, du solltest lieber dein Hemd ein paarmal am Tag wechseln«, sagte Mike. »Ist ja furchtbar, wie du schwitzt.«

Er nickte.

»Aus welcher Ecke des Staates kommst du eigentlich?«

Er sagte nichts.

»Von jetzt an kommst du zu mir, wenn’s dir so schlecht geht. Ich hab’ das gleiche durchgemacht, vor ungefähr anderthalb Jahren. Sie haben mich immer im Wagen durch die Gegend gefahren. Andere vom Personal. Hast du schon Eddie kennengelernt? Das große, dürre Handtuch, das immer alle Leute fertigmacht? Der hat mich acht Tage lang pausenlos durch die Gegend kutschiert. Hat mich nie allein gelassen.« Mike brüllte plötzlich: »Wollt ihr wohl endlich draußenbleiben? Wir sind hier drin und reden. Geht und schaut euch Fernsehen an.« Seine Stimme wurde leiser, und er blickte Bruce prüfend an. »Manchmal muß man das tun. Jemanden nie allein lassen.«

»Verstehe«, sagte Bruce.

»Bruce, paß auf, daß du dir nicht das Leben nimmst.«

»Ja, Sir«, sagte Bruce, zu Boden starrend.

»Nenn mich nicht Sir!«

Er nickte.

»Warst du bei der Armee, Bruce? Hat’s daran gelegen? Bist du deswegen auf dem Zeug hängengeblieben?«

»Nein.«

»Schießt du, oder schluckst du Tabletten?«

Er gab nicht das geringste Geräusch von sich.