Dieser Satz wurde bald zu einer Art geflügeltem Wort; wenn einer der Insassen des Samarkand House etwas nicht verstand oder etwas, das er holen sollte – etwa eine Rolle Toilettenpapier –, nicht finden konnte, dann pflegte er zu sagen: »Tja, dann komme ich wohl am besten am Donnerstag noch mal wieder.« Im allgemeinen wurde dieser Slogan ihm zugeschrieben. Sein Spruch. Wie bei den Trickfilmen im Fernsehen, in denen Woche für Woche als besonderes Erkennungszeichen die gleichen Sprüche gerissen wurden. Der Slogan verbreitete sich im Samarkand House, und alle wußten, was damit gemeint war.
Als sie sich später eines Abends beim Spiel wechselseitig für die Dinge lobten, die jeder von ihnen in die Gemeinschaft des Neuen Pfades eingebracht hatte, wie etwa neue Konzepte, da wurde er dafür gelobt, den Humor eingebracht zu haben. Er hatte die Fähigkeit mitgebracht, die Dinge als spaßig anzusehen, ganz egal, wie schlecht er sich auch fühlen mochte. Alle im Kreis klatschten, und als er überrascht aufblickte, sah er einen Ring aus lächelnden Gesichtern. Alle Augen waren voller Wärme und Einverständnis auf ihn gerichtet, und das Geräusch ihres Applauses blieb noch lange in ihm, ganz tief drinnen in seinem Herzen.
XVII
Gegen Ende August dieses Jahres, zwei Monate nachdem er in das Rehabilitationszentrum des Neuen Pfades eingeliefert worden war, wurde er auf eine therapeutische Farm im Napa Valley überstellt, das sich im Hinterland Nordkaliforniens befindet. Diese Region Kaliforniens wird auch das »Weinland« genannt, weil es dort viele fruchtbare Weinberge gibt.
Donald Abrahams, der Direktor der Neue-Pfad-Stiftung, unterzeichnete den Überstellungsbefehl. Der Vorschlag dazu war von Michael Westaway gekommen, einem Angehörigen seines Mitarbeiterstabes, der besonders daran interessiert war, herauszufinden, was für Bruce getan werden konnte. Vor allem, da das Spiel ihm nicht geholfen hatte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, mußte man sogar zugeben, daß sein Zustand durch das Spiel eher noch verschlechtert worden war.
»Dein Name ist Bruce«, sagte der Manager der Farm, als Bruce steif aus dem Wagen stieg, seinen Koffer hinter sich herschleifend.
»Mein Name ist Bruce«, sagte er.
»Wir werden jetzt mal eine Zeit lang probieren, wie du mit der Landwirtschaft klarkommst, Bruce.«
»Okay.«
»Ich glaube, es wird dir hier besser gefallen, Bruce. Viel besser.«
»Ich glaube, es wird mir hier besser gefallen«, sagte er. »Viel besser.«
Der Farmmanager blickte ihn prüfend an. »Man hat dir kürzlich einen Haarschnitt verpaßt.«
»Ja, sie haben mir einen Haarschnitt verpaßt.« Bruce hob tastend die Hand, um seinen geschorenen Kopf zu berühren.
»Warum?«
»Sie haben mir die Haare abgeschnitten, weil sie mich im Quartier der Frauen gefunden haben.«
»War das dein erster Haarschnitt?«
»Nein, das war mein zweiter.« Nach einer Pause sagte Bruce: »Einmal bin ich gewalttätig geworden.« Er stand da, den Koffer immer noch in der Hand; der Manager bedeutete ihm, ihn abzusetzen. »Ich habe die Gewaltregel gebrochen.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich habe ein Kissen geworfen.«
»Okay, Bruce«, sagte der Manager. »Komm mit, und ich zeige dir, wo du schlafen wirst. Wir haben hier kein Haupthaus; je sechs Personen haben zusammen eine kleine Hütte. Sie schlafen und kochen und wohnen da, wenn sie nicht gerade arbeiten. Hier gibt es keine Spiele-Sitzungen, nur die Arbeit. Keine weiteren Spiele mehr für dich, Bruce.«
Bruce schien das zu gefallen; ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
»Magst du Berge?« Der Farmmanager wies nach rechts. »Schau mal da hin. Berge. Kein Schnee, aber Berge. Santa Rosa liegt links; auf den Hängen da wachsen schön große Trauben. Wir bauen keine Trauben an. Verschiedene andere landwirtschaftliche Produkte, aber keine Trauben.«
»Ich mag Berge«, sagte Bruce.
»Schau sie dir an.« Der Manager wies mit der rechten Hand auf die Berge. Bruce schaute nicht hin. »Wir werden dir einen Hut besorgen«, sagte der Manager. »Ohne Hut kannst du mit deinem kahlgeschorenen Kopf nicht draußen auf den Feldern arbeiten. Geh nicht hinaus zur Arbeit, bis wir einen Hut für dich haben. Klar?«
»Ich werde nicht zur Arbeit gehen, bis ich einen Hut habe«, sagte Bruce.
»Die Luft ist gut hier«, sagte der Manager.
»Ich mag Luft«, sagte Bruce.
»Yeah«, sagte der Manager und bedeutete Bruce mit einer Handbewegung, den Koffer wieder aufzunehmen und ihm zu folgen. Er fühlte sich irgendwie gehemmt, als er Bruce anblickte; er wußte nicht, was er sagen sollte. Wenn Leute wie dieser hier ankamen, ging es ihm immer so. »Wir alle mögen die Luft, Bruce. Wirklich. Das ist uns allen gemeinsam, ja.« Er dachte: Wenigstens noch das.
»Werde ich meine Freunde wiedersehen?« fragte Bruce.
»Du meinst, die von da, wo du bisher gewesen bist? In unserer Einrichtung in Santa Ana?«
»Mike und Laura und George und Eddie und Donna und –«
»Die Leute aus den Wohnheimen kommen nicht hinaus auf die Farmen«, erläuterte der Manager. »Die Farmen sind geschlossene Einrichtungen. Aber möglicherweise kannst du ein- oder zweimal im Jahr zurückgehen. Manchmal finden Zusammenkünfte statt, zu Weihnachten und auch zu –«
Bruce war stehengeblieben.
»Die nächste«, sagte der Manager und gab ihm zugleich einen Wink, wieder weiterzugehen, »ist zu Thanksgiving.[18] Wir schicken die Arbeiter aus diesem Anlaß für zwei Tage in die Zentren zurück, aus denen sie ursprünglich zu uns gekommen sind. Dann geht’s wieder zurück nach hier, bis Weihnachten. Also wirst du deine Freunde wiedersehen. Wenn sie nicht in andere Zentren überstellt worden sind. In drei Monaten. Aber du sollst doch keine Zweierbeziehungen aufbauen – hat man dir das denn nicht erklärt? Du sollst nur einen Teil der Gesamtheit der Familie werden.«
»Das weiß ich«, sagte Bruce. »Wir mußten das alle auswendig lernen, als Teil des Glaubensbekenntnisses des Neuen Pfades.« Er spähte umher und sagte: »Kann ich einen Schluck Wasser haben?«
»Wir werden dir zeigen, wo hier die Wasserkräne sind. Du hast einen in deiner Hütte, aber es gibt auch eine gemeinschaftliche Zapfstelle für die ganze Familie.« Er führte Bruce zu einer der Hütten, die aus Fertigteilen bestanden. »Die Farmen sind geschlossene Einrichtungen, weil wir mit Neuzüchtungen und Hybriden experimentieren und vermeiden wollen, daß diese Pflanzen von Insekten befallen werden. Jeder, der hier hereinkommt – sogar Angehörige des Mitarbeiterstabes – könnte Schädlinge einschleppen, die sich in seinen Kleidern, an seinen Schuhen oder in seinen Haaren festgesetzt haben.« Er wählte nach Zufallskriterien eine Hütte aus. »Deine ist 4-G«, entschied er. »Kannst du sie dir merken?«
»Sie sehen alle gleich aus«, sagte Bruce.
»Du kannst ja irgendeinen Gegenstand an die Tür nageln, damit du sie wiedererkennst, die Hütte. Etwas, das du leicht im Gedächtnis behalten kannst. Am besten was Farbiges.« Er stieß die Tür der Hütte auf; ein Schwall heißer, abgestandener Luft quoll ihnen entgegen. »Ich denke, wir werden dich zuerst bei den Artischocken einsetzen«, überlegte er laut. »Du wirst Handschuhe tragen müssen – die haben Dornen.«
»Artischocken«, sagte Bruce.
»Zum Teufe – wir haben hier auch Pilze. Experimentelle Pilzkulturen, natürlich hermetisch eingesiegelt – jeder, der Zuchtpilze anbaut, muß seine Kulturen einsiegeln –, damit keine krankheitserregenden Sporen hereingeweht werden und die Beete verseuchen. Pilzsporen werden nämlich durch den Wind verbreitet. Das stellt ein Risiko für alle Pilzzüchter dar.«
»Pilze«, sagte Bruce und betrat die dunkle, heiße Hütte. Der Manager verfolgte ihn dabei mit seinen Blicken.
18