Выбрать главу

Langsam kam er auf Jacob zu.

Der rang nach Atem, wälzte sich auf dem Boden herum und packte den Revolver, den er bei Andersons Angriff verloren hatte. Er riß die Waffe hoch, richtete die Mündung auf Bloody Bill und zog den Hahn zurück.

»Noch einen Schritt, und ich drücke ab!«

Anderson hielt mitten in der Bewegung inne und sah seinen Gegner lauernd an.

Jacob schwitzte. Er wußte nicht, ob noch eine Patrone in der Kammer steckte. Hatte er die letzte verschossen, als er Byron Cordwainer das Leben rettete?

Aber eins war ihm klar: Er durfte Anderson seine Zweifel nicht merken lassen.

Aus seinen Augenwinkeln bemerkte Jacob einen Schatten, der auf ihn zutrat. Dann hörte er das metallische Klacken eines gespannten Revolverhahns und eine irgendwoher vertraute Stimme, die sagte: »Wen haben wir denn da? Den verfluchten Dutchman, der uns immer wieder in die Suppe spuckt!«

Der Deutsche warf einen schnellen Blick zur Seite und erspähte einen mittelgroßen jungen Burschen, der ihn aus stechenden, eigentümlich zwinkernden Augen ansah. Jesse James stand keine zehn Yards von ihm entfernt und hatte einen Revolver auf Jacob gerichtet.

»Laß die Waffe fallen, Dutch. Das ist nicht fair dem guten Bill gegenüber. Er hat schließlich nur ein Messer in der Hand, kein Schießeisen.«

»Genau«, bestätigte Bloody Bill mit einem breiten Grinsen.

»Wenn ich meine Waffe fallen lasse, knallen Sie mich doch einfach ab«, sagte Jacob zu dem jungen Guerilla.

»Vielleicht«, meinte dieser. »Ich hätte jedenfalls nicht wenig Lust dazu.«

Jacob überlegte fieberhaft, wie er sich verhalten sollte. Mit einem vermutlich leergeschossenen Revolver hatte er kaum Chancen gegen den jungen Jesse James.

Eine Gruppe ihn umringender Reiter nahm ihm die Entscheidung ab. Gegen so viele Südstaatler hatte er auch nicht den Hauch einer Chance. Entmutigt ließ er den 44er sinken.

Anderson stieß einen Schrei aus und wollte sich auf den Deutschen stürzen, als ein grauuniformierter Reiter sein Pferd zwischen die beiden trieb.

»Nicht so hitzig, Bill«, wurde der Bärtige von William Clarke Quantrill ermahnt. »Sonst bringst du den Kerl noch um!«

»Und warum sollte ich das nicht tun?« fragte ein verärgerter Anderson.

»Weil tote Gefangene so schwer dazu zu bewegen sind, den Mund aufzumachen. Und ich möchte dem Dutchman gern noch ein paar Fragen stellen.« Er blickte seine Männer an. »Fesselt in an den Wagen und laßt eine Wache hier!«

Dann sprengte Quantrill mit dem Hauptteil seiner Streitmacht die Main Street hinauf, um sein blutiges Werk zu vollenden.

*

Das große Haus der Familie Cordwainer war jetzt eine kleine Festung. Die Frauen und die beiden Kinder drängten sich in Virginias Zimmer zusammen und warteten ängstlich auf die kommenden Ereignisse. Die Männer hatten die Fenster im Obergeschoß besetzt und schon mehrmals die Angriffe der Südstaatler abgeschlagen. Doch ihre Lage wurde immer verzweifelter. Wurde vor einer halben Stunde noch an verschiedenen Stellen in der Stadt gekämpft, so schien es nun, als sei das Cordwainer-Haus das letzte Widerstandsnest. Die Schüsse in der Ferne waren verstummt, aber die auf das große weiße Haus nahmen zu. Immer mehr Guerillas verschanzten sich in den umliegenden Gebäuden und nahmen es unter Feuer.

Mit Byron Cordwainer und Hickok waren zwei weitere Männer ins Haus gekommen, Angehörige von Cordwainers Jayhawkers-Truppe: der wuchtige Hufschmied Brock Haley und der Farmarbeiter Doug Smithers. Smithers war gestorben, als ihm eine Kugel die Lunge zerfetzte. Haley war von einem Querschläger das halbe Ohr weggerissen worden.

Auch Clyde, der alte Butler, hatte eine Verwundung davongetragen, als ihm eine Kugel in die Brust gefahren war. Hatfield kümmerte sich um ihn und versuchte die Kugel herauszuholen.

Die letzten kampffähigen Männer im Haus waren Byron und Avery Cordwainer, Hickok, Haley und Martin. Sie hielten sich, so gut es ging, in Deckung, mußten sie aber hin und wieder verlassen, um die Freischärler auf Distanz zu halten.

»Was ist das?« fragte Martin, der neben Byron Cordwainer unter einem großen Fenster hockte, auf einmal. »Da ruft doch jemand!«

Die Verteidiger stellten das Feuer ein und bemerkten jetzt erst, daß auch die Guerillas nicht mehr auf sie schossen.

Statt dessen rief eine Stimme nach ihnen: »He, ihr da im Haus! Wir wollen mit euch reden!«

»Dann tut es doch!« schrie Byron Cordwainer zurück.

»Versprecht ihr, nicht auf Captain Quantrill zu schießen?«

Der Major sah fragend in die Runde.

Hickok nickte ihm zu. »Wir sollten darauf eingehen. Verhandeln heißt Zeit schinden. Vielleicht gerade die Zeit, die General Ewing braucht, um uns zu helfen.«

»Einverstanden«, rief der Major. »Wir reden mit Quantrill und krümmen ihm kein Haar.«

Kurz darauf zeigten sich zwei Reiter unten vor dem Haus. Der eine trug eine graue Uniform und saß auf einem Braunen: Quantrill. Neben ihm erschien ein Guerilla mit der schwarzen Flagge, dem Wahrzeichen von Quantrills Einheit.

»Eine weiße Fahne war ihm wohl nicht gut genug«, knurrte Byron Cordwainer.

»Wozu auch, wenn er eine eigene Flagge hat«, meinte Hickok gleichgültig.

Quantrill sah zu den oberen Fenstern herauf und fragte: »Führt bei euch ein Byron Cordwainer das Kommando?«

»Ja«, antwortete der Major.

»Warum zeigt er sich dann nicht? Hat der Anführer der berüchtigten Jayhawkers etwa Angst?«

Der Mann in der blauen Uniform wollte aufstehen, da rief Haley leise: »Nicht, Major. Das ist bestimmt eine Falle. Die verfluchten Rebellen veranstalten diesen Zirkus nur, um Sie auszuschalten.«

»Wenn es eine Falle ist, Brock, wird es auch Quantrill erwischen. Nimm ihn aufs Korn und verpaß ihm ein drittes Auge, wenn sich irgend etwas Verdächtiges tut.«

Grinsend brachte der Hufschmied mit dem am rechten Ohr blutigen Kopfverband seinen Karabiner in Anschlag und legte den Lauf aufs Fensterbrett. »Das wird mir ein Vergnügen sein, Major.«

»Aber nicht voreilig schießen«, ermahnte ihn Hickok. »Wir haben nichts davon, wenn die Schwarze Brigade wie ein hungriger Heuschreckenschwarm über das Haus herfällt.«

Byron Cordwainer lehnte sein Gewehr gegen die Wand und erhob sich, bis er in voller Größe vor dem offenen Fenster stand. »Hier bin ich, Quantrill.«

»Sie sind Cordwainer?«

»Ja, ich bin Major Cordwainer.«

»Es ist mir eine Ehre, Major«, sagte der Guerillaführer mit einem hämischen Unterton. »Sind Sie jetzt endlich bereit, meine Kapitulationsbedingungen entgegenzunehmen?«

»Was für Kapitulationsbedingungen?«

»Sie ergeben sich auf der Stelle und bleiben dafür am Leben.«

»Das sind keine Kapitulationsbedingungen, das ist eine Erpressung.«

Quantrill lachte laut und stützte sich in überlegener Zufriedenheit auf sein Sattelhorn. »Sie haben wohl kaum eine Wahl, Major.«

»Doch, die habe ich. Meine Männer und ich können weiterkämpfen!«

»Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie Frauen im Haus«, meinte Quantrill. »Wollen Sie die nicht schonen? Wenn Sie sich jetzt ergeben, werde ich die Unversehrtheit der Damen garantieren.«

»Und wenn nicht?« fragte Byron Cordwainer. »Werden sich Ihre ehrlosen Banditen dann an den Frauen vergreifen?«

»Meine Männer sind keine Banditen, sondern Soldaten!«

»Soldaten, die über wehrlose Frauen herfallen?«

»Sie vergessen die Strapazen, die hinter meinen Leuten liegen und an denen Sie nicht so ganz unschuldig sind, Major. Da ist es wohl verständlich, wenn meine Leute auch ein bißchen Spaß haben wollen.«

Hickok stand auf und stellte sich neben Cordwainer ans Fenster. »Ihre Worte wären eine Verhandlungsbasis, wenn man Ihnen trauen könnte, Quantrill. Aber Sie sind genauso ehrlos wie Ihre Männer.«