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Der stämmige Bauernsohn biß die Zähne zusammen und schaufelte eine Ladung Kohle nach der anderen in die heiße Feuerbüchse.

Der Zug mit jetzt noch acht handlungsfähigen Männern an Bord ratterte hinaus in die dunkle Prärie.

*

Zwei Stunden später

Der Zug hatte den hohen, spitzen Hancock Mountain umrundet, als die Verfolger auftauchten. In breiter Linie ritten sie von den Ausläufern des Berges und stürmten auf den Schienenstrang zu. Wieder ging ein wahrer Kugelregen auf den Zug nieder.

»Quantrill hat die Abkürzung über den Bergpaß genommen«, sagte Custis Hunter. »Jetzt hängt alles davon ab, wer schneller ist, er oder wir.«

Gespannt beobachteten die Männer im Zug die auf sie zukommenden Reiter. Die Heizer holten das Letzte aus sich heraus, um den Kesseldruck noch einmal in die Höhe zu treiben.

Der Zug fuhr durch einen kleinen Wald, weshalb die Männer an Bord Quantrills Trupp aus den Augen verloren. Sie hatten den Wald gerade hinter sich gelassen, als Jacob vor sich ein schnell näherkommendes Licht auftauchen sah. Das konnte nur eins bedeuten: Es war der Scheinwerfer eines anderen Zuges, der direkt auf sie zuraste. Wenn es Jacob nicht gelang, den Zug rechtzeitig anzuhalten, kam es zu einem katastrophalen Unfall.

Jacob hoffte, daß der andere Lokführer den Scheinwerfer ihrer Lok bemerkte. Er betätigte die Dampfpfeife und gleichzeitig den Druckregulator, um der Lok den Antriebsdampf zu nehmen. Aber wo saß die Bremse?

Verzweifelt betrachtete der Deutsche die verwirrende Anordnung der Hebel, als sich eine schwarze Hand auf einen von ihnen legte und kräftig an ihm zog. Kreischend und quietschend kam der Zug zum Stehen, während zwischen Rädern und Gleisen die Funken aufstoben. Die Männer an Bord wurden durcheinandergewirbelt wie Blätter im Herbststurm.

Als der Zug endlich stand, starrte Jacob verblüfft in Melvins Gesicht. »Woher wußten Sie, wo die Bremse sitzt?«

»Ich habe es nur vermutet. Als Kind durfte ich Custis und seinen Vater einmal auf einer Reise nach Philadelphia begleiten. Als wir mit der Bahn fuhren, ließ der Lokführer Custis und mich bei sich mitfahren. So ungefähr hatte ich die Sache noch im Kopf.«

»Na, Gott sei Dank«, murmelte Jacob und erhob sich, als etwas dicht neben seinem Kopf das linke Sichtfenster zerspringen ließ.

»Quantrill greift an!« rief Hickok aus dem vorderen Wagen. »Warum zur Hölle halten wir?«

»Deshalb!« entgegnete Jacob und zeigte nach vorn, wo der andere Zug keine zwei Lokomotivlängen vor ihnen ächzend und fauchend zum Stehen kam. Er war sehr lang und bestand sowohl aus Personen- als auch aus Güterwaggons.

Hickok ging auf der Plattform in Deckung und nahm die angreifenden Reiter unter Feuer, von denen zwei aus den Sätteln kippten. Doch immer mehr Guerillas galoppierten aus dem Wald heraus, und es sah schlecht aus für die wenigen Männer im Zug. Die Heizer zogen ihre Waffen und beteiligten sich an dem verzweifelten Abwehrkampf. Auch Jacob jagte Schuß um Schuß aus seinem Revolver.

Plötzlich krachte eine starke Gewehrsalve. Etliche Pferde überschlugen sich, wieherten verwundet auf, warfen ihre Reiter ab. Verwirrt zügelten die übrigen Guerillas ihre Tiere. Die zweite Salve trieb sie zum Wald zurück.

Aus den Waggons des anderen Zuges waren blauuniformierte Soldaten geströmt, auf Befehl ihrer Offiziere in Stellung gegangen und nahmen die Bushwackers jetzt unter starkes Feuer. Von der unerwarteten Gegenwehr geschockt, ergriffen die Freischärler die Flucht, etliche verwundete Kameraden zurücklassend.

Ein Offizier in der Uniform eines Colonels ging zum Zug aus Blue Springs und fragte: »Das eben waren wohl Quantrill und seine Mordbrenner?«

»Ganz recht, Sir«, antwortete Hickok, der vom Wagen sprang und sich vorstellte. »Mit wem haben wir die unverhoffte und lebensrettende Ehre? Und, vor allen Dingen, wie kommen Sie hierher?«

»Colonel Starret aus Kansas City«, antwortete der Offizier und salutierte. »Ein junger Bursche namens Johnny Miller kam nach einem Gewaltritt völlig abgehetzt nach Kansas City und teilte uns mit, was in Blue Springs los war. Wegen der unterbrochenen Telegrafenverbindung dachten wir uns schon, daß etwas nicht in Ordnung war. General Ewing hat mich mit einem Bataillon Kavallerie und einer Kompanie Infanterie ausgesandt, um nach dem Rechten zu sehen.«

»Der Miller-Junge hat uns also gerettet«, sagte Hickok leise und sah dann wieder den Offizier an. »Sie sollten Ihre Kavallerie schnell ausschicken, um Quantrill endgültig den Rest zu geben, Colonel.«

»Bin bereits dabei«, antwortete Starret und zeigte hinter sich.

Rampen wurden aus den Güterwaggons geschoben und darüber die Pferde aus dem Zug geführt. Der Colonel ging zu seinen Leuten, um ihnen die nötigen Befehle zu erteilen. Hickok begleitete ihn, da der Scout die genaue Stärke von Quantrills Schwarzer Brigade kannte.

Während die Kavalleristen in die Sättel stiegen, trat Custis Hunter auf die Plattform, auf der zuvor Hickok gestanden hatte, und sagte mit leiser Stimme: »Cordwainer und Sheriff Haggen sind tot«.

Byron Cordwainer, der sich um seinen schwerverletzten Bruder gekümmert hatte, stand langsam auf, und sein längliches Gesicht verzerrte sich zu einer Maske des Hasses.

»Vater. tot?« stammelte er, zog dann blitzschnell seinen Revolver und richtete ihn auf Custis. »Das ist nur deine Schuld, verdammter Sklavenschinder! Das ganze Unglück ist nur deine Schuld! Aber jetzt wirst du sterben!«

Als Jacob sah, daß Byron Cordwainer den Abzug durchzog, hob er seinen Revolver, den er noch in der Hand hielt und drückte ab. Zum genauen Zielen blieb ihm keine Zeit mehr.

Auch Byron Cordwainer schickte noch seine Kugel los, aber er krümmte sich schon, von Jacobs Geschoß getroffen, zusammen. Seine Kugel ging fehl und schlug in die Holzverkleidung des vorderen Waggons.

»Sie haben mir das Leben gerettet«, sagte Custis dankbar zu Jacob.

»Dafür habe ich ein anderes Leben ausgelöscht«, antwortete der Deutsche fast tonlos. »Ein Leben, das ich vor noch nicht vierundzwanzig Stunden vor einem Bushwacker gerettet habe.«

Er hatte sich sofort über den Major gebeugt, ihm aber nicht mehr helfen können. Jacobs Kugel war seitlich in Cordwainers Herz gedrungen. Jacob hatte das nicht gewollt, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr.

*

Colonel Starrets Kavallerie konnte das Gros von Quantrills Streitmacht nicht zur Schlacht stellen. Im Schutz der Dunkelheit setzte sich die Schwarze Brigade ab, um weiter ihren Untaten nachzugehen. Zu denen, die entkamen, zählten Quantrill selbst, Bloody Bill Andersen, George Todd, Little Archie Clement, die James-Brüder und Cole Younger. Der Texaner Jasper war unter den verwundeten Gefangenen, die den Zug verfolgt hatten, seine beiden Gefährten Morgan und Jones unter den Toten. Als die Truppen Blue Springs erreichten, war die Stadt längst von den Guerillas geräumt. Aber wenigstens waren die Einwohner gerettet und war der Anschlag auf den Geldtransport vereitelt worden.

Doc Hatfield und ein Armeearzt operierten noch in der Nacht Ellery Cordwainer, den letzten männlichen Angehörigen der mächtigen Familie, und retteten sein Leben. Custis Hunter und Melvin wurden aufgrund ihres Einsatzes für die Stadt nicht angeklagt. Custis und Virginia, die Erben der Lawrence Missouri Bank, wollten ihre Verhältnisse ordnen und dann heiraten. Virginia trauerte nicht um ihren verstorbenen Gatten; nach allem, was dieser getan hatte, konnte sie es einfach nicht.

Die überlebenden Reisenden von der PRIDE OF MISSOURI setzten ihren Weg nach Kansas City am nächsten Tag mit dem ersten regulären Zug fort, so wie sie es ursprünglich geplant hatten. Obwohl Martin und Irene alles Erdenkliche unternahmen, Jacob aufzuheitern, blieb dieser die ganze Reise über in einer gedrückten Stimmung. Er dachte an Byron Cordwainer und die Bushwackers, die unter seinen Kugeln gefallen waren. Und er dachte an Amerika. Dieses neue Land war hart und unerbittlich.