»Katie, ich glaube wirklich, daß wir über die Sache reden sollten.«
»Zu spät, mein Lieber.«
»Wenn das ein Witz sein soll, dann finde ich ihn nicht im geringsten lustig.«
»Es ist kein Witz, Owen. Ich löse hiermit unseren Kontrakt.
Die Kündigungsklausel ist ziemlich beschissen, aber so ist das Leben. Oder besser gesagt, der Tod. Dein Tod. Wehr dich nicht, und ich mach’ es schnell und schmerzlos.«
»Was immer sie dir geben – ich zahle das Doppelte.«
»Diesmal kannst du dich nicht mit deinem Geld aus der Affäre ziehen, mein Lieber. Bleib endlich stehen und laß mich tun, was ich tun muß. Du solltest wenigstens genug Anstand aufbringen, um mit Würde zu sterben.«
Owen bemerkte, daß er auf seinem Rückzug wieder an den brennenden Resten seines Bettes angekommen war, und er wich vor den lodernden Flammen zurück. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und funkelte seine Mätresse an, doch seine Nacktheit verhinderte den gewünschten Effekt.
»Katie, du glaubst doch nicht im Ernst, daß du mich in einem Kampf besiegen kannst? Ich bin immerhin der Todtsteltzer, weißt du das nicht?«
»Und ich wurde im Haus der Freuden ausgebildet. Sie lehren uns dort alle möglichen Dinge. Du würdest überrascht sein, wenn du wüßtest… Wir sind beide ein wenig außer Form, aber du hast dich mehr gehenlassen, Owen. Wenn ich dich nicht mit dem Messer erwische, dann mit der Pistole, sobald sie wieder aufgeladen ist. Sag auf Wiedersehen, mein Liebling. Es war schön mit dir; laß es uns nicht jetzt noch verderben.«
Noch während Katie redete, machte sie einen Ausfall, und das lange Messer zuckte nach dem Herzen ihres Opfers.
Owen wich im allerletzten Augenblick zur Seite aus, und die Klinge schnitt über seine Rippen, als Katie an ihm vorüberflog. Mühelos erlangte sie ihr Gleichgewicht zurück und wirbelte zu ihm herum. Owen erkannte zu seiner Bestürzung, daß sie noch nicht einmal schneller atmete. Der Schnitt über seine Rippen brannte wie Feuer, und er spürte, wie Blut an seiner Seite hinablief. Er haßte es sich einzugestehen, daß Katie in der Tat in viel besserer Verfassung war als er.
Aber der Gedanke entfachte auch eine plötzliche Wut in ihm, und als Katie erneut auf ihn zustürzte, nahm Owen endlich die Verteidigungsposition ein, die er schon die ganze Zeit hätte nutzen sollen. Sein Waffenmeister hatte Jahre damit verbracht, ihm das einzuhämmern. Katie machte einen zweiten Ausfall, und Owen wich elegant zur Seite, packte mit gleitender Bewegung ihren Arm und verdrehte ihn auf den Rücken. Ihr eigener Schwung vollendete den Griff, und sie stöhnte überrascht und schmerzerfüllt auf, als er Druck auszuüben begann. Zögernd öffneten sich ihre Finger, und das Messer polterte zu Boden. Doch Katie trat es außer Reichweite, bevor Owen auch nur daran denken konnte, sich danach zu bücken.
Plötzlich verdrehte sie sich eigenartig, befreite sich aus seinem stählernen Griff und schickte Owen zu Boden, bevor er begriff, wie ihm geschah. Er beeilte sich, wieder auf die Füße zu kommen, und blickte sich gehetzt nach dem Messer um.
Katie vollführte eine Pirouette, streckte ihr langes, schlankes Bein, und ein Fuß traf Owen fachmännisch genau über dem Ohr. Er schaffte es noch, sich wegzudrehen und dem Tritt ein wenig von seinem Schwung zu nehmen, aber er fand sich dennoch erneut auf dem Boden wieder, diesmal mit dröhnendem Schädel.
Großartig, dachte Owen, als er sich auf die Beine kämpfte.
Auf so viele Meuchelmörder habe ich mich vorbereitet, und dann muß ausgerechnet ein Schlangenmensch kommen. Nun, im Zweifelsfall improvisiere. Und wenn das auch nicht funktioniert, dann betrüge.
Katie stürmte erneut auf Owen ein, und diesmal bewegte sie sich beinahe zu schnell, als daß seine Augen ihr folgen konnten. Owen packte seine Kleider, die über einem Stuhl gehangen hatten, und warf sie Katie ins Gesicht. Für einen Augenblick war sie blind und ihr Gleichgewicht gestört, doch das war alles, was Owen benötigte, um das Messer zu packen und zwischen ihre Rippen zu stoßen. Einen langen Augenblick verharrten sie, wie sie waren; Katie auf den Beinen, Owen auf einem Knie, beide schwer atmend. Blut strömte aus Katies Wunde, und die Kleider fielen ihr aus dem Gesicht. Sie packte Owens Schultern und hielt sich verzweifelt an ihm fest, aber dann verließen sie die Kräfte, und sie sank zu Boden. Owen ließ sie niedergleiten und hielt sie zärtlich in den Armen. Katie hustete schmerzerfüllt, und Blut strömte aus ihrem Mund.
»Verdammt«, sagte sie mühsam. »Du hast mich umgebracht, Owen.«
»Ja, ich glaube, das hab’ ich. Warum, Katie? Warum
mußtest du das tun?«
»Du bist vogelfrei, Owen. Die Nachricht kam eben erst durch, als ich dir deinen Drink geholt habe. All deine Titel, deine Ländereien und Besitztümer, dein Vermögen – alles wurde beschlagnahmt. Wer dir hilft oder dich versteckt, wird mit dem Tod bestraft. Und jeder, der deinen Kopf zum Imperialen Hof auf Golgatha bringt, vorzugsweise ohne den Rest deines Körpers, wird mit der Lordschaft über Virimonde und der Hälfte deines Vermögens belohnt. Irgendwer will dich wirklich tot sehen, Owen.«
Katie räusperte sich und spuckte Blut. Owen hielt sie fest umschlungen. Vogelfrei? Er versuchte einen Sinn darin zu erkennen, aber es gelang ihm nicht. Katie hustete schmerzerfüllt und preßte die Lippen zusammen, um das Blut zurückzuhalten. Ihre Hände verkrampften sich um seine Arme, und er hielt sie, bis der Spasmus verging. Owen wußte nicht, was er sonst hätte tun sollen.
»Da ist noch etwas, das du wissen solltest, Owen.« Ihre Stimme war inzwischen leise und undeutlich geworden. Owen mußte sich stark konzentrieren, um sie noch zu verstehen.
»Ich bin eine Spionin. Vom Imperialen Hof. Sie setzten mich gezielt auf dich an, vor all den Jahren. Ich hab’ sie seither ständig mit Informationen versorgt.«
»Nur ruhig, meine Liebe. Streng dich nicht unnötig an. Ich weiß alles. Ich wußte es schon die ganze Zeit. Es ist nicht schlimm.«
Katie blickte ihn an. »Du wußtest Bescheid? Und du hast nie ein Wort gesagt?«
»Warum hätte ich etwas sagen sollen? Meine KI hat deine Tarnung auffliegen lassen, gleich nachdem du bei mir eingezogen bist. Sie ist ziemlich gut in diesen Dingen. Aber ich habe nichts unternommen, weil es einfacher war, einen Spion im Haus zu haben, den ich kannte und im Auge behalten konnte, als jedesmal aufs neue die Leute zu identifizieren und sich mit denen zu beschäftigen, die nach dir gekommen
wären. Und außerdem hatte ich viel Freude an dir.«
»Und ich hatte Freude an dir«, erwiderte sie leise. »Ich hatte nie Spaß an meinem Auftrag.«
Katie beugte sich vor, bis ihr Kopf an seiner Schulter ruhte, erschauerte leicht und hörte auf zu atmen. Owen hielt sie in den Armen, während das Leben aus ihr wich, und dann saß er schweigend da und wiegte sie wie ein schlafendes Kind. Nach einer Weile ließ er sie los und legte sie auf den Boden. Katie schien irgendwie zerbrechlicher und kleiner zu sein. Er blickte an sich herab und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als er ihr Blut und seines auf seiner Haut bemerkte. Owen nahm seinen Umhang vom Boden und wischte sich damit ab. Er begann, den Umhang überzuziehen, doch dann ließ er ihn wieder zu Boden fallen. Irgendwie war ihm im Augenblick alles egal. Das Knistern der Flammen von seinem brennenden Bett her weckte seine Aufmerksamkeit, und er dachte schwach daran, jemanden zu rufen, der sich darum kümmern würde. Owen aktivierte sein Komm-Implantat, löschte die Nicht-stören-Anordnung und rief nach der KI seines Heims.
»Ozymandius…?«
»Halt den Mund und hör mir gut zu«, antwortete die KI.
»Du steckst bis zum Hals in Schwierigkeiten. Du bist für vogelfrei erklärt worden, Owen. Auf deinen Kopf ist ein höllisches Preisgeld ausgesetzt.«