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»Wie stehen die Chancen, daß sie diesen Geheimgang finden?«

»Nicht gut. Sie stellen sich wirklich ziemlich ungeschickt an, und ich führe die Ortungsapparate in die Irre, die sie mitgebracht haben. Ich hab’ dir gleich gesagt, daß es besser gewesen wäre, wenn ich deine Sicherheitsleute ausgesucht hätte.

Diese Bande von Stümpern hat keine Ahnung, und sie werden so schnell nirgendwohin gehen. Ich habe dauernd das Gefühl, als müßte ich ›Heiß!‹ oder ›Kalt!‹ rufen, damit sie überhaupt Fortschritte machen.«

»Das wirst du schön bleiben lassen!«

»Spielverderber.«

Owen schüttelte den Kopf. »Wenn ich je herausfinde, wer diesen eigenartigen Sinn für Humor in deinen Schädel programmiert hat… ich laß ihm die Hammelbeine langziehen.

Könnten wir uns jetzt bitte auf die vor uns liegende Aufgabe konzentrieren?«

»Selbstverständlich, Owen. Du trägst noch immer den Todtsteltzer-Ring?«

»Selbstverständlich trage ich den Todtsteltzer-Ring. Ich brauche eine halbe Tube Schmiere, um das verdammte Ding von meinem Finger zu kriegen. Warum fragst du?«

»Ich habe soeben eine Datei entdeckt, die tief in meinen Erinnerungen verborgen gewesen ist und ihre Existenz nur in dem unwahrscheinlichen Fall preisgeben sollte, daß du für vogelfrei erklärt wirst. Irgend jemand hat weit vorausgedacht, obwohl seine Motive im Augenblick unklar bleiben. Offensichtlich ist der Ring äußerst wichtig. Er stellt eine Art Schlüssel dar. Der Datei zufolge sollst du damit nach Nebelwelt gehen, wo Hilfe auf dich wartet.«

»Das ist alles?« fragte Owen nach einer Weile.

»Ich fürchte ja. Aber ich denke, ich sollte darauf hinweisen, daß sich sehr wohl noch weitere Informationen in meinen Erinnerungen befinden könnten, die durch zukünftige Ereignisse freigegeben werden.«

»Das sieht meinem Vater so richtig ähnlich«, sagte Owen angewidert. »Selbst nach seinem Tod versucht er noch, mir mein Leben vorzuschreiben. Er und seine verdammten Intrigen. Nebelwelt. Was zur Hölle soll ich auf Nebelwelt? Der Planet der Gesetzlosen! Ein Ort voller Krimineller und Mörder! Die Lebensumstände sind einfach barbarisch. Ich würde nicht einmal für alles Geld der Welt dort leben wollten. Nein, Oz. Wohin auch immer ich gehen werde, auf keinen Fall nach Nebelwelt. Ich weiß, was er vorhat. Als er umgebracht wurde, sollte ich seinen Ring nehmen und Rache schwören, wie in all diesen Seifenopern, die er so geliebt hat. Zur Hölle mit ihm!

Er hat mir mein Leben nicht vorschreiben können, solange er noch lebendig war, und ich werde mich jetzt erst recht nicht nach seinen Wünschen richten. Wenn er sich mit seinen miesen politischen Intrigen in Gefahr gebracht hat und deswegen sterben mußte, nun, das war seine eigene Angelegenheit. Ich habe bessere Dinge mit meinem Leben vor. Und nicht umgebracht zu werden ist eines der wichtigsten davon.«

»Ich bin sicher, daß dein Vater nur das Beste für dich im Sinn hatte«, widersprach die KI.

»Das sagst du nur, weil er dich so programmiert hat. Er hat mich nie verstanden. Er hat es noch nicht einmal versucht. Er hat nie eingesehen, daß ich kein Krieger werden wollte.«

Eine Weile eilte Owen schweigend weiter. Es gab nichts mehr zu sagen, und außerdem benötigte er seinen Atem zum Laufen. Der Tunnel neigte sich eindeutig nach unten, aber nach so vielen Biegungen und Schleifen hatte er vollkommen die Orientierung verloren. Owen hatte den Gang noch nie zuvor benutzt und war nicht sonderlich von der Konstruktion beeindruckt. Es war kalt und feucht hier unten, die Decke hing ungemütlich tief, und es stank entsetzlich. Vermutlich hätte er genau das erwarten müssen. Man konnte schwerlich das Reinigungspersonal einmal pro Woche in seinen geheimen Fluchttunnel schicken. Owen verlangsamte seinen Schritt zu einem schnellen Gehen und atmete tief durch. Allmählich mußte er dem Ausgang näher kommen, und er wollte nicht erschöpft oder atemlos sein. Man konnte nie wissen, was einen erwartete.

»Oz? Bist du noch da?«

»Selbstverständlich, Owen. Wo sollte ich denn sonst sein?«

»Klugscheißer. Sieh mal, die ganze Geschichte ergibt einfach keinen Sinn. Selbst wenn ich für vogelfrei erklärt worden wäre, würde der Hof es nicht an die große Glocke hängen.

Selbst heutzutage, unter der Eisernen Hexe, kommt es extrem selten vor, daß ein Lord für vogelfrei erklärt wird. Und die Angelegenheit wird fast immer heimlich erledigt. Es ist nicht gut, wenn die niederen Stände Geschmack daran finden, den Adel zu töten, oder? Sie könnten auf dumme Gedanken kommen. Wir sind angeblich etwas Besonderes, weit über ihnen und unberührbar durch ihre bedeutungslosen kleinen Leben.

Man kann einen Lord nicht einfach für gesetzlos erklären. Das macht man einfach nicht.«

»Sicher hast du recht. Die Sache ist zumindest ungewöhnlich«, stimmte die KI zu. »Ich kann nur annehmen, daß die Imperatorin persönlich deinen Tod wünscht. Die Belohnung auf deinen Kopf ist beispiellos hoch. Hmmm. Ich frage mich, was sie mir für dich geben würde…?«

»Oz!«

»Nur so eine Idee. Warte mal… neue Nachrichten. Jemand versucht, in meine Programmierung einzudringen. Profis, ohne Zweifel. Sie überwinden meine äußere Verteidigung, als wäre sie gar nicht vorhanden. Sie haben verdammt starke Kodeknacker bei sich, Owen. Könnte sein, daß wir in ernsthaften Schwierigkeiten stecken.«

»Imperiale?«

»Muß so sein. Aber keine Panik, jedenfalls noch nicht im Augenblick. Ich kümmere mich jetzt schon eine ganze Weile um euch Todtsteltzer, und ich habe mit den Jahren einiges an Tricks gelernt. Einschließlich der Möglichkeit, mich ein gutes Stück dümmer zu geben, als ich in Wirklichkeit bin, während ich sie vorsichtig vom Kern meiner Identität weglocke. Zur Zeit bin ich in ihren Augen nichts als ein aufgebohrter Prozessor mit einem KI-Overlay. Und bis sie die Wahrheit herausgefunden haben, plane ich, schon lange verschwunden zu sein.

So, für den Augenblick sind meine Dateien erst mal in Sicherheit, aber je früher du mich aus der Festung herunterladen kannst, desto besser.«

»Sag mal, Oz, was haben sie eigentlich mit meinem Geldvermögen angestellt?«

»Owen, was sie mit deinem Geld getan haben, das würde ich nicht mal einem toten Hund antun. Du besitzt nur noch das, was du bei dir trägst. Nichts. Sie haben jeden Penny gelöscht, der sich einmal auf einem deiner Konten befunden hat.

Einschließlich derer, von denen sie eigentlich gar nichts wissen sollten. Sie haben all deine Ländereien und Besitztümer beschlagnahmt. Sieh mal, ich hab’ dir das doch alles bereits erzählt; hörst du mir eigentlich nicht zu oder was?«

»Halt die Klappe, Oz. Die Sache ist ernst. Ohne meine Kreditlinie bin ich so gut wie tot. Wohin ich auch gehe, ich

benötige Geld. Laß mich einen Augenblick in Ruhe nachdenken…

Die Familienjuwelen! Sie müssen ein kleines Vermögen wert sein!«

»Vergiß sie, Owen. Erstens hast du nicht die Zeit, um zurückzugehen und sie zu holen, und zweitens läßt dein Sicherheitschef dort Männer auf dich warten – für den Fall, daß du wirklich dumm genug bist, die Juwelen zu holen. Und drittens sind die Juwelen berühmt. Du würdest augenblicklich erkannt werden, wenn du versuchst, sie zu verkaufen.«

Owen verzog das Gesicht. »Ich hasse es, wenn du immer recht behalten mußt.«

Er umrundete eine Biegung des Geheimgangs und befand sich unversehens in den Höhlen unter der Festung, wo er seinen privaten Flieger versteckt hatte. Ein Disruptorstrahl brannte ein Stück der Wand weg, wo er noch einen Augenblick zuvor gestanden hatte, und steinerne Trümmer flogen durch die Luft. Owen machte einen Satz zurück in den Tunnel und fluchte unterdrückt, um dem Gegner nicht seine Position zu verraten. Er umklammerte Katies Disruptor.

»Warum hast du mich nicht gewarnt, daß hier Leute auf der Lauer liegen?« murmelte er wütend in sein Implantat.