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Hazel schüttelte den Kopf und grinste. »So also leben die oberen Zehntausend. Ich gehe runter, Todtsteltzer. Du irrst dich besser nicht mit dieser Sache.«

»Vertraut mir. Habe ich Euch je belogen?«

»Woher soll ich das wissen?«

Owen lachte still in sich hinein, während Hazel die Rettungskapsel in das Gewässer hinabfallen ließ. Sie beobachtete mißtrauisch die Sensorschirme, während das Schiff langsam tiefer ins schwarze Wasser sank; dann beugte sie sich plötzlich vor. Große Schatten waren aus dem Nichts aufgetaucht und hielten auf das Schiff zu. Sie waren Dutzende von Metern lang, und nach den Sensoren zu urteilen lebendig. Innerhalb von Sekunden hatten sie die Kapsel erreicht und umrundeten sie mit einer für derart große Kreaturen beunruhigenden Geschwindigkeit. Hazels Hände zuckten unwillkürlich nach den nicht vorhandenen Feuerkontrollen, doch die Wesen machten keinerlei Anstalten, die Kapsel anzugreifen oder sie auch nur zu verscheuchen. Wenn Hazel es nicht besser gewußt hätte, hätte sie schwören können, daß die Kreaturen die Rettungskapsel im Gegenteil nach unten eskortierten… ein Gedanke durchfuhr sie, und sie warf Owen einen schrägen Blick zu.

»Nach den Sensoren zu urteilen haben wir neuerdings eine Eskorte. Was immer es sein mag, es ist beunruhigend groß und definitiv lebendig. Was weißt du darüber?«

Ihr Gefährte lächelte müde. »Es sind Behemoths. Ich habe ein lebendes Paar im See aussetzen lassen, um die Leute davon abzuhalten, den See zu nutzen. Ich wollte nicht, daß irgendwelche Taucher über mein verborgenes Schiff stolpern.

Die örtlichen Behörden haben eine Touristenattraktion daraus gemacht. Ich hätte mir eine Gewinnbeteiligung sichern sollen.«

Hazel betrachtete ihn zweifelnd. »Warum greifen uns diese Dinger nicht an?«

»Weil sie in Wirklichkeit ziemlich harmlos sind. Sie mögen groß und häßlich sein und messerscharfe Zähne besitzen, aber sie sind scheu wie die Hölle. Sagt Buh! zu ihnen, und sie flüchten eine Meile weit. Natürlich habe ich das niemandem erzählt. Ihr müßt Euch keine Gedanken machen. Wahrscheinlich sind sie nur neugierig. Ignoriert sie einfach.«

Hazel hatte eine beißende Erwiderung auf der Zunge, doch eine aufflackernde Warnleuchte auf dem Sensorpaneel weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie hatten Owens Jacht gefunden. Hazel manövrierte die Rettungskapsel über dem anderen Schiff in Position und überließ dem Bordrechner die Kontrolle über das Andockmanöver bei der Luftschleuse der Jacht. Die Behemoths kreisten erwartungsvoll über ihnen und verschwanden nach einigen Minuten wieder in den Schwärzen des umgebenden Wassers.

Einige Zeit blieben Owen und Hazel einfach still in ihren Netzen liegen und sammelten Kräfte. Beide hatten fast all ihre Reserven aufgebraucht, um bis hierher zu gelangen, und beide hatten das Gefühl, als wäre ihnen bereits vor einiger Zeit die Energie ausgegangen. Bleierne Erschöpfung nagelte sie in die Netze. Die Versuchung war groß, einfach so liegenzubleiben und dem Streß und der Belastung der gegenwärtigen Situation in einen traumlosen Schlaf zu entfliehen. Owen erkannte schließlich, daß er sich bald in Bewegung setzen mußte, sonst würde er hier liegenbleiben und verbluten. Er mühte sich aus dem Netz und auf die Beine, dann half er Hazel unter schroffen Worten und dem Versprechen einer luxuriösen Kabine, wenn sie erst an Bord der Jacht waren. Sie benötigte eine Weile, um die Schleuse mit ihren verbrannten Händen zu öffnen, aber sie lehnte sein Angebot ab, ihr zu helfen. Dann trat sie zurück und überließ Owen die Führung. Er grinste spöttisch und stolperte auf unsicheren Füßen in Richtung der äußeren Luftschleuse der Jacht.

Owen gab den Sicherheitscode ein, und die Luke schwang auf. Er schritt hindurch, Hazel dicht auf den Fersen. Lichter flackerten auf, als das Schiff ihre Gegenwart zur Kenntnis nahm. Hazel blieb unmittelbar hinter der inneren Luke stehen und gaffte mit weit offenstehendem Mund auf den schieren Überfluß, der sich vor ihr ausbreitete. Jede Form von Annehmlichkeit und Luxus war in das Schiff eingebaut und an Bord geschafft worden, alles, von edlen Fellen auf dem Boden bis hin zu den allermodernsten Lektronengehirnen. Es gab sogar eine altmodische Bar aus poliertem Mahagoni und mit Karaffen aus Kristallglas. Owen grinste kurz, als er ihre Reaktion bemerkte, und winkte sie in den nächsten ledergepolsterten Sessel.

»Sie ist eine kleine Schönheit, nicht wahr? Fünfzig Meter lang, zehn breit, mit einer verstärkten, goldüberzogenen Hülle und allen Extras, die ich nur in den Katalogen finden konnte.

Kommt wieder zu Euch, während ich herauszufinden versuche, ob meine KI noch für mich arbeitet.«

Owen verschaffte sich über das Komm-Implantat Zugang zum Bordrechner und von dort aus zu den elektronischen Gehirnen in der Todtsteltzer-Festung und übertrug Ozymandius in den Rechner der Sonnenschreiter. Der Vorgang dauerte weniger als eine Sekunde, und Owen unterbrach die Verbindung anschließend, so schnell er konnte – nur für den Fall, daß jemand auf der Lauer liegen und versuchen würde, ihn zurückzuverfolgen. Dann endlich erklang die wohltuende Stimme der KI wieder in seinem Kopf, und Owen entspannte sich ein wenig.

»Owen, mein lieber Junge! Laß dir nie wieder soviel Zeit!

Trotzdem, ich freue mich zu sehen, daß du noch lebst. Ich fürchte, die Festung befindet sich vollständig in den Händen des Gegners und in einem schlimmen Zustand. Die Imperialen Kodeknacker sind im Augenblick mit einer leeren Hülse beschäftigt, die ich zur Ablenkung für sie dagelassen habe.

Wahrscheinlich dauert es noch eine ganze Weile, bis sie dahinterkommen; aber ich denke, es liegt in unser beider Interesse, so schnell wie möglich von diesem Planeten zu verschwinden. Wenn nicht noch schneller. Wir haben uns definitiv zu lange hier aufgehalten, und es wird allerhöchste Zeit, daß wir von hier abhauen. Ah, ich sehe, du hast eine neue Freundin. Möchtest du uns nicht bekanntmachen?«

»Hazel d’Ark«, murmelte Owen lebhaft. »Sie ist eine Gesetzlose, genau wie ich. Gib ihr eine niedrige Sicherheitsstufe, solange sie an Bord ist.«

»Wie du wünschst, Owen. Mit deiner Erlaubnis werde ich das Schiff zum Start vorbereiten.«

»Ja, mach das. Und halt die Fernsensoren bereit. Wenn sich in der Nähe des Sees irgendwer bewegt, will ich Bescheid wissen.«

»He, Todtsteltzer! Das ist vielleicht ein Schiff, das du da hast«, sagte Hazel, und Owen wandte Hazel wieder seine Aufmerksamkeit zu. Sie hing in ihrem bequemen Sessel, hielt einen Drink in der Hand und sah aus wie eine zerzauste Puppe, die jemand zu nahe am Feuer hatte liegenlassen. »Ich könnte eine ganze Grafschaft kaufen von dem, was das hier alles gekostet haben muß. Das letzte Mal habe ich einen derartigen Luxus in einem Spitzenpuff auf Loki gesehen.«

Owen zuckte zusammen. Trotzdem brachte er ein freundliches Lächeln zustande. »Freut mich, wenn es Euch gefällt.

Aber jetzt schlage ich vor, daß wir uns in den nächsten Raum begeben. Dort gibt es ein gewisses kleines Gerät, das uns beiden eine Menge Gutes tun wird.«

Hazel sah ihn mißtrauisch an. »Du redest nicht von einem Bett, oder?«

Owen mußte lachen. »Danke für Euer Interesse, aber nein.

Ich denke nicht, daß einer von uns beiden in der Verfassung dazu ist. Bitte hier entlang.«

Hazel leerte ihr Glas, ließ es auf den Teppich fallen und kämpfte sich aus ihrem Sessel. Owen wußte, daß es besser war, ihr keine Hilfe anzubieten. Sie brauchte eine Weile, aber schließlich war sie wieder auf den Beinen und schwankte nur leicht. Im hellen, gnadenlosen Licht der Jacht sah sie schlimmer aus als je zuvor. Ihre Kleidung war versengt und zerrissen, und ihre Verbrennungen waren ernst und entstellend. Die Hände waren nur noch verkohlte Klauen. Owen bot ihr seinen Arm, und sie nahm ihn, als würde sie ihm damit einen Gefallen erweisen. Er führte Hazel zur nebenan liegenden Kammer, einem schmalen, kompakten Raum, der von einem langgestreckten stählernen Zylinder beherrscht wurde; zweieinhalb Meter lang und einen Meter im Durchmesser. Hazel betrachtete den Apparat mißtrauisch. Er sah einer Körperbank beunruhigend ähnlich. »In Ordnung«, sagte sie schließlich. »Sag schon, was das ist. Ich habe keine Ahnung.«