»Eine Zellregenerationsmaschine«, erwiderte Owen selbstgefällig. »Fördert schnelle Heilung bei kleineren Verletzungen und, wenn man genügend Zeit hat, auch bei größeren.
Funktioniert nach den gleichen Prinzipien wie das Klonen menschlichen Gewebes. Der Gebrauch ist für alle, die nicht adliger Abstammung sind, bei Strafe eines schmerzvollen Todes strengstens verboten. Aber wenn Ihr es niemandem verratet, dann sage ich es auch nicht weiter. Wollt Ihr zuerst hinein?«
»Nach dir«, sagte Hazel in ihrem allerfreundlichsten Tonfall, und Owen grinste. Dann aktivierte er die notwendigen Systeme über sein Komm-Implantat. Der Zylinder teilte sich und enthüllte ein überraschend komfortables Inneres. Owen kletterte hinein, lächelte Hazel ermutigend zu und lehnte sich seufzend zurück, als der Zylinder sich über ihm schloß. Dann wurde es sehr still im Zimmer. Hazel blickte sich um. Sie mußte gegen den Drang ankämpfen, sich in den Nachbarraum zurückzustehlen und die kleinen Wertsachen in die Taschen zu stopfen. Sie hatte das starke Gefühl, daß das keine gute Idee wäre. Teilweise, weil sie damit Owens Vertrauen
mißbraucht hätte, und außerdem spürte sie, daß irgend jemand sie beobachtete. Hazel lehnte sich gegen den Zylinder, um nicht mehr so sehr zu schwanken, räusperte sich und hob die Stimme.
»Befindet sich an Bord dieses Schiffes eine KI?«
»Ja, Miss«, erwiderte Ozymandius durch einen Lautsprecher an der Decke. »Ich bin Ozymandius, zu Ihren Diensten.
Wie kann ich Euch behilflich sein?«
»Erzähl mir von Owen Todtsteltzer.«
»Er ist Oberhaupt des Todtsteltzer-Clans und Lord von Virimonde. Jedenfalls war er das, bis man ihn für vogelfrei erklärt hat. Ein guter Mann, innerhalb seiner Möglichkeiten.
Ihr könnt darauf vertrauen, daß er immer seinem Gewissen gehorcht.«
»Ziemlich ungenaue Antwort.«
»Ihr kennt Owen nicht. Er war nie eine besonders positiv eingestellte Natur. Blieb immer hinter seinen Fähigkeiten zurück, wenn Ihr versteht, was ich meine. Allerdings habe ich die begründete Hoffnung, daß die augenblickliche Situation das Beste aus ihm herausholen wird. Wenn er nicht vorher den Tod findet.«
Hazel wollte eine zynische Antwort geben, als der Zylinder sich unvermittelt wieder öffnete und sie sich mit einem Satz in Sicherheit bringen mußte, um nicht von dem aufschwingenden Deckel getroffen zu werden. Die heftige Bewegung ließ sie einen Augenblick schwindeln, aber sie hatte sich wieder in der Gewalt, bevor Owen etwas bemerken konnte. Er stand unbeschwert vor ihr, und sie mußte zugeben, daß er ein gewaltiges Stück besser aussah als zuvor. Seine Verletzungen waren ohne die kleinste Narbe verheilt, und seine gesamte Haltung schien neues Selbstvertrauen auszustrahlen. Selbst seine Kleidung war gereinigt und geflickt worden. Er lächelte vergnügt, als er ihr Staunen bemerkte.
»Hab ich’s Euch nicht gesagt? Diese Jacht hat alles an Bord, was Ihr Euch nur vorstellen könnt. Und noch ein paar Dinge, von denen Ihr nicht einmal zu träumen wagt. Steigt endlich ein, und die Maschine wird sich auch um Euch kümmern.«
Hazel war nicht sicher, ob ihr die Art und Weise gefiel, wie Owen den letzten Satz betont hatte. Aber eigentlich blieb ihr gar keine andere Wahl, und sie wußte es. Der Schock, der sie vor dem Schmerz der schlimmsten Verbrennungen bewahrt hatte, war lange vorüber. Jetzt war jede Bewegung reine Agonie, und sie bewegte sich am Rand der totalen Erschöpfung.
Hazel konnte nicht mehr widersprechen, und ganz egal, was weiter geschah – früher oder später würde sie dem Todtsteltzer vertrauen müssen. Auch wenn er ein Lord war. Sie nickte Owen steif zu und stolperte schwerfällig zu dem Zylinder. Die junge Frau legte sich in die Maschine und vertraute sich ihrem Schicksal mit einem beinahe erleichterten Gefühl an.
Als sich der Deckel des Zylinders auf sie herabsenkte, schloß sie die Augen.
»Möchtest du, daß ich einige kleine Veränderungen an der jungen Dame vornehme?« fragte Ozymandius zurückhaltend.
Owen runzelte die Stirn. »Was meinst du mit Veränderungen?«
»Nun, es gibt da einige Programme, die ich starten kann, während sie sich im Regenerator befindet. Ich könnte sie…
fügsamer machen. Ich könnte sie zum Beispiel dir gegenüber loyaler machen und verhindern, daß sie eine Waffe gegen dich erhebt. Die Programme sind ziemlich ausgereift und hinterlassen keine bleibenden Schäden. Es ist einfach eine Frage der Sicherheit, Owen. Sie ist eine Gesetzlose, vergiß das nicht.«
»Genau wie ich«, entgegnete Owen. »Du läßt sie in Ruhe, hörst du? Das ist ein Befehl.«
»Jawohl, Owen. Wie du wünschst.«
Owen wußte nicht genau, weshalb er so wütend reagiert hatte. Die KI war so programmiert, daß sie seine Interessen wahrnahm. Sie verrichtete nur ihre Arbeit. Aber Hazel hatte ihr Leben riskiert, um ihm zu Hilfe zu kommen, und sie hatte nicht wissen können, ob es ihr einen Profit einbringen würde.
Niemand hatte je so etwas für ihn getan, der nicht dafür bezahlt worden wäre, und das Gefühl, das diese Tatsache in ihm hinterließ, war mehr als ungewohnt. Bis er sich darüber Klarheit verschafft hatte, stand Hazel unter seinem Schutz. Auch vor ihm selbst, wenn es notwendig werden sollte.
»Gibt es etwas Neues von den Sensoren?« fragte er schließlich.
»Bisher nicht. Unsere Verfolger sind ganz schön verwirrt, daß wir in den See gefallen sind, Owen. Ich fange jede Menge unverschlüsselter Signale auf. Manche sagen, es sei eine Verzweiflungstat gewesen, andere reden von Selbstmord. Im Augenblick diskutieren sie heftig darüber, ob sie warten sollen, bis du wieder auftauchst, oder ob sie dir hinterherjagen sollen.«
»Laß mich wissen, wenn sie zu einer Entscheidung gekommen sind.« O wen streckte sich langsam. Der Zylinder hatte all seine physischen Verletzungen geheilt, aber mental war er noch immer völlig erschöpft. »Ich kann einfach nicht glauben, wie schnell das alles gegangen ist. Mir scheint, ich habe die einzige Erfahrung gemacht, die ein Mann, der alles hat, noch machen kann: alles wieder zu verlieren. Diese ganze Geschichte muß ein schrecklicher Irrtum sein. Ich habe nichts getan, wofür ich bestraft werden müßte. Ganz zu schweigen davon, mich für vogelfrei zu erklären.«
»Vielleicht«, begann die KI zögernd, »… vielleicht solltest du dich ergeben und anbieten, Miß d’Ark als Zeichen des guten Willens auszuliefern…?«
»Nein! Und ich will derartige Ideen nie wieder aus deinem Mund hören, Ozymandius. Außerdem… daran habe ich selbst auch schon gedacht. Aber es würde nicht funktionieren.
Sie würden sie nehmen und mich trotzdem umbringen. Ist das Schiff bereit zum Start?«
»Ja, Owen. Das Schiff ist bereit.«
Der Zylinder öffnete sich, und Hazel entstieg ihm wie ein frisch geschlüpfter Schmetterling seinem Kokon. Ihre Overalls waren geflickt worden und sahen sauberer aus, als Owen jemals für möglich gehalten hätte. Sie erlaubte Owen, ihr aus der Maschine zu helfen, und betrachtete ehrfürchtig ihre makellose Haut. »Ich kenne Leute, die ein mittleres Vermögen für den Zugang zu einem solchen Apparat ausgeben würden.«
»Vielleicht könnt Ihr einen Handel vereinbaren, wenn uns das Geld auszugehen droht«, sagte Owen lächelnd. »Und wenn Ihr mir jetzt in den Hauptraum folgen würdet? Ich denke, es ist an der Zeit, daß wir von hier verschwinden, als wäre der Teufel persönlich hinter uns her. Wenn wir erst aus dem Wasser und in Bewegung sind, dann kann uns nichts mehr auf diesem Planeten aufhalten. Oz, bring uns nach oben, und halt erst an, wenn wir im Orbit sind.«