Um Schwejksams Verstand herum baute sich ein wachsender Druck auf, als wäre sein Kopf in einem Schraubstock Seine Finger schienen plötzlich zu viele Gelenke zu besitzen, und er wagte nicht länger, seinem eigenen Körper zu vertrauen. Er biß die Zähne zusammen, schloß die Augen und versuchte, sich auf seine Mission und seine Pflicht zu konzentrieren.
Weder das eine noch das andere schienen noch besonders wichtig oder klar. Er zwang sich, die Augen erneut zu öffnen, und blickte sich verzweifelt um auf der Suche nach einem körperlichen Feind, den er erkennen und angreifen konnte – aber da war nichts, bis auf die entsetzlichen stählernen Wände und seine eigenen, sterbenden Leute. Schwejksam sah über die Schulter nach hinten und erkannte Frost, die auf die Knie gefallen war. Sie hielt noch immer Schwert und Disruptor, aber ihre Augen blickten verloren in eine ganz private Hölle.
Schwejksams Gedanken wurden mit einem Schlag wieder klar. Er packte Frost am Arm und riß sie auf die Beine, und wenn der Arm des weiblichen Investigators sich nicht wie der Arm eines Menschen anfühlte, nun, Schwejksam fühlte sich auch nicht wie ein Mensch. Er mußte aus dem Labyrinth verschwinden. Er mußte Frost aus dem Labyrinth schaffen. Er zielte mit dem Disruptor auf die nächste Wand und feuerte.
Der sengende Energiestrahl fuhr durch den Stahl, als wäre es Papier, ließ ihn zusammenschrumpfen und zur Seite kippen.
Er schob seine Waffe zurück ins Holster und griff nach Frosts Disruptor. Investigator Frost murmelte leise vor sich hin. In ihre Augen kehrte allmählich Leben zurück. Schwejksam richtete den Disruptor auf die nächste Wand, und sie fiel langsam zusammen und öffnete einen Weg. Er eilte in die Richtung zurück, aus der er das Labyrinth betreten hatte, jedenfalls so gut er sich orientieren konnte, und zog Frost am Arm hinter sich her.
Nur wenige Augenblicke später stolperte er aus dem Labyrinth, mit Frost im Arm, und Stelmach eilte herbei, um die beiden in Empfang zu nehmen. Schwejksam übergab ihm Frost. Plötzlich knickten seine Beine unter ihm weg. Er setzte sich, und jemand kauerte sich neben ihm nieder und drückte ein Hypo in seinen Nacken. Kalt zischend fuhr die Droge in seinen Kreislauf und brachte ihn wieder ein wenig zu sich.
Sein Kopf begann sich zu klären. Schwejksam erkannte, daß der Hohe Lord Dram über ihm stand und ein weiteres Hypo bereithielt, und zwang sich zurück auf die Beine. Er blickte zu Frost, die noch immer auf dem Boden saß. Stelmach hatte sich über sie gebeugt und hielt ein leeres Hypo in der Hand, während er beruhigend auf Frost einredete. Frost würde sich wahrscheinlich höllisch verlegen fühlen, wenn es ihr erst besserging, aber im Augenblick schien die Droge ihr zu helfen.
Schwejksam blickte zu Dram, der neben ihm stand.
»Wie viele haben es außer uns noch geschafft?«
»Niemand sonst«, erwiderte Dram. »Ihr beide seid die einzigen. Was ist im Labyrinth geschehen?«
Schwejksam schüttelte den Kopf und versuchte seine Gedanken in eine gewisse Ordnung zu bringen. »Eine Art ESP-Angriff. Die Leute wurden einfach verrückt. Das ganze Labyrinth ist eine einzige verdammte Falle.«
»Konnten Eure Esper Euch nicht schützen?«
»Nein. Im Gegenteil, sie waren am empfänglichsten für diesen Angriff.«
Dram nickte. »Das nächste Mal, wenn ich Euch sage, daß die Esper zurückbleiben, dann bleiben sie auch zurück, Kapitän.«
Schwejksam blickte Dram in die Augen. »Wußtet Ihr, daß das geschehen würde?«
»Nein. Aber ich hatte so einen Verdacht. Was schlagt Ihr als nächstes vor, Kapitän? Ihr habt all unsere Soldaten und Kampfesper verbraucht, doch wir müssen noch immer durch das Labyrinth hindurch, um die Rebellen einzuholen.«
Schwejksam starrte das Labyrinth an. Sein Kopf war wieder völlig klar. »Alles geht zurück an Bord der Pinasse. Der Pilot soll die Maschinen anwerfen und die Waffensysteme bereitmachen.«
Dram hob eine Augenbraue. »Wohin fliegen wir, Kapitän?
Wenn ich Euch an Eure Befehle erinnern darf und an die Dringlichkeit, mit der…?«
»Ihr müßt mich nicht erinnern«, unterbrach ihn Schwejksam. »Ich weiß, was ich tue.« Er setzte sich in Bewegung und gesellte sich zu Frost, die inzwischen ebenfalls wieder auf den Seinen stand und halbwegs bei klarem Verstand zu sein schien. Sie nickte dem Kapitän kurz zu.
»Danke, daß Ihr mich mit nach draußen genommen habt, Kapitän. Eine Weile gingen die Dinge ganz schön durcheinander. Laßt mir nur ein paar Minuten, um wieder zu Atem zu kommen, und ich bin für einen zweiten Versuch bereit.«
»Das wird nicht notwendig sein«, entgegnete Schwejksam.
»Wir werden dieses Labyrinth nicht wieder betreten. Ich habe eine bessere Idee. Und jetzt kommt mit zurück zur Pinasse.
Und bevor Ihr mich auch noch fragt: Nein, wir fliegen nirgendwo hin.«
»Sehr wohl, Kapitän. Darf ich fragen, wer mir so nett und beruhigend zugeredet hat, während ich auf dem Boden lag?«
»Kühnhold Stelmach, wenn es Euch interessiert.«
»Ah. Ich muß ihm wirklich meinen Dank aussprechen, wenn ich Zeit finde. Und ihm klarmachen, daß er ein toter Mann ist, wenn er auch nur ein Sterbenswörtchen erzählt.«
Sie blickte Schwejksam fest in die Augen. »Wir sind die einzigen Überlebenden, oder?«
»Ja. Die anderen sind alle tot. Wenn sie Glück gehabt haben.«
Frost nickte langsam. »Das wird wieder einer von diesen Tagen, kann ich Euch sagen.«
Es dauerte nicht lange, bis sie durch den Wald des Wolflings zurückgekehrt und bei der Pinasse angekommen waren. Die Unerschrocken hatte mit ihren Disruptorbatterien einen Weg durch die gefrorene Atmosphäre und die Planetenoberfläche bis hinunter in die versteckten Höhlen der Wolflingswelt geschossen, und anschließend war es nur noch ein Kinderspiel gewesen, mit der Pinasse durch den neugeschaffenen Tunnel in die alten Kavernen zu fliegen. Schwejksam führte den Rest seiner Truppen durch den Wald zu der Stelle, wo die Pinasse wartend lag, und ließ alle an Bord gehen. Das lange, schlanke Beiboot war bereits startklar, alle Systeme einsatzbereit, und Schwejksam verspürte eine grimmige Befriedigung, als er dem Piloten befahl, das Schiff langsam in Bewegung zu setzen.
Die Maschinen der Pinasse flüsterten drohend, als sie sich wenige Zentimeter über den Boden hob und dann Meter um Meter voranschwebte. Schwejksam hatte im Kommandantensitz auf der Brücke Platz genommen und blickte unverwandt auf den großen Bildschirm, der ganz von dem dunklen, ehrfurchtgebietenden Wald der Wolflingswelt ausgefüllt wurde.
Schwejksam betrachtete den Wald lange Zeit, dann übernahm er persönlich die Kontrolle über die Waffensysteme des Beibootes und brannte einen Weg mitten durch das Gehölz. Die meisten Bäume verschwanden im gleichen Augenblick, als die aus allerkürzester Distanz abgefeuerten Strahlen der schweren Disruptorgeschütze auftrafen. Langsam und gleichmütig glitt die Pinasse voran, immer nur wenige Meter über der versengten Erde. Ein paar brennende Stämme standen noch an den Rändern der breiten Schneise, die sich jetzt durch den Wald zog, aber nichts mehr blockierte den Weg zwischen der Pinasse und dem Labyrinth des Wahnsinns.
Schwejksam steuerte das Schiff bis zum Rand des Labyrinths, nur wenige Meter vor den ersten glänzenden Stahlwänden, und ließ es dort in der Luft anhalten. Das Labyrinth, in sich das Blut und die Geister von Schwejksams ermordeten Männern, schien seinen Blick schweigend und arrogant zu erwidern. Der Kapitän lehnte sich in seinem Sitz zurück und grinste kalt. Frost stand schweigend neben ihm, wie immer.
Schwejksams Hand bewegte sich zu den Feuerkontrollen. Es mochte zu spät sein, um das Leben seiner Männer zu retten, aber es war nicht zu spät für Rache. Die Imperialen Wissenschaftler würden angesichts des Verlustes dieses bedeutsamen fremdrassigen Artefakts vor Wut toben, doch Schwejksam gab einen verdammten Dreck auf die Imperialen Wissenschaftler und ihre Meinung. Er grinste erneut und eröffnete das Feuer.