Mond fühlte sich schnell und stark und beinahe allmächtig, und nicht die kleinste Spur von Schmerz oder Müdigkeit behinderte ihn, doch er wußte, daß das nur eine Illusion war. Er leerte seine allerletzten Energievorräte mit viel zu hoher Geschwindigkeit. Es war nicht ungefährlich, weiter auf diesem Energieniveau zu bleiben. Wenn er den Kampf nicht bald beenden konnte, würde er einfach ausbrennen und seinem Gegner auch noch die Arbeit abnehmen, ihn zu töten. Im Zweifelsfall muß man eben zu einem Trick greifen.
Mond konzentrierte sich, und der in seinem Unterarm verborgene Disruptor trat aus dem verborgenen Schlitz im Handgelenk. Die Kreatur schien irgendwie zu ahnen, daß etwas nicht stimmte, und wich zurück. Mond grinste kalt und betätigte mit einem Gedankenimpuls den Auslöser. Die sengende Energie fraß ein Loch in die Eingeweide des Wesens und trat auf der Rückseite wieder aus. Mond schoß im gleichen Augenblick vor, um seinen vermeintlichen Vorteil auszunutzen, doch unglaublicherweise zuckte die Kreatur nicht einmal zusammen. Ihre Klauenhände schnappten zu und rissen Mond den linken Arm aus der Schulter.
Der Hadenmann stolperte zurück. Dunkles Blut schoß aus der schweren Wunde an seiner Schulter, doch sein aufgerüsteter Körper war schon dabei die durchtrennten Blutgefäße zu versiegeln, und er nutzte das implantierte Stahlgewebe unter seiner Haut, um die Wunde zu kauterisieren. Mond spürte die Schmerzen und den Schock, aber nur ganz schwach, wie aus weiter Ferne. Er besaß noch immer die volle Kontrolle über seinen Körper. Aber er war ja schließlich auch ein Hadenmann.
Die Kreatur untersuchte den zuckenden Arm in ihrer Hand und biß wild in den Muskel. Die mächtigen Kiefer mit den viel zu zahlreichen Zähnen rissen ein großes Stück Fleisch heraus, und das Wesen kaute genußvoll darauf herum. Mond warf aus den Augenwinkeln einen Blick auf das Kontrollpaneel hinter sich. Er hatte die Routinen schon beinahe beendet, die den Aufweckprozeß in Gang setzten, als das Wesen gekommen war und ihn unterbrochen hatte. Nur noch ein paar letzte Kodes, und sein Volk wäre frei und würde ihn retten.
Aber er wußte, wenn er sich auch nur den Bruchteil eines Augenblicks abwandte, würde die Kreatur ihn erneut anspringen.
Seine Energievorräte waren beinahe erschöpft, und die Wunde hatte ihn ziemlich viel gekostet. Er mußte den Kampf gewinnen, und zwar jetzt, solange er noch konnte.
Mond stürzte vor. Seine erweiterten Sinnesorgane sorgten automatisch dafür, daß der Verlust an Gleichgewicht, den seine schwere Verwundung verursachte, wieder ausgeglichen wurde. Die Kreatur warf den zur Hälfte gefressenen Arm beiseite und stemmte sich dem Hadenmann entgegen. Mond duckte sich unter den ausgestreckten Klauen hindurch und packte mit seiner verbliebenen Faust in das Loch im Unterleib der Kreatur. Sie zuckte spastisch, als Monds Hand auf der Suche nach einem lebenswichtigen Organ tief in ihren Eingeweiden wühlte. Jetzt tat er ihr weh, das wußte er. Und dann schloß sich das Loch in ihrem Unterleib um sein Handgelenk und hielt es mit eisernem Griff!
Mond blickte hoch in das grinsende Gesicht seines Gegners, in das aufgerissene Maul und die blutroten Augen, und mit der ruhigen und kalten Gewißheit des Hadenmann-Gehirns wurde ihm klar, daß er einen schweren Fehler begangen hatte.
Mit unbarmherziger Kraft packte die Kreatur Monds Kopf und riß ihn von den Schultern.
Der Körper des Hadenmanns zuckte konvulsivisch. Blut sprudelte aus der großen, ausgefransten Wunde zwischen den Schultern. Dann brach er zusammen, die Hand noch immer tief in den Eingeweiden des Extraterrestriers. Das Wesen hob Monds Kopf vor sein Gesicht und grinste in die brechenden goldenen Augen des Hadenmanns, dann warf es den Kopf in hohem Bogen weg. Er prallte auf den Boden, rollte noch ein Stück weiter und blieb neben dem Kontrollpaneel liegen, das den Eingang zur Gruft verschloß. In den letzten wenigen Augenblicken, in denen Monds Gehirn noch funktionierte, beobachtete der Kopf mit kaltem, verzweifeltem Haß, wie das Wesen seinen Körper zu fressen begann. Dann wurde es dunkel, und zusammen mit der letzten Energie in den Kristallspeichern erloschen seine Gedanken.
Giles Todtsteltzer und der Mann, der als der Hohe Lord Dram bekannt war, trafen in der Mitte der Schlacht aufeinander. Auf Drams Signal hin zogen sich die Wampyre ein Stück zurück und machten ihrem Herrn Platz. Giles’ Klinge war über und über mit Blut besudelt, während die von Dram noch makellos schimmerte. Der Lord hatte sich bisher aus den Kämpfen herausgehalten und auf den geeignetsten Augenblick zum Eingreifen gewartet. Giles stand da und war von toten Körpern umrundet, Marinetechnikern und Wampyren gleichermaßen.
Aus ihren weitklaffenden Wunden strömte noch immer Blut und tränkte den Boden. Der Erste Todtsteltzer grinste, als er Dram erblickte, und wischte das Blut von seiner Waffe.
»Ich hätte wissen müssen, daß ich dich hier treffe. Du bist immer dabei, wenn es blutig wird, wie? Wenigstens das hast du von mir gelernt. Du siehst gut aus, Sohn.«
»Ich achte eben auf mein Äußeres«, erwiderte Dram. »Ich hatte eine Menge Zeit zum Üben, während du im gesamten Imperium herumgekommen bist und den Obersten Krieger gespielt hast. Und weil du nicht da warst und deinen Vaterpflichten nachgekommen bist, beschäftigte ich mich eben damit, das große Spiel von Intrigen und Politik am Imperialen Hof zu studieren, all die Verschwörungen und geheimen Pläne und Machenschaften, mit denen du nie etwas zu tun haben wolltest. Genausowenig wie mit mir. Und jetzt bin ich all das geworden, was du immer gehaßt hast, Vater. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr mir bei diesem Gedanken warm ums Herz wird.«
»Du warst schon als Kind nicht ganz normal«, sagte der alte Todtsteltzer. »Du hast deiner Mutter das Herz gebrochen, und du hättest auch meines gebrochen, wenn ich es zugelassen hätte. Lange Zeit dachte ich, du wärst tot. Ich habe dem Attentäter schließlich eine Menge Geld bezahlt. Aber ich habe nie deine Leiche gesehen. Ich nehme an, du hast die Jahre in Stasis verschlafen, genau wie ich?«
»O ja, Vater. Ich wollte dabeisein, wenn du eines Tages wieder auftauchen würdest. Die Imperatorin Löwenstein fand und weckte mich, und die letzten Jahre verbrachte ich damit, mir jede Ehre und jedes Amt anzueignen, die du jemals besessen hast, und noch mehr. Es war sehr amüsant. Ich bin jetzt der Oberste Krieger und der offizielle Gemahl der Herrscherin, und eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, werde ich selbst der Imperator sein. Und das Imperium, bei dessen Gründung du so fleißig geholfen und an das du so inbrünstig geglaubt hast, wird vor mir niederknien und mich fürchten.
Aber mach dir keine Sorgen, Vater, ich werde dich nicht vergessen. Ich werde deinen Kopf in einem Glaskasten direkt neben meinem Thron aufbewahren, damit ich dich jeden Tag sehen und mich amüsieren kann.«
»Du hast schon immer zuviel geredet«, entgegnete Giles.
»Willst du mich vielleicht totquatschen, oder wollen wir jetzt kämpfen?«
»Oh, wir werden kämpfen, Vater, keine Sorge. Ich warte schon so lange auf diesen Augenblick. Und mach dir keine falschen Hoffnungen; wenn es danach aussieht, als könntest du mich besiegen, werden meine Leute eingreifen und dich töten. Sterben wirst du auf jeden Fall.«
»Du hattest noch nie eine Spur Ehre im Leib.«
»Dafür hattest du immer zuviel. Zeit zu sterben, alter Mann. Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen.«
Beinahe im gleichen Augenblick stießen sie zusammen: Klingenblitzen, Angriff, Parade, und wieder vom Gegner weg, schneller, als irgendein menschliches Auge hätte sehen können. Funken stoben, wo die Klingen sich kreuzten, und die Luft war erfüllt vom Klirren von Stahl auf Stahl. Die Kämpfenden stampften zurück und wieder vor, stöhnten wegen der Wucht ihrer Schläge, und langsam, Fuß um Fuß wurde Giles zurückgetrieben. Er hatte bereits genügend Wunden, um jeden geringeren Mann zu töten, und Dram war frisch und ausgeruht und ein ganzes Stück jünger. Sie kämpften weiter und weiter und vergaßen völlig ihre Umgebung, zwei unversöhnliche Seiten einer Blutfehde, die vor über neunhundert Jahren begonnen hatte.