»Jawohl, Owen.«
»Und dann?« wollte Hazel wissen, während sie ihm in den Hauptraum folgte.
Owen zuckte die Schultern. »Ich hatte eigentlich gehofft, daß Ihr einige Ideen habt. Ich bin nämlich neu im Ganovengeschäft. Wohin können wir gehen, wo ich in Sicherheit bin vor der Sorte Leute, die mich verfolgen? Und bevor Ihr etwas sagt
– nein, ich bin nicht daran interessiert, mich irgendeiner Rebellengruppe anzuschließen, die gegen das Imperium kämpft.
Ich stehe dem Eisernen Thron und dem Imperium noch immer loyal gegenüber, wenn auch nicht der Imperatorin.«
»Nett gesagt«, fiel Ozymandius ein.
»Es gibt nur einen Ort, zu dem wir gehen können«, erwiderte Hazel. » Nebelwelt. Der Rebellenplanet. Aber das ist eine Einbahnstraße. Du bist in Sicherheit, aber niemand verläßt den Planeten jemals wieder.«
» Nebelwelt. Ich hätte es wissen müssen«, murmelte Owen vor sich hin. Hazel blickte ihn fragend an, doch er schüttelte den Kopf. »Fragt mich nicht. Also gut. Da uns nichts Besseres einfällt, gehen wir halt nach Nebelwelt. Oz, setz die Koordinaten. Laß mich wissen, wenn wir bereit sind zum Sprung.«
»Jawohl, Owen. Wir haben soeben den Orbit erreicht.«
»Was? Schon?« fragte Hazel verblüfft. »Ich habe nicht einmal gewußt, daß wir gestartet sind!«
»Habe ich Euch nicht gesagt, daß diese Jacht etwas Besonderes ist?« fragte Owen selbstgefällig. »Oz, zeig uns auf dem Hauptschirm, was draußen los ist.«
Eine der Wände verwandelte sich in einen Bildschirm und zeigte weit unten Virimonde sowie einen Imperialen Sternenkreuzer, der geradewegs auf sie zukam. Während sie noch hinblickten, fiel hinter dem ersten Schiff ein zweites aus dem Hyperraum.
»Zwei Sternenkreuzer?« sagte Owen und blickte ungläubig auf den Schirm. »Sie haben zwei verdammte Sternenkreuzer geschickt, um mich zu fassen? Ich glaub’, ich spinne! Verdammt!«
»Möglicherweise hat es auch etwas mit mir zu tun«, sagte Hazel zögernd. »Mein letztes Schiff hat einen Sternenkreuzer gerammt, gleich nachdem ich in der Rettungskapsel geflüchtet bin. Ich nehme an, er hat einen Notruf abgesetzt, während er abstürzte.«
»Na, dann gute Nacht«, sagte Owen. »Gibt es noch mehr unangenehme Überraschungen, von denen ich nichts weiß?
Nein, erzählt mir nichts. Oz, Schilde hoch und in den Hyperraum, sobald die Energieniveaus stabil sind. Ich habe keine Ahnung, warum sie noch nicht auf uns feuern…«
»Ich nehme an, sie sind übervorsichtig, nachdem sie bereits ein Schiff verloren haben«, erklärte die KI. »Das geschieht nicht alle Tage. Sie versuchen, mit uns Kontakt aufzunehmen.
Soll ich mit ihnen reden?«
»Es kann nicht schaden. Lüg ihnen was vor.«
»Dieses Schiff hat überhaupt keine Chance gegen die Feuerkraft von zwei Imperialen Sternenkreuzern!« stöhnte Hazel.
»Und es gibt keine Möglichkeit für uns zu fliehen, bevor sie feuern.«
»Nicht unbedingt«, widersprach Owen. »Die Sonnenschreiter besitzt einen vollkommen neuartigen Hyperraumantrieb.
Sehr stark und sehr schnell.«
»Warum habe ich nur das Gefühl, daß jetzt ein ›aber‹
kommt?«
»Aber… der Antrieb ist noch nicht ganz… äh, serienreif.
Bisher hatte niemand die Gelegenheit, das Schiff auszutesten, und die Möglichkeit gewisser Systemfehler besteht. Ich hatte immer geplant, einen ausgedehnten Erprobungsflug mit der Sonnenschreiter zu unternehmen, aber jedesmal kam etwas dazwischen, und ich fand nie die Zeit. Und dann glitten mir die Dinge aus der Hand.«
»Großartig«, brummte Hazel. »Einfach großartig. Wenn ich noch irgendwas in meinem Magen hätte, dann müßte ich jetzt bestimmt kotzen.«
»Alle Systeme bereit, Owen«, meldete sich die KI. »Oder zumindest so bereit, wie sie es jemals sein werden. Die Maschinen sind hochgefahren und alle Überprüfungen durchgeführt. Ich lüge den Sternenkreuzern die Taschen voll, aber ich glaube nicht, daß sie in der Stimmung sind, mir noch lange zuzuhören. Beide Schiffe sind inzwischen auf Schußweite herangekommen. Es wird Zeit zu verschwinden, Owen. Hier gibt es nichts mehr, das uns noch hält.«
Der Sichtschirm füllte sich mit blendendem Licht, als die beiden Imperialen Sternenkreuzer unvermittelt das Feuer auf die Sonnenschreiter eröffneten. Owen und Hazel zuckten instinktiv zusammen.
»Bring uns von hier weg, Oz!« befahl Owen. »Auf nach Nebelwelt.«
»Der gütige Himmel sei uns gnädig«, murmelte Hazel.
»Weil wir nämlich alles Glück der Welt brauchen werden.«
Die Sonnenschreiter sprang in den Hyperraum und war verschwunden. Die Sternenkreuzer kreisten allein im Orbit von Virimonde.
KAPITEL DREI
MODE, PARANOIA UND ELFEN
Der Imperiale Palast lag tief im verrotteten Herzen von Golgatha, der Heimatwelt des Imperiums: ein Inbegriff von Konzentration an Macht und Bestimmung. Er lag weitab und verborgen tief unter der Oberfläche, wo er seine Energie aus geothermischen Quellen zapfte; so tief, daß selbst ein Vernichtungsschlag der gesamten Flotte ihn nicht erreichen konnte.
Über dem Palast standen die zarten Türme und empfindlichen Städte der Elite, der Reichen und Edlen. Unterhalb des Palastes lag, wie eine Krebsgeschwulst in einer Rosenblüte, ein massiver Stahlbunker von zweieinhalb Kilometern Länge und einem Kilometer Breite: Das Heim und die Festung ihrer Imperialen Majestät Löwenstein XIV. Und in diesem Bunker befand sich, von allerneuester Technik überwacht und kontrolliert, ein Hof aus glänzendem Stahl und Messing, an dem sich das gesamte Imperium versammelte, um seine Regentin zu ehren.
Löwenstein XIV., die Personifizierung von Ehrenhaftigkeit und Pflichtbewußtsein, von Gesetz und Gerechtigkeit, deren Flüstern lauter erklang als selbst der Donner – und das mit Sicherheit viel weiter reichte.
Löwenstein XIV., die Vollkommene. Die Göttliche, Verehrte und Bewunderte. Auch Eiserne Hexe genannt.
Ihre Privatgemächer bildeten das Zentrum des Bunkers, umgeben von Schutzeinrichtungen und Wachen, von denen einige niemals schliefen. Die Regentin besaß viele Feinde, und das gefiel ihr so. Liebe verging, und Loyalität wandelte sich, Furcht aber blieb. Löwenstein war die jüngste aus einer langen Reihe von Herrschern, doch sie hatte keineswegs die Absicht, die letzte zu sein. Ihre Privatgemächer, der einzige Ort, an dem sie sie selbst sein konnte, quollen schier über von Seide und Blumen Hunderter verschiedener Welten in Hunderten verschiedener Farben. Die Luft war schwanger mit subtilen und prachtvollen Düften (die mindestens ebenso tödlich waren, es sei denn, man war immunisiert worden).
Inmitten all dieser Herrlichkeit saß Löwenstein vor ihrem Toilettenschrank und starrte in einen Spiegel, der die gesamte Wand bedeckte. Ihre chirurgisch manipulierten Dienstmägde bewegten sich mit schweigender Grazie wie Schmetterlinge und kleideten ihre Herrscherin in die Rüstung und die Pelze und die Pracht, die für einen formellen Auftritt am Hof unabdingbar waren. Löwenstein schnitt ihrem Spiegelbild an der Wand eine Grimasse. Sie hatte unbegrenzte Macht über so viele Dinge, aber ausgerechnet Tradition gehörte nicht dazu.
Also erduldete sie, daß ihre Mägde sie in die offiziellen Roben und Farben hüllten, und sie schlug und trat und kratzte nach den jungen Frauen, wenn sie ihr in den Weg kamen (oder wenn ihr einfach danach zumute war), und bewunderte im übrigen ihr vollkommen geschnittenes Gesicht im Spiegel.
Löwenstein XIV. war groß und schlank. Sie überragte ihre Dienstmägde um gut einen Kopf und mehr. Ihr Gesicht war blaß, wie es der augenblicklichen Mode entsprach, aber ohne die üblichen, von der gleichen Mode diktierten farbenfrohen Kleckse. Löwenstein XIV. besaß wenig Geschmack und noch weniger Urteilsvermögen, aber sie gab einen Dreck darauf.