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Sommer-Eiland schüttelte bedächtig den Kopf. »Ihr verkörpert alles, was ich an diesem Hof verabscheue, und ich gehöre zu der Sorte Mensch, die Ihr während Eurer langen Laufbahn als Mörder und Doppelagent zertrampelt habt. Was haben wir gemeinsam?«

Erneut brach Feldglöck in schallendes Gelächter aus. »Tote Feinde, und das ist eigentlich schon alles. Wir haben einfach jeden überlebt, der je versucht hat, uns zu töten. Wir haben Herrscher kommen und gehen sehn, und wir waren Zeugen, wie sich das Imperium immer weiter ausdehnte. Politische Gruppierungen sind entstanden und vergangen, Geschäfte blühten und sind verwelkt, aber wir sind noch immer da, unvergleichlich und unaufhaltsam. Mit wem sonst könnten wir uns schon unterhalten, wer hat gesehen, was wir gesehen haben, gekämpft, wo wir gekämpft haben? Ich persönlich mag Euch, weil Ihr nicht auf das Gewäsch von anderen hört. Ganz besonders nicht auf mein eigenes. Und Ihr, Ihr schätzt es, die Wahrheit zu hören, selbst wenn es Euch nicht gefällt, was sie Euch verrät. Und Ihr wißt, woran Ihr mit mir seid, Roderick.«

Sommer-Eiland lächelte knapp. »Ihr habt schon immer zu viel geredet, Crawford. Was machen Eure Söhne?«

»Sind wie Schmerzen im Hintern, wie immer. Wenigstens haben inzwischen alle geheiratet und sind mit der Produktion von Enkeln beschäftigt. Ansonsten sind sie zu verdammt überhaupt nichts nutze. Ich könnte schwören, daß Finlay sich durch schieren Überfluß an Mode umzubringen versucht.

Oder vielleicht will er ein Märtyrer werden. Manchmal wünsche ich mir, daß er endlich Erfolg damit haben möge, damit ich mich nicht mehr laufend über ihn aufregen muß. Wenn er nicht mein Ältester wäre, hätte ich ihn schon längst im Schlaf erstickt. Sechs Jungen hatte ich vor ihm, alles gute, tüchtige Söhne, aber alle starben bei Duellen, durch Verrat oder irgendwelche politischen Gründe. Sie sind tot und haben mich mit Finlay als Erben zurückgelassen. Wenn der Gentest nicht eindeutig bewiesen hätte, daß er mein eigenes Fleisch und Blut ist, hätte ich schwören können, daß seine Mutter mir Hörner aufgesetzt hat. Und die anderen Söhne sind noch schlimmer, könnt Ihr Euch das vorstellen? Ich muß krank gewesen sein, als ich diese Bastarde zeugte. Wenigstens hat Finlay meinen Verstand geerbt, auch wenn er kaum davon Gebrauch macht.«

Feldglöck unterbrach seinen Redeschwall und blickte Sommer-Eiland unglücklich an. Seine Stimme senkte sich zu einem schroffen Flüstern. »Ich habe vom Tod Eures Sohnes gehört. Er hätte sich nie zu diesem Duell herausfordern lassen dürfen. Er hatte nicht die Spur einer Chance.«

»Nein, das hatte er nicht«, stimmte der alte Sommer-Eiland zu. »Aber ihm blieb keine andere Wahl. Es war eine Frage der Ehre.«

»Ihr habt meine Frage noch immer nicht beantwortet«, hakte Feldglöck nach und wechselte das Thema mit soviel Takt, wie er jemals aufzubringen imstande war. »Was hat Euch nach all den Jahren Eures selbstauferlegten Exils zurück an den Imperialen Hof geführt?«

»Ihre Majestät hat mich mit einer handgeschriebenen Einladung einbestellt. Sie schrieb, daß sie mir unbedingt jemanden vorstellen möchte. Wie hätte ich da nein sagen können?«

»Ich hätte abgelehnt. Wenn die Löwenstein erst einmal ein persönliches Interesse an einem findet, dann wird es Zeit, den Namen zu ändern und sich in Richtung auf den Rand hin zu verziehen«, brummte Feldglöck nachdenklich. »Was will die Eiserne Hexe nur von Euch?«

»Davon hat sie nichts geschrieben. Nur, daß meine Anwesenheit bei dieser Audienz erforderlich sei. Aber es spielt keine Rolle. Meine Frau ist tot, genau wie all meine Söhne. Nur mein Enkel Kit ist mir geblieben, und wir… wir verstehen uns einfach nicht. Ich bin zu alt, um mich einschüchtern zu lassen. Also, da bin ich, ein loyaler Untertan Ihrer Majestät.«

Feldglöcks neuerlicher Lachanfall ließ einige Köpfe herumfahren, doch sie wandten sich rasch wieder ab. Der freie Raum rund um ihn und Sommer-Eiland wurde größer. »Eure Loyalität hat immer dem Thron gegolten, ganz gleich, wer gerade darauf saß. Ich glaube nicht, daß Ihr passende Worte für die Löwenstein gefunden hättet, seit sie im zarten Alter von sechs Jahren ihr Kindermädchen erstochen hat.«

»Oh, das würde ich nicht sagen«, erwiderte Sommer-Eiland.

»Ich habe sehr passende Worte für die Löwenstein. Aber ich bin viel zu sehr Ehrenmann, um diese Worte zu benutzen.«

Geduldig wartete er auf das Ende von Feldglöcks Lachanfall.

»Es fiel mir bereits schwer, ihren Vater zu mögen, geschweige denn ihm zu folgen. Aber ich hatte keinen Augenblick lang Zweifel, daß er zum Wohl des Imperiums handelte. Aber die Eiserne Hexe schert sich um nichts und niemanden außer sich selbst. Sie ist ein verzogenes Balg, und das war sie schon immer. Was bei der königlichen Brut zugegebenermaßen nicht ganz unüblich ist. Wenn wenigstens eine Spur von Pflichtgefühl hinzukommt, dann ist es erträglich. Ihr und ich, Crawford, wir beide haben bereits eine Menge königlicher Hintern auf dem Thron gesehen, aber bei Löwenstein fürchte ich ernsthaft um den Bestand des Imperiums.«

»Verschwindet von hier, Roderick«, murmelte Feldglöck leise. »Was auch immer die Eiserne Hexe mitzuteilen hat –

ich denke nicht, daß einer von uns beiden es hören möchte.

Sie führt bestimmt nichts Gutes im Schilde. Verschwindet jetzt, solange Ihr noch könnt.«

»Und wohin soll ich Eurer Meinung nach gehen?« erwiderte Sommer-Eiland ruhig. »Wohin könnte ich gehen, wo mich die Bluthunde ihrer Majestät nicht früher oder später aufspüren würden? Nein. Ich bin nie vor einem Feind davongerannt, und so soll es auch bleiben. Sie hat mich herbestellt, um mich zu töten. Ich weiß es selbst. Aber ich werde meine Tage in Würde beenden, als loyaler Untertan meines Monarchen – selbst dann, wenn dieser Monarch nicht das Schwarze unter dem Nagel wert ist.«

»Sehr schön gesagt«, schnarrte Feldglöck. »Wird sich

großartig auf Eurem Grabstein machen. Warum wollt Ihr es der Eisernen Hexe so leicht machen?«

»Man nennt es Pflicht, Crawford. Ihr müßt doch schon einmal davon gehört haben, oder? Wenn die Ehre ruft, dann muß ein Mann sich stellen, wenn er ein Mann ist.«

»Ganz wie Ihr meint, Sommer-Eiland. Aber steht nicht zu dicht bei mir, wenn ihr Euch stellt, ja?«

Sie grinsten sich verstehend zu und wandten die Köpfe, als die großen Türflügel sanft aufschwangen und die massiven Stahlplatten zur Seite glitten, als wären sie gewichtslos. Eine Fanfare erklang, und das Geschnatter der Unterhaltungen verstummte augenblicklich. Helles Licht ergoß sich aus dem Audienzsaal von Löwenstein XIV. in die Vorhalle. Die Höflinge setzten sich in kleinen Gruppen in Bewegung wie Motten, die von einer Flamme angezogen wurden.

Als erstes schritt die Versammlung der Lords durch die hohen Türen, all die Oberhäupter der ersten hundert Familien des Imperiums, die nach dem Recht ihres Erbes im Namen der Herrscherin Planeten, Armeen oder große Gesellschaften leiteten. Die Höchsten der Hohen, die Edelsten und Meistgeschätzten von allen Untertanen ihrer Majestät. Theoretisch zumindest. Sie schritten erhobenen Hauptes in den großen Empfangssaal, ohne nach rechts oder links zu blicken. Insgeheim fühlten sie sich beinahe nackt ohne ihre üblichen Gefolge aus Leibwächtern, Ratgebern und Schranzen, aber ein Lord erschien nun einmal allein bei seiner Herrscherin, und selbst das Schwert an der Hüfte blieb zu Hause. Es war ein Zeichen des Vertrauens und des Respekts. Ganz zu schweigen von Imperialem Verfolgungswahn.

Nach den Lords kamen die zweihundertfünfzig Mitglieder des Imperialen Parlaments. Sie repräsentierten die wirtschaftlichen Kräfte des Reichs, die Macht und den Einfluß des Geldes. Natürlich wurde nur denjenigen erlaubt, an Abstimmungen teilzunehmen, die über genügend Einkommen verfügten.

Wenn man nicht aristokratischer Abstammung war, stellte das Parlament die einzige Möglichkeit dar, Zutritt zu den inneren Kreisen der Regierung zu erhalten. Ein Mitglied des Parlaments mochte wohl angehalten sein, den Kopf vor einem Lord zu beugen, wenn sie in den Straßen aufeinandertrafen, aber während einer Audienz bei der Herrscherin zählten ihre Stimmen gleich. Und wenn sich die Mitglieder des Parlaments einmal einig gewesen wären, dann hätten sie die Versammlung der Lords mühelos in die Knie zwingen können wie ein Rudel ungehorsamer Hunde. Aber das Parlament war in verschiedene oppositionelle Fraktionen gespalten, die in ständigem Streit lagen, und die Lords achteten sorgsam darauf, daß sich dieser Umstand nicht so rasch änderte, indem sie ihren Günstlingen heimliche Patronagen und gelegentlich auch