Zu jener Zeit war ihr das diskrete Geschäft des Klonpaschens wie ein bedeutsamer Schritt auf der Karriereleiter erschienen. Unauffällig, geringes Risiko, die einzige harte Arbeit ein wenig graben… perfekt. Ganz besonders mit so vielen Leuten auf ihren Fersen.
Aber dann hatte es doch wieder so ausgesehen, als würde jemand mit bösen Absichten hinter ihr her sein. Wie immer war es Hazels eigene Schuld; sie wußte es. Sie hatte seit jeher die Tendenz gehabt, auf der Suche nach schnellem Geld in illegale Geschichten zu schlittern und erst hinterher zu bemerken, auf was sie sich eingelassen hatte. Doch obwohl sie eine Menge Dinge getan hatte, auf die sie nicht besonders stolz war – Leute zu entführen und sie kaltblütig wegen ihrer Organe abzuschlachten war ein neuer Tiefpunkt, selbst für Hazel.
Sie wußte nicht, ob sie dazu imstande sein würde. Hazel hatte das Gefühl, daß ihre Bedenken nur eine Prinzipsache waren, etwas, mit dem sie noch nicht sonderlich gut vertraut war. Aber jeder zieht irgendwo eine Grenze. Sie ging alle Möglichkeiten durch, die ihr offenstanden. Es dauerte nicht allzulange. Hazel konnte ihre neugefundene Integrität
gegenüber ihren Schiffskameraden nicht einfach so aufgeben, nicht, wenn sie nicht auf die harte Tour einen Blick in eine Körperbank werfen wollte. Sicher, sie konnte jederzeit vom Schiff verschwinden; in einer der Rettungskapseln zum Planeten hinunterrasen und ihre Spur in den Menschenmassen verwischen. Aber Virimonde war ein in jeder Hinsicht primitiver Planet, wo das Leben (und Überleben) auf harter Arbeit basierte und jeder verdammte Luxus fehlte. Kein idealer Ort, um auf der Flucht zu stranden. Ganz besonders nicht, wenn es auf beiden Seiten des Gesetzes Leute gab, die nach einem suchten.
Hazel d’Ark blickte sich zwischen den Körperbänken um und erschauerte aufs neue – nicht allein wegen der Kälte. Was soll das nur werden? Was zur Hölle mache ich eigentlich hier?
Ringsum leuchteten Lichter auf, als der Schiffsalarm losheulte. Der plötzliche Lärm ließ Hazel zusammenzucken. Ihre Hand fiel automatisch auf die Waffe an der Hüfte. Hazels erster Gedanke war, daß die Hülle einen Riß abbekommen hatte – aber schnell wurde ihr klar, daß sie bei einer explosiven Dekompression, egal wo im Schiff, die Auswirkungen schon lange hätte spüren müssen, bevor die Sirenen losgegangen waren. Sie schaltete sich über ihr Kommimplantat in den Notfallkanal, und ein undeutliches Stimmengewirr füllte ihren Kopf. Es dauerte höchstens Bruchteile einer Sekunde, bis sie die Worte »Alle Mann auf die Kampf Stationen!« ufschnappte, dann setzte sie sich auch schon in Bewegung und rannte los. Irgendwer hatte die Tarnvorrichtungen der Scherbe durchdrungen, und das war unmöglich – außer für ein Schiff von der Größe eines Imperialen Schlachtkreuzers. Und wenn das Imperium sie aufgestöbert hatte, dann bestand die große Wahrscheinlichkeit, daß Hazel d’Arks Karriere als Klonpascher bereits vorüber war, bevor sie richtig begonnen hatte.
Typisch, dachte Hazel bitter, während sie aus dem Frachtraum rannte und den Weg in Richtung Brücke einschlug. Das ist absolut typisch. Jetzt werde ich wegen eines der wenigen Verbrechen geschnappt, die ich wirklich nicht auf dem Gewissen habe.
»Hannah! Rede mit mir! Wie tief stecken wir im Schlamassel?«
»Ich fürchte, wir könnten nicht mehr viel tiefer hineingeraten, ohne uns hinzulegen«, ertönte die kühle Stimme der KI durch Hazels Implantat. »Ein Imperialer Sternenkreuzer ist aus dem Hyperraum gefallen und in einen Orbit um Virimonde eingeschwenkt. Seine Sensoren haben weniger als eine Sekunde benötigt, um unsere Tarnvorrichtung zu durchdringen, und die Imperialen haben kaum länger gebraucht, um uns eine Aufforderung zur Identifikation zu überstellen. Im Augenblick lüge ich ihnen etwas vor, daß sich die Balken biegen, aber ich kann sie nicht ewig an der Nase herumführen. Und ich habe den starken Verdacht, daß es nicht annähernd lange genug sein wird, damit wir genügend Energie aufbauen und in den Hyperraum entkommen können.«
»Können wir nicht durch den Normalraum abhauen?«
»Wir reden hier von einem Imperialen Sternenkreuzer, meine Liebe. Es gibt nicht viel, das noch stärker ist. Sie würden uns in winzige leuchtende Trümmer zerblasen, bevor wir auch nur einen Versuch gemacht hätten, den Orbit hinter uns zu lassen.«
»Aber wir haben Schilde!«
»Und sie haben zweihundertfünfzig Disruptorkanonen, um unsere Schilde zu verbrennen.«
»Können wir gegen sie kämpfen?«
»Du willst sie wirklich verärgern?«
»Verdammt! Irgendwas müssen wir doch unternehmen!«
»Du bist von uns beiden doch das Superhirn! Denk dir gefälligst etwas aus.«
»Wir könnten uns ergeben.«
Hazel hätte sarkastisch gelacht, aber sie war bereits ziemlich außer Atem. Sie stampfte durch den Stahlkorridor, und ihr Kopf begann vom Heulen der Alarmsirene zu schmerzen.
Schließlich platzte sie auf die Brücke und warf sich in ihren Sitz am Feuerleitstand. Was sich da draußen auch zusammenbrauen mochte – Hazel fühlte sich schon viel sicherer, nachdem sie sich in die beiden Disruptorkanonen der Scherbe eingestöpselt hatte. Theoretisch war die KI weitaus besser mit den Disruptoren, aber was die eine KI plante, das konnte die andere leicht berechnen und verhindern. Menschliche Unberechenbarkeit bot im Kampf einen Vorteil, den keine KI wettmachen konnte. Deshalb waren auf allen Schiffen immer Menschen die Kanoniere.
Hazel verflocht ihr Bewußtsein mit Hilfe des Implantats mit den Lektronenhirnen und erlangte so die Kontrolle über das Feuerleitsystem. Schnell ging sie die Anlaufroutinen durch, während ringsum Bildschirme aufleuchteten und ein steter Strom von Informationen durch ihre Gedanken floß. Zum ersten Mal sah Hazel den Sternenkreuzer in all seiner Pracht, und ihr Mut sank. Das Imperiale Schiff war tausendmal
größer als die Scherbe; es überragte sie wie ein Wal eine Elritze.
Die KI ging die technischen Daten des Imperialen Schiffs durch, und Hazels Mut sank weiter. Disruptorkanonen, Schutzschilde, Angriffstorpedos… die Scherbe besaß nicht die Spur einer Chance. Andererseits hatte Hazel immer gewußt, daß so etwas eines Tages geschehen konnte. Nur ein Schiff war groß genug, um es mit einem Imperialen Sternenkreuzer aufnehmen zu können: ein weiterer Imperialer Sternenkreuzer. Hazel schluckte mühsam und bewegte ihre Gedankenströme vorsichtig durch die beiden Geschütztürme. Die Kanonen drehten sich unablässig durch bloße Gedankenkraft und suchten willkürlich nach Zielen auf der Hülle des Imperialen Schiffs.
Hazels Atmung hatte sich beinahe wieder normalisiert.
Während sie den Gegner studierte, stieg kalte Wut in ihr auf.
Ihr Puls beschleunigte sich erneut. Verdammter Kerl! Was zur Hölle hat er hier zu suchen? Offiziell war noch wochenlang kein imperialer Besuch zu erwarten gewesen. Der Kreuzer konnte nicht hinter der Scherbe her sein; eine Handvoll Klonpascher auf einer Nußschale von Piratenschiff war nicht so wichtig. Alles schön und gut und logisch; doch der Imperiale Kreuzer war trotzdem da, lebensgroß und tödlich, die Geschützbatterien zweifellos alle auf das Piratenschiff gerichtet und bereit, innerhalb von Sekundenbruchteilen zu feuern. Hazel verzog das Gesicht zu einer grimmigen Fratze. Sie konnten nicht fliehen, sie konnten nicht kämpfen, und sie wagten nicht, sich zu ergeben. Vielleicht konnten sie einen Handel abschließen… wenn ihnen rechtzeitig etwas einfiel, das sie dem Gegner anbieten konnten. Hazels Verstand arbeitete hektisch, aber ohne Ergebnis. Wenn Kapitän Markee nicht ein ganzes Paket von Assen aus dem Ärmel ziehen würde, dann hatte das Imperiale Schiff sie am Arsch.