Löwenstein wartete, bis Frost und Schwejksam gegangen waren, dann wandte sie sich wieder lächelnd an ihre Höflinge.
»Wir hoffen, es ist nun jedermann klar, welch schwere Anstrengungen Wir unternehmen, um das Reich zu schützen?
Gut. Wir werden das Imperium gegen alle Feinde verteidigen, ob von außen oder von innen. Macht keine Fehler, höchst verehrte Lords und Ladies und liebe Freunde. Der neue Raumschiffantrieb gibt Unserer Imperialen Flotte unschlagbare Vorteile gegenüber jedem, der sich Uns entgegenzustellen wagt. Unsere Feinde werden fallen. Es gibt keinen Ort in der gesamten Galaxis, an dem sie sich vor Uns verbergen können.
Wir werden ihnen überallhin folgen und sie stellen. Unser Wille wird geschehen.
Haben Wir noch weitere Fragen zu klären?«
Plötzlich explodierte die Decke hoch über der Halle, und Trümmer regneten durch den wabernden Dunst herab. Die Dienerinnen sprangen auf und schützten den Leib der Imperatorin mit ihren eigenen Körpern. Scharfkantige Bruchstücke schnitten in ihr blasses Fleisch, und Blut floß, doch die Dienerinnen zuckten nicht einmal. Die Höflinge wurden von Panik erfaßt, und alles lief und rannte voller Furcht und Verwirrung hierhin und dorthin. Der Hohe Lord Dram zog Schwert und Disruptor und blickte sich suchend nach Feinden um. Aus dem Rauch und Nebel über dem Thron fiel ein Dutzend Seile, an denen in Ketten und Leder gekleidete Männer und Frauen herabrutschten. Sie erreichten das Wasser am Boden und wichen rasch zur Seite, um anderen Platz zu machen, die ihnen folgten. Dram blickte in die Läufe von einem Dutzend Pistolen, die seiner eigenen gegenüberstanden; trotzdem blieb er ruhig. Die Neuankömmlinge bedeuteten ihm durch Gesten, seine Waffen niederzulegen, und er folgte der Aufforderung.
Mit ausdruckslosem Gesicht beobachtete er, wie Schwert und Pistole im schwarzen Wasser versanken und verschwanden.
Kid Sommer-Eiland ließ sein Schwert sinken, bevor er dazu aufgefordert werden konnte. Die Dienerinnen rückten ein wenig von Löwenstein weg und formten einen defensiven Kreis um ihre Herrin. Sie beobachteten die Eindringlinge aus kalten Insektenaugen. Die Höflinge schrien und redeten wild durcheinander, und ein Wort war deutlich über dem ganzen Durcheinander zu hören.
Elfen… die Elfen haben uns gefunden…
»Lang lebe die Esper-Liberations-Front!« rief einer der Eindringlinge, eine junge Frau in abgewetzter Lederkleidung und mit viel zu vielen Ketten um den Hals. Sie war klein und kräftig, und auf ihren nackten Oberarmen zeigten sich schwellende Muskeln. In ihr langes schwarzes Haar waren Dutzende von Bändern geknotet. Wenn nicht das Feuer des wahren Fanatikers in ihren Augen gebrannt hätte, dann mochte man sie durchaus als attraktiv bezeichnet haben. Andere Elfen versammelten sich um sie. Die eine Hälfte hielt ihre Waffen auf die Höflinge gerichtet, die andere zielte auf den Thron. Löwenstein beobachtete die Szene schweigend von ihrem Platz hinter den Dienerinnen. Ihre Augen funkelten in nackter Wut, aber weder sie noch Dram noch sonst irgend jemand am Hof war dumm genug, um angesichts der Energiewaffen der Elfen Widerstand zu leisten.
Die Esper-Terroristen sahen hart und mitgenommen aus, aber die Ketten, die ihre Lederkleidung zusammenhielten, waren frisch poliert, und sie trugen helle Farben auf den Gesichtern und im Haar. Die meisten waren noch sehr jung, manche kaum zwanzig, aber alle zeigten Narben auf der nackten Haut. Die Herrscherin sprang sehr hart mit ihren Espern um. Deshalb starben so viele oder verschwanden im Untergrund. Die meisten starben. Es gab nur sehr wenige alte Esper. Die Elfe mit den vielen Bändern im Haar trat vor und verbeugte sich spöttisch vor dem versammelten Hof.
»Verzeiht bitte die Unordnung, aber ein guter Auftakt ist so entsetzlich wichtig. Und jetzt: Seid bitte brave Jungen und Mädchen und tut, was man euch gesagt hat. Dann kommt ihr mit intakten Organen und all euren Gliedern wieder nach Hause. Wenn ihr uns ärgert, denken wir uns wirklich spaßige Dinge aus, die wir mir euch veranstalten. Und einige von uns haben einen ziemlich ekelhaften Sinn für Humor. Das kommt davon, wenn man als Vogelfreier leben muß.«
Sie wandte sich um und blickte zu Löwenstein. »Nur ruhig, meine Liebe. Wir haben nicht vor, dir etwas anzutun. Wir sind wegen einem der unseren gekommen. Steigst du freiwillig von deinem Thron, oder soll ich dir lieber in deinen kaiserlichen Arsch treten?«
Löwenstein erhob sich und stieg mit eisiger Würde ins Wasser hinab. Die Dienerinnen bewegten sich auf der Stelle, um ihre Herrin wieder abzuschirmen. Die Elfe ignorierte sie und kniete neben dem Thron nieder. Sie ließ ihre Hände tastend über das schwarze, jadegeschmückte Eisen gleiten.
»Hat Sie einen Namen, Verräterin?« wollte die Eiserne Hexe wissen.
»Stevie Blue. Höchst unerfreut, dich kennenzulernen.«
»Unsere Wachen werden jeden Augenblick eintreffen. Sie kann nicht entkommen.«
»Deine Wachen werden im Augenblick von unseren Kameraden hinters Licht geführt. Deine einzigen Beschützer sind diese armen geistlosen Kreaturen, die du als Dienerinnen bezeichnest, und der ESP-Blocker, der in deinem Thron eingebaut ist. Ah, da ist er ja schon.«
Sie schob ein Paneel zur Seite, und eine Nische kam zum Vorschein. Vorsichtig entnahm sie einen transparenten Würfel von der Größe ihres Kopfes. ESP-Blocker waren ziemlich einfache Geräte: Das lebende Gehirn eines Espers, vom Körper abgetrennt und in einer Nährlösung gehalten. Die Stirnlappen wurden konstant durch Schwachstrom stimuliert und hielten das Gehirn wach und bei Bewußtsein. Es benutzte sein ESP zu dem einzigen Zweck, andere Esper in der Umgebung zu blockieren. Nur eine weitere Hölle, die die Eiserne Hexe sich ausgedacht hatte, und die einzige wirksame Verteidigung gegen einen abtrünnigen Esper. Oder einen Elf.
Stevie Blue hob den Würfel hoch über den Kopf und schmetterte ihn mit brutaler Kraft gegen eine Armlehne des Throns. Der fragile Behälter zersplitterte, und das Gewebe des darin gefangenen Gehirns zerfiel. Die grauen Klumpen rutschten an der Seite des Throns herab und tropften ins Wasser.
»Ruhe in Frieden, mein Freund«, sagte Stevie leise. »Der Kampf geht weiter.« Sie richtete ihren Blick wieder auf Löwenstein. »Eine Seele weniger in der Hölle, die du geschaffen hast.«
Löwenstein grinste. »Kein Problem. Es gibt noch mehr davon. Spender sind reichlich vorhanden.«
Sie brach ab, als die Elfe einen Schritt auf sie zu machte.
Stevie Blue blickte die Imperatorin kalt an. »Ich könnte dich jetzt töten, Hexe. Jeder von uns könnte das. Wir sehnen uns so nach deinem Tod, daß wir ihn kaum erwarten können. In der Nacht träumen wir davon und erwachen mit neuen Plänen, wie wir es anstellen sollen. Eines Tages werden wir dein kostbares Imperium Stein für Stein auseinandernehmen, bis es keinen Ort mehr gibt, an dem du dich verkriechen kannst, und dann werden wir dich holen. Aber wenn wir dich jetzt und hier töten würden, während du schwach und hilflos bist, dann würde dich jemand anderes aus deiner korrupten Blutlinie ersetzen und massive Vergeltung an der Gemeinschaft der Esper üben. Tausende würden sterben, und Millionen würden leiden. Aber wir werden nicht gehen, ohne ein Zeichen unserer Gefühle für dich zurückzulassen. Deshalb haben wir ein kleines Geschenk mitgebracht.«
Die Elfe streckte die Hand aus, und jemand reichte ihr eine große Sahnetorte. Stevie Blue mußte grinsen, als sie das schockierte Gesicht der Imperatorin bemerkte. Dann nahm sie Maß und warf die Torte mit einer spielerischen Bewegung mitten ins Gesicht der Eisernen Hexe. Die Imperatorin schwankte einen Schritt zurück und riß die Hände hoch.