Stevie lachte. »Jeder würde verstehen, wenn du eine Belohnung auf uns aussetzt, weil wir versucht haben, dich zu ermorden. Aber wegen einer Torte in der kaiserlichen Fresse?
Steht dir übrigens verdammt gut. Du solltest eigentlich immer so rumlaufen. Mach’s gut, Löwenstein. War uns kein Vergnügen.«
Löwensteins Augen funkelten hinter dicken Sahneschichten, als sie mit dem Finger auf die Elfen deutete. »Tötet sie! Tötet alle!«
Die Dienerinnen sprangen gehorsam auf und stürzten vor.
Stählerne Klauen schossen unter ihren Fingernägeln hervor.
Die Elfen rückten in Erwartung des Angriffs zusammen und setzten ihre Fähigkeiten ein. Stevie Blue hüllte sich in Feuer, lebende Flammen alles versengender Hitze, aber die Dienerinnen stürzten sich dennoch auf sie. Sie waren unempfindlich gegen Schwächen wie Furcht oder Schmerz. Stevie verschwand unter den Krallen der Angreiferinnen, und die anderen Elfen stürzten herbei, um ihr zu helfen. Die Dienerinnen teilten sich auf, um sie zu empfangen. Sie fielen über die ersten beiden Elfen her und zerrissen sie förmlich mit ihren unnatürlichen Kräften. Blut spritzte in hohem Bogen durch die Luft, während die Elfen schrien und starben. Einer der Esper gestikulierte verzweifelt, und plötzlich hielten die Dienerinnen inne, als wären sie gegen eine unsichtbare Wand geprallt.
Doch dann schien die Wand zusammenzubrechen, und sie stürzten wieder vor. Stevie Blues Flammen flackerten auf und verloschen. Löwenstein lachte laut und nahm wieder auf ihrem Thron Platz.
»Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, Wir würden Unsere Sicherheit nur diesem einen einzigen ESP-Blocker anvertrauen, oder etwa doch?«
Die letzten Worte mußte sie brüllen, um die kreischenden Schreie der Elfen zu übertönen, als die Dienerinnen unter ihnen zu wüten begannen. Disruptoren feuerten, aber die Leibwächterinnen der Eisernen Hexe bewegten sich zu schnell, um getroffen zu werden, und als sie mitten unter den Elfen waren, wurde es zu gefährlich, die Energiewaffen einzusetzen. Die Dienerinnen stürzten sich auf die Elfen wie Wölfe auf eine Schafherde. Große Stücke wehrlosen Fleisches wurden von klauenbewehrten Händen aus den Leibern ihrer zuckenden Opfer gerissen und verschwanden in gierigen Mündern. Die Dienerinnen waren hungrig. Ein Esper steckte seine Waffe in den Mund einer Dienerin und feuerte. Ihr Kopf explodierte, und blutige Splitter und Gewebestücke flogen durch die Gegend. Hinter dem Esper erschien eine weitere Dienerin und schlang ihre Arme um seinen Leib. Die Rippen des Espers brachen und wurden nach innen gepreßt, wo sie sein Herz und seine Lungen durchbohrten. Die überlebenden Elfen versuchten zu fliehen, doch ihre Verfolgerinnen schienen überall zu sein. Ein Elf nach dem anderen fiel, bis am Ende nur noch ein Mann übrig war. Er rannte in Richtung des Throns und versuchte, seinen Disruptor abzufeuern, aber der Energiekristall war noch nicht wieder aufgeladen. Er warf die nutzlose Waffe weg und zog sein Schwert, als eine Dienerin ihn ansprang und ins Wasser hinunterzog. Sie tauchte ihn unter und beobachtete teilnahmslos, wie er ertrank. Der Elf kämpfte und sträubte sich, und plötzlich schoß sein Schwert aus dem Wasser und schlitzte den Bauch der Dienerin auf. Die Gewalt des Hiebs warf sie zurück, und der Esper schoß prustend aus dem Wasser. Er heftete seinen Blick auf Löwenstein und hob erneut sein Schwert. Der Terrorist setzte sich eben in Bewegung, als die tödlich verletzte Dienerin ihn von hinten ansprang. Sie konzentrierte sich auf das, was man ihr beigebracht hatte, und die Splitterbombe in ihrer Bauchhöhle wurde ausgelöst. Die Macht der Explosion zerfetzte die beiden Leiber, und regneten Knochensplitter und Blut durch die Halle.
Langsam senkte sich eine unheimliche Stille auf den Hof herab, nur durchbrochen vom Geräusch der vier überlebenden Dienerinnen, die sich gierig auf die Leichen der Elfen gestürzt hatten und fraßen. Löwenstein winkte ihnen, und sie scharten sich mit blutigen Klauen und Gesichtern um den Thron wie Hunde, die von ihrer Beute zurückgerufen worden waren. Die Herrscherin blickte von ihrem Thron herab auf Stevie Blue, die geschlagen und blutend am Fuß des Throns im Wasser kauerte. Die Elfe schaffte es, ihr Schwert zu ziehen, aber ihre Hand zitterte vor Schmerzen. Sie stolperte entschlossen und mit zusammengepreßten Lippen vorwärts. Dram trat hinter sie und durchbohrte sie mit seinem Schwert.
Stevie Blue sank auf die Knie. Sie wimmerte, und Blut trat auf ihre Lippen. Dram zog sein Schwert aus ihrem Leib, und sie schüttelte sich, als wäre ihr plötzlich kalt geworden. Löwenstein erhob sich von ihrem Thron und stieg zu Stevie Blue hinunter. Sie kniete vor der Elfe nieder, einen verzierten silbernen Dolch in der Rechten, und beugte sich hinunter, bis ihr Gesicht ganz dicht vor dem der Elfe war.
»Hat Sie Uns nichts mehr zu sagen, Elfe? Wie schwach Wir doch sind, oder wie schlau Sie ist? Keine letzte Erklärung mehr für Ihre Sache?«
Stevie erschauerte aufs neue. Blut lief an ihrem Kinn herab.
Als sie schließlich sprach, konnte nur die Imperatorin ihre Worte hören.
»Ich werde wiederkommen. Es gibt viele wie mich. Eine wird dich kriegen. Du sollst in der Hölle schmoren, Hexe.«
Löwenstein stieß ihre Klinge mit einer geschickten Bewegung ins Herz der Elfe und nahm den Todeshauch der anderen genießerisch wie eine Feinschmeckerin in ihrem Mund auf.
Sie zog den Dolch zurück, legte die Fingerspitzen auf die Brust ihrs Opfers und gab ihr einen beinahe sanften Stoß. Stevie Blue fiel nach hinten ins schwarze Wasser und lag still.
Löwenstein richtete sich auf und ließ den Dolch in ihren Ärmel zurückgleiten. Sie erlaubte Dram, ihr auf den Thron zu helfen.
»Elfen reden nie«, sagte Dram leichthin. »Sie programmieren ihr Bewußtsein auf Selbstzerstörung, bevor sie ihre Geheimnisse verraten können. Ihr habt ihr einen leichten Tod geschenkt.«
»Er ist ein Spielverderber, Lord Dram. Sie starb voller Verzweiflung. Das reicht Uns. Im Augenblick interessiert Uns viel mehr, wie viele Esper Seine Sicherheitsabschirmung überwinden konnten.«
»Eine gute Frage«, entgegnete Dram. »Ich werde sie meinem Stab vorlegen, sobald diese Audienz vorüber ist, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ich kann nur annehmen, daß irgendwo in meiner Organisation ein Verräter sitzt.«
»Wir dachten, das wäre unmöglich?«
»Genau wie ich. Wenn es einen Verräter gibt, dann werde ich ihn finden. Verlaßt Euch darauf.«
»Ich will hoffen, daß Er recht hat, Lord Dram«, sagte die Imperatorin. »Wenn Wir nicht darauf vertrauen können, daß Er uns beschützt, wozu ist Er dann nütze?«
Dram grinste und tauchte vorsichtig einen Finger in die Reste von Sahne, die sich noch immer auf ihrem Gesicht befanden. Nachdenklich leckte er den Finger ab.
»Cognac-Sahnetorte! Mein Lieblingskuchen. Wenn schon nichts anderes, dann haben die Elfen wenigstens einen guten Geschmack.«
»Natürlich«, erwiderte Löwenstein kühl. »Unsere Dienerinnen werden das sicher bestätigen.«
KAPITEL VIER
UNERWARTETE ERFAHRUNGEN
Die Stadt hatte früher einen anderen Namen getragen, aber niemand erinnerte sich mehr daran. In den letzten dreihundert Jahren war sie im gesamten Reich unter dem Namen Parade der Endlosen bekannt geworden, die Stadt der Arena und der Spiele. Es war keine besonders große Stadt, wenn man die Maßstäbe von Golgatha zugrunde legte, aber sie wuchs in jedem Jahr ein wenig, weil neue Bürger sich von ihr angezogen fühlten wie Fliegen von verrottendem Fleisch. Es gab dort Spielhallen und Vergnügungspaläste, künstliche Realitäten und PSI-Trips, Wunder, Schauspiele und Kuriositäten, die die Vorstellungskraft bei weitem übertrafen, aber niemand kam nur deswegen nach Parade der Endlosen. Das waren nur die Appetitanreger, die Vorspeisen, etwas, um den Gaumen anzuregen und die Sinne zu wecken, bevor man zu etwas Stärkerem überging.