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Sie wußten es nur bis jetzt noch nicht. Er räusperte sich höflich.

»Hallo? Kann vielleicht jemand das Licht einschalten? Hier ist ein Freund. Wir können uns im Dunkeln nicht unterhalten.«

»Wie kommt Ihr darauf, daß wir uns mit Euch unterhalten wollen?« fragte eine Stimme, die sich – vergeblich – um kultivierten Klang bemühte.

»Wenn Ihr Assassinen wärt«, erwiderte Valentin ruhig,

»dann hättet Ihr mich in dem Augenblick ermordet, als ich den Laden betrat. Daher nehme ich an, Ihr habt etwas mit mir zu besprechen. Fangt also an. Ich bin in Eile. Ich habe eine Verabredung.«

Plötzlich flutete Licht durch den Laden, als eine der düsteren Gestalten die Fensterpolarisation abschaltete. Die hellen Sonnenstrahlen enthüllten ein Dutzend Ganoven, die Valentin aus dem hinteren Bereich des Ladens arrogant angrinsten. Ihre Oberkörper waren nackt, damit sie ihre schwellenden Muskeln und andere Aufrüstungen besser zur Schau stellen konnten, die sie in billigen Läden der dunklen Seitengassen der Stadt erstanden hatten. Sie hatten ihr Haut alle in dem gleichen, überwältigenden elektrischen Blau gefärbt, und um zu demonstrieren, zu welcher Bande sie gehörten, war auf jeder Brust ein leuchtend silberner Totenschädel eintätowiert. Es gab ein Dutzend weniger schmerzvoller Methoden, um sich die Brust zu verzieren, aber genau der Schmerz war es, worauf es ankam – eine Art Initiierungsritual, eine Demonstration von Mut und Hingabe. Tätowierungen hielten ein ganzes Leben. Genau wie die Zugehörigkeit zu einer Bande.

Valentin erkannte sie auf der Stelle. Es war, wie er vermutet hatte. Die Dämonen. Eine der größeren Straßenbanden, die in den dunkleren Bezirken der Stadt ihr Unwesen trieb. Es gab Tausende von Burschen in Hunderten von Banden; zu jung, zu ängstlich oder zu schlau, um sich von den Verlockungen der Arena verführen zu lassen, verdienten sie sich ihren Lebensunterhalt damit, daß sie sich an jeden verkauften, der Bedarf an Schlägern hatte. Wenn man genügend zahlte, machten sie auch andere Dinge. Die Banden kämpften ständig untereinander um Territorien, Frauen oder Ehre – was auch immer sie für Ehre hielten; wie oben, so auch unten: die niedrigeren Stände äfften die Noblen nach. Sie befaßten sich auch mit Schutzgelderpressungen und Taschenspielereien, wenn die Dinge ruhig waren, aber im allgemeinen hatten sie genug Verstand, um sich nicht mit den Familien anzulegen. Woraus Valentin schloß, daß jemand ein kleines Vermögen gezahlt hatte, um ihm diesen Hinterhalt zu legen. Was, wenn es schon zu nichts anderem gut war, wenigstens den Kreis der möglichen Urheber einengte.

Valentin ließ sich Zeit, die Dämonen zu studieren. Es schien ihm unangebracht, so zu tun, als wäre er auch nur eine Spur nervös oder unsicher. Manche der Schläger schienen genetisch verändert worden zu sein. Sie hatten ihre Körper wohl skrupellosen Medizinern geliehen, die immer Versuchskaninchen für ihre Experimente gebrauchen konnten. Mißgestaltete Gesichter und Körper waren die Narben derer, die Glück gehabt hatten. Sie lebten wenigstens noch. Manche besaßen verkrüppelte Hände oder nadelspitze Zähne, andere bewegten sich zuckend und unkontrolliert, was auf hochgezüchtete Adrenalindrüsen schließen ließ. Alle trugen ihre kleinen Geheimnisse mit sich herum, aber Valentin war sich ziemlich sicher, daß keiner von ihnen Tech-Verstärkungen besaß. Sie würden sich die Energiekristalle nicht leisten können, die zum Betrieb nötig waren. Alle trugen Waffen, die meisten Schwerter, manche Messer oder Macheten, und einige hielten lange, mit Eisendornen gespickte Ketten.

Valentin grinste sie mit seinem strahlendsten Lächeln an, um sie zu verunsichern, während seine Gedanken rasten. Die Dämonen befanden sich hier in unmittelbarer Nähe der Arena, weit außerhalb ihres eigenen Territoriums. Sie hätten eigentlich gar nicht hier sein dürfen. Die lokalen Wachen hätten sie unterwegs im gleichen Augenblick entdecken müssen, in dem sie ihre blauen Gesichter ins Licht gestreckt hatten. Irgend jemand mußte eine ganze Menge Geld unter die Leute gestreut haben, damit die Dämonen unbehelligt herkommen konnten. Irgend jemand wünschte sich dieses Zusammentreffen ganz dringend, aber er wollte nicht als der Urheber erkannt werden. Und Straßenschläger einzusetzen, war so anonym, wie überhaupt nur möglich. Sie machten für Geld so gut wie alles und gaben einen Dreck darauf, woher es kam.

Inzwischen hatten sich Valentins Augen vollständig an den Lichtwechsel gewöhnt, und er erkannte an den geröteten Gesichtern und glänzenden Augen der Dämonen, daß sie außerdem mit Drogen vollgepumpt waren. Billige Kampfdrogen wahrscheinlich.

Er kicherte anerkennend. Wenigstens nahm sein unbekannter Feind ihn ernst. Gute Kampfdrogen waren außerhalb des Militärs nur schwer zu bekommen, aber Valentin kannte eine Quelle. Wie für die meisten anderen Drogen auch. Die Zahl der Leute, die davon wußten, war sehr klein. Die Identität seines Feindes wurde in jedem Augenblick deutlicher. Er konzentrierte sich auf eine bestimmte Art und Weise und atmete tief durch, als ein Katalysator die Kampfdroge aktivierte, die in seinem Kreislauf schlummerte. Blut rauschte wie kochendes Wasser durch seine Venen. Die Welt um ihn herum schien sich plötzlich langsamer zu drehen, als seine Reflexe sich beschleunigten. Er kicherte leise und nickte den Dämonen zu.

»Zeit, daß wir mit der Schau beginnen, meine Herren. Warum laßt Ihr den armen Georgios nicht einfach gehen, so daß er uns bei unserer Angelegenheit nicht im Weg ist?«

Die Banditen stießen sich gegenseitig mit den Ellbogen in die Rippen und feixten. Nach der Schokolade zu urteilen, die um ihre Münder verschmiert war, hatten sie sich bereits an Georgios’ Kreationen gütlich getan. Valentin zuckte zusammen. Das Konfekt war ganz ohne Zweifel eine große Verschwendung an diese Barbaren gewesen. Die Banditen waren mit Sicherheit außerstande, die Subtilitäten darin zu schätzen.

»Der arme Georgios geht nirgendwohin«, sagte einer der Burschen. Er trug ein purpurnes Stirnband, das ihn als Anführer kennzeichnete. »Unsere Befehle lauten: keine Zeugen.«

»Und wer hat Euch Eure Befehle gegeben?« fragte Valentin freundlich.

Der Anführer lächelte spöttisch. »Das ist nicht Eure Angelegenheit. Was zählt, ist die Nachricht, die ich für Euch habe.

Eigentlich keine Nachricht, sondern eher eine Warnung. Man sagt, Ihr seid einmal zu oft ein Ärgernis gewesen, und unsere Auftraggeber haben uns angeheuert, damit wir sicherstellen, daß das nicht wieder geschieht.«

»Oje!« sagte Valentin leichthin. »Noch eine Morddrohung.

Wie schrecklich eintönig.«

»Wir werden Euch nicht töten«, erwiderte der Anführer immer noch grinsend. »Wir sind nicht so dumm, uns auf so eine Geschichte einzulassen. Töte einen verdammten Aristo, und alle Bullen der Stadt machen Jagd auf dich. Nein. Wir werden Euch nur beide Beine brechen. Und beide Arme. Und wir tanzen ein wenig auf Euren Rippen herum, bevor wir verschwinden und Euch in Ruhe lassen. Unsere Auftraggeber möchten, daß wir Euch weh tun und Euch erniedrigen, und wir kommen ihrem Wunsch nur zu gerne nach. Ganz besonders, wenn wir dafür eine so hübsche Summe kassieren.«