Versuch auch nicht, überrascht auszusehen. Sei einfach still und überlaß das Reden mir, ja?«
»Natürlich, Stephanie. Mach’ ich das nicht immer? Aber es besteht die Hoffnung, daß Valentin tot ist. Wenn die Dinge außer Kontrolle geraten sind…?«
»Ich wüßte nicht wieso. Wir haben jede Möglichkeit in unserem Plan berücksichtigt. Jedenfalls, wenn diese Kerle sich an ihre Anweisungen gehalten haben. Und wenn Valentin tot wäre, dann hätten wir mit Sicherheit bereits etwas davon gehört. Vater wäre mit der Nachricht hereingeplatzt, oder die Leibwächter, oder ein Diener. So etwas kann man nicht geheimhalten.«
»Sei leise, Stephanie. Sicher hast du recht. Der liebe Bruder Valentin liegt im Augenblick wahrscheinlich mit lauter gebrochenen Knochen in einer dunklen Seitengasse im Dreck.«
»Ja, so wird es sein.« Stephanie atmete tief ein und stieß die Luft langsam wieder aus. »Du hast die Waffe präpariert, oder?«
»Selbstverständlich. Ich habe persönlich sämtliche Identifikationsmerkmale entfernt. Die Herkunft des Disruptors kann auf gar keinen Fall bis zu uns zurückverfolgt werden.«
»Trotzdem. Die Waffe macht mir Sorgen. Es ist ein eindeutiger Hinweis darauf, daß die Bande in fremdem Auftrag gehandelt hat.«
»Aber wir mußten sichergehen, daß niemand von ihnen überlebt und Fragen beantwortet. Die Waffe und die unterbewußte Konditionierung werden dafür sorgen.«
Stephanie entspannte sich ein wenig in ihrem Sessel. »Valentin wird nicht einmal mitbekommen haben, was mit ihm geschah. Die Medics werden ihn sicher bald wieder zusammengeflickt haben, aber der Zwischenfall wird ernsthafte Zweifel an seinen Fähigkeiten aufkommen lassen. Noch ein paar derartiger Mißgeschicke, und er wird zum Gespött der Leute. Und dann werden wir schließlich einen Weg finden, um uns den armen, schicksalsgebeutelten Valentin endgültig vom Hals zu schaffen, und nichts wird uns mehr daran hindern, die Herrschaft über die Familie anzutreten.«
»Es sei denn, Konstanze kriegt noch ein Kind.«
»Ach ja. Die liebe Stiefmutter. Wenn sie noch ein Kind bekommt, dann könnte der liebe Papa uns zugunsten des Neugeborenen enterben. Und genau aus diesem Grund habe ich unseren Vorkoster bestochen, die Kontrazeptiva zu übersehen, die ich in Konstanzes Essen mische. Sie kann genausowenig ein Kind bekommen wie der Herr Papa.« Daniel starrte seine Schwester an.
»Und was, wenn der Vorkoster plötzlich Skrupel bekommt und uns verrät?«
»Keine Sorge, das wird nicht geschehen. Er kann uns nicht verraten, ohne seinen eigenen Hals in die Schlinge zu stecken.
Er hätte in dem Augenblick zu Vater gehen sollen, als er Verdacht schöpfte. Aber das Geld, das ich ihm bot, war einfach zu verlockend. Außerdem habe ich mich natürlich vorher versichert. Die Droge in seinem eigenen Essen macht extrem abhängig, und ich bin seine einzige Quelle.« Stephanie lachte leise. »Er hat jedermanns Essen überprüft, nur nicht sein eigenes. Hör auf, dir Gedanken zu machen, Daniel. Ich habe an alles gedacht, lieber Bruder.«
Daniel blickte liebevoll zu seiner Schwester. »Du hast immer einen köstlich verschlagenen Verstand gehabt, Stephanie. Wir werden soviel Spaß haben, wenn wir die Familie erst beherrschen.«
Stephanie strahlte ihren Bruder an. »Mit meinem Gehirn und deinen Muskeln erreichen wir alles, was wir wollen. Wirklich alles.«
Beide verstummten, als laute Schritte sich näherten und die Leibwächter Haltung annahmen. Daniel und Stephanie hatten gerade noch Zeit, auf die Füße zu springen und einen gelassenen Gesichtsausdruck aufzusetzen, als Jakob Wolf in die Loge gestürmt kam, gefolgt von ihrer Stiefmutter. Jakob war sichtlich schlechter Laune. Seine schwere Stirn war in verdrießliche Falten gelegt. Seine beiden jüngsten Kinder hatten genug Sinn für Höflichkeit, um sich schweigend vor ihrem Vater zu verbeugen. Der Wolf war rot vor Wut wegen irgendeiner Sache, und die beiden hatten keine Lust, seinen Ärger in ihre Richtung zu lenken. Daniel verbeugte sich auch vor seiner Stiefmutter, doch Stephanie nickte kaum. Konstanze Wolf lächelte beiden zu.
Konstanze war siebzehn und bereits jetzt eine atemberaubende Schönheit auf einer Welt, die wegen ihrer schönen Frauen berühmt war. Sie war groß und blond und besaß vollendete Proportionen. Sie schien vor Gesundheit und guter Laune und schierer Erotik nur so zu sprühen. Allein ihr Anblick reichte aus, um die Hormondrüsen eines Mannes zu Höchstleistungen anzuspornen. Jakob hatte sie auf traditionelle Weise als seine neue Frau gewonnen, indem er einfach alle anderen Verehrer unter Druck gesetzt und die, die sich nicht beugen wollten, in Duellen getötet hatte. Jakob war ein großer Anhänger von Tradition. Konstanze schien mit dem Arrangement recht zufrieden; immerhin wurde sie auf diese Weise zu einer der mächtigsten Frauen Golgathas. Sie hatte sich schnell in ihre Rolle eingelebt und lenkte nun den Clan und ihren Mann. Die drei Wolf-Kinder hatten mit verschiedenen Graden von Besorgnis reagiert, als Konstanzes Wort zum Gesetz wurde und ihre Launenhaftigkeit immer mehr zunahm.
Jakob wußte genau, was hinter seinem Rücken vorging, aber er schwieg. Es war Sache seiner Frau und seiner Kinder, ihre eigene Hackordnung auszumachen. Solange sie in der Öffentlichkeit höflich miteinander umgingen und sich nicht in seiner Gegenwart stritten, war es ihm egal.
Unvermittelt wandte der Wolf sich zu den überraschten Kindern und seiner Frau und funkelte sie an. »Der alte Sommer-Eiland starb heute am Hof. In einem Duell mit Kid Death. Sein eigener verdammter Enkel. Es gibt keinen Familienstolz mehr.«
Daniel lächelte verkrampft. »Die Jugend muß ihre Chance bekommen, Vater. Die Alten müssen den Jungen Platz machen. So ist das Leben.«
Der alte Wolf musterte seinen jüngsten Sohn verächtlich.
»Wenn du es je wagst, eine Hand gegen mich zu heben, Junge, dann schneide ich dir den ganzen Arm ab. Oder meinst du vielleicht, du wärst fähig, diese Familie zu leiten?«
»Natürlich nicht, Vater. Noch nicht.«
»Du wirst niemals soweit sein, wenn du dich nicht ganz gewaltig ranhältst. Aber ich werde noch einen Mann aus dir machen, Junge, und wenn deine Schwester sich auf den Kopf stellt, das verspreche ich dir.«
»Das ist nicht fair!« beschwerte sich Stephanie und stellte sich schützend vor ihren Bruder. »Irgend jemand muß sich schließlich um ihn kümmern.«
»Er ist ein Wolf. Er hat verdammt noch mal alleine auf sich aufzupassen!« schnappte der alte Wolf. »Das ist es, was einen Mann ausmacht! Ich werde nicht immer da sein, um seine Rotznase abzuwischen.«
»Hört jetzt gefälligst auf zu streiten«, mischte sich Konstanze ein und zog einen hinreißenden Schmollmund, während sie dem alten Wolf eine besänftigende Hand auf den Arm legte.
»Du wirst noch mindestens hundert Jahre leben, und ich werde nicht dulden, daß du anders sprichst. Außerdem ist der Tag viel zu schön, um sich zu streiten. Wollten wir nicht ein Familientreffen veranstalten, bevor die Spiele beginnen? Warum fangen wir nicht einfach an?«
»Nicht ohne Valentin«, erwiderte der Wolf. »Ich bezweifle zwar ernsthaft, daß er etwas Sinnvolles beizutragen hat, außer der Adresse seines neuesten Drogenlieferanten, aber er ist mein Ältester und hat ein Recht darauf, anwesend zu sein.
Auch wenn er sich verspätet. Wie immer.«
»Ja«, sagte Daniel. »Ich frage mich, was ihn aufhält?«
Stephanie versteifte sich. Doch Daniel brachte ausnahmsweise genügend Geistesgegenwart auf, um ihr kein verschworenes Lächeln zuzuwerfen. Statt dessen blickte er seinen Vater mit einem Ausdruck von Besorgnis an. Stephanie gesellte sich zu ihrem Bruder. Jakob Wolf zog sich bei Familientreffen nur dann in die private Loge zurück, wenn er wirklich delikate Angelegenheiten zu besprechen hatte. Die Kombination von Öffentlichkeit und Privatsphäre machte es schwierig, eine Wanze zu verstecken, und der eingebaute ESP-Blocker verhinderte psionische Lauschangriffe. Jakob hielt viel von Gründlichkeit.