Der Maskierte Gladiator blieb stehen. Er hätte davonlaufen und ausweichen können, doch das war nicht sein Stil. Er hätte sich ergeben und um Gnade betteln können, aber auch das kam für ihn nicht in Frage. Er hob wütend die Waffe: Morgana, das beste Schwert, das er je gesehen hatte, das aber machtlos war gegen eine implantierte Stahlrüstung. Dann kam ihm eine Idee, und er grinste hinter seinem anonymen Helm. Skye war beinahe über ihm und holte weit mit der Waffe aus, um dem Maskierten den Todesstoß zu versetzen. Der Gladiator schoß in einem perfekten Ausfall nach vorn, und die Spitze Morganas zuckte in einer Bewegung hoch, die beinahe zu schnell war für das menschliche Auge. Sie durchbohrte Skyes rechten Augapfel und das Gehirn dahinter. Der einzige Teil seines Körpers, der nicht unverwundbar war.
Einen langen Augenblick stand Auric Skye da wie vom Blitz getroffen, und Morgana ragte aus seinem Schädel. Dann zog der Maskierte seine Waffe zurück, und Skye brach zusammen, als wäre das Schwert alles gewesen, was ihn noch auf den Beinen hielt. Er fiel schwer zu Boden und blieb regungslos liegen. Der Maskierte Gladiator salutierte mit erhobener Klinge, bevor er sich abwandte. Die Menge tobte. Sie jubelten ihrem Helden zu, bis ihre Kehlen heiser war, klatschten, bis die Hände schmerzten; selbst die, die dumm genug gewesen waren, auf Skye zu wetten, zollten dem Maskierten Champion ihre Bewunderung. Der Maskierte Gladiator stapfte zum Haupttor der Arena zurück und hob eine Hand, um sich für den Applaus zu bedanken. Und Auric Skye, der einen Teil seines Menschseins geopfert hatte, um als Leibwächter für den Chojiro-Clan zu arbeiten, lag tot und vergessen im blutgetränkten Sand.
In der privaten Loge der Wolfs wandte sich Jakob triumphierend zu seiner Familie um. »Also das ist ein wahrer Kämpfer. Finde eine schwache Stelle und nutze deinen Vorteil. Ihr alle könntet eine Menge von einem Mann wie ihm lernen.«
Die Familie murmelte eine höfliche Antwort, aber alle behielten ihre Gedanken für sich. Jeder aus dem Wolf-Clan kannte alle Tricks, um die Schwächen seiner Gegner zu finden und zu seinem Vorteil zu nutzen, während man seine eigenen Fehler verbarg. Es hielt sie von Tag zu Tag am Leben.
Daniel stellte sich vor, selbst hinter der geheimnisvollen Maske zu stecken und über eine ganze Reihe sterbender Körper zu triumphieren – nicht zuletzt über seinen Bruder Valentin und seinen Vater. Stephanie dachte über ein Gerücht nach, demzufolge sich hinter dem stählernen Helm das Gesicht einer Frau verbarg, nicht das eines Mannes. Sie lächelte bei dem Gedanken und zahlreich waren die Gesichter derer, die geschlagen zu ihren Füßen lagen. Jakob versuchte zum hundertsten Mal vergeblich, einen Plan zu entwickeln, wie er den Maskierten Gladiator mit legalen und illegalen Mitteln auf seine Seite ziehen könnte. Konstanze tätschelte liebevoll den Arm ihres Mannes, während sie Heiratspläne für ihre Stiefkinder schmiedete, damit sie endlich das Haus verließen und sie die uneingeschränkte Macht über den alten Wolf erlangen konnte. Und Valentin dachte über die vielen Tode nach, die seine Hände heute verursacht hatten. Er grinste und grinste und grinste.
KAPITEL FÜNF
FEINDE, FREUNDE, ALLIIERTE
Nebelwelt war der Planet der Rebellen! Der einzige Rebellenplanet im gesamten Imperium. Eine Welt, geschaffen von Renegaten, Verrätern, Aufständischen und Unruhestiftern.
Wer nirgendwo sonst einen sicheren Ort gefunden hatte, der kam nach Nebelwelt. Gesetzlose, Vogelfreie, abtrünnige Esper, Kriminelle, Abschaum und Schmutz, sie alle endeten auf dem Planeten des ewigen Winters, wenn das Imperium ihrer nicht vorher habhaft wurde. Die Welt, die sie sich geschaffen hatten, war weder besonders zivilisiert noch besonders schön. Aber sie war frei, und jeder Mann, jede Frau und jedes Kind auf Nebelwelt würde bis zum Tod kämpfen, damit es auch dabei blieb. Pläne für Rebellionen und Aufstände gegen das Imperium kamen und gingen, ohne viel zu bewirken, weil die Rebellen nur sicher waren, solange sie auf Nebelwelt blieben. Der Planet lag unter einem starken psionischen Schutzschirm, der allem ebenbürtig war, was das Imperium gegen die Nebelwelt schicken konnte. Die einzige Stadt, Nebelhafen, war übersät von Verrätern und Spionen, und nicht wenige davon arbeiteten für das Imperium. Die Herrscherin liebte es zu wissen, was auf sie zukam.
Und zu diesem letzten Refugium, dieser letzten Hoffnung, diesem letzten Wurf der Schicksalswürfel kamen Hazel d’Ark und Owen Todtsteltzer, die ehemalige Klonpascherin und der vogelfreie Lord, um eine Rebellion anzuzetteln, die sich bis weit über die Grenzen der Welt erstrecken sollte, auf der alles begann.
Die Sonnenschreiter schoß aus dem Hyperraum wie eine Kugel aus einer Kanone, und dann senkte sie sich beinahe zögernd in einen weiten Orbit um Nebelwelt. Die Schilde fuhren hoch, und die Sensorfühler glühten heiß. Aber nirgendwo fand sich eine Spur der beiden Imperialen Sternenkreuzer, die sie im Virimonde-System angegriffen hatten. Mit einem erleichterten Seufzen sank Owen zurück in den komfortablen Sessel in der Hauptkabine der Sonnenschreiter. Hazel blinzelte respektvoll.
»Ich bin beeindruckt«, sagte sie schließlich. »Wir sind in einem einzigen Sprung quer durch das ganze verdammte Imperium bis hierher gekommen. Normalerweise benötigt man mindestens sieben Hyperraumsprünge, und selbst das funktioniert nur mit einem Heißsporn von Navigator. Wieviel Energie hat uns das gekostet?«
»Kaum irgendwelche«, entgegnete Owen selbstgefällig.
»Ich habe Euch doch gesagt, daß dies ein völlig neuartiger Antrieb ist. Dagegen ist alles andere veraltet.«
»Und wie arbeitet er?«
Owen zuckte die Schultern. »Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung. Ich habe das Schiff nicht entwickelt, sondern gekauft. Meine KI hat sich mit den Handbüchern auseinandergesetzt und kann das Ding fliegen. Ich bin nicht sonderlich begabt in technischen Dingen. Ich hatte immer meine Leute für so etwas.«
Hazel rümpfte die Nase. »Das ist eine Angewohnheit, die du schleunigst ablegen solltest. Ein Gesetzloser kann sich nicht leisten, sich auf jemand anderen als sich selbst zu verlassen.«
»Ich werd’s mir merken«, erwiderte Owen freundlich. »Also gut. Und was machen wir als nächstes?«
»Wir werden ganz höflich um Landeerlaubnis bitten. Wenn wir erst unten sind, schützen uns die Esper des Planeten. Hier draußen sind wir eine leichte Beute für das erste Imperiale Schiff, das aus dem Hyperraum kommt. Ich glaube nicht, daß es lange dauert, bis sie herkommen und nach uns suchen.
Dein Schiff mag zwar schnell sein, aber es besitzt keinerlei schwere Waffen.«
»Nun, Ihr habt recht«, stimmte Owen zu. »Die Sonnenschreiter war als Vergnügungsjacht gedacht und nicht als Kriegsschiff.«
»Das nächste Mal blätterst du ein wenig weiter in deinem Bestellkatalog. Ich werde mit dem Raumhafen Verbindung aufnehmen. Es gibt nur einen einzigen Raumhafen auf Nebelwelt. Und auch nur eine einzige Stadt. Nebelwelt ist nicht gerade dicht besiedelt, und wenn du erst für eine Weile hier gelebt hast, dann weiß du auch, warum. Verdammt trostlose Gegend. Alles ist voller Eis und Schnee und Nebel. Ich hoffe nur, daß ich einige Fäden ziehen und ein paar alte Schulden einfordern kann. Ist schon eine Weile her, daß ich auf dieser Welt war, und ich bin nicht sicher, ob noch Freunde in Nebelhafen auf mich warten.«
Hazel verstummte stirnrunzelnd. Owen betrachtete sie nachdenklich. Irgendwie faszinierte ihn diese Frau, und wenn es nur daran lag, daß er noch nie zuvor jemanden wie Hazel d’Ark getroffen hatte. Er war in dem Glauben aufgewachsen, daß nur ein toter Rebell ein guter Rebell sei, und nun gehörte er selbst zu den Ausgestoßenen. Sein Leben hatte sich von Grund auf geändert, und er würde Hazels Welt sehr rasch begreifen müssen, wenn er darin überleben wollte.