»Was hat Euch denn beim letzten Mal hergeführt?« fragte er beiläufig.
Hazel schreckte aus ihren Gedanken hoch, dann zuckte sie selbstbewußt die Schultern. »Ich habe einige Zeit damit verbracht, mich von meiner Arbeit als Söldner auf Loki zu erholen. Die Erbfolgekriege, weißt du? Wie üblich hatte ich dank meiner natürlichen Geistesgegenwart und meiner massiven Erfahrung keinerlei Schwierigkeiten, mich in die Lohnliste der falschen Seite einzuschreiben. Sie haben uns mächtig in den Arsch getreten und in alle Winde zerstreut. Ich bin anschließend hier gelandet, weil ich dachte, das wäre der einzige Ort, an dem meine Feinde nicht nach mir suchen würden. Wie sich später herausstellte, habe ich mich auch darin getäuscht.
Aber das ist eine andere Geschichte.«
»Was werden wir unternehmen, nachdem wir gelandet sind?« fragte Owen. »Sicher suchen verdammt viele Leute nach mir. Der Preis auf meinen Kopf würde wahrscheinlich sogar eine Nonne in Versuchung führen.«
» Wir? Was meinst du mit wir? Ich hab’ deinen Arsch aus der Feuerlinie gezogen, weil ich nicht dabeistehen und zusehen konnte, wie sie dich umbringen, aber ich bin nicht deine Adoptivmutter. Wenn ich vorher gewußt hätte, daß du ein Aristo bist, dann hätte ich wahrscheinlich auch auf dich geschossen. So wie du aussiehst, trennen sich unsere Wege nach der Landung. Das letzte, was ich gebrauchen kann, ist ein ahnungsloser Grünschnabel wie du, der mich aufhält und überall die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Ich muß mein Leben wieder in Ordnung bringen, Todtsteltzer. Das wird auch ohne deine Begleitung schwer genug.«
»Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen«, beschwerte sich Owen mit rotem Kopf. »Ich bin von den besten Lehrern des Imperiums als Kämpfer ausgebildet worden!«
»Nach dem zu urteilen, was ich auf Virimonde gesehen habe, solltest du dir dein Geld zurückgeben lassen. Du bist eine Belastung, Owen. Ich habe meine eigenen Probleme. Dir wird schon nichts geschehen. Verkauf dein Schiff, und du bist wahrscheinlich einer der wohlhabendsten Bewohner von Nebelwelt. Wenn sie dich nicht übers Ohr hauen.«
»Ich soll die Sonnenschreiter verkaufen? Seid Ihr noch zu retten? Sie ist meine einzige Chance, diesen Planeten wieder zu verlassen!«
»Owen, du wirst gar nichts verlassen. Dieser Planet hier ist das Ende der Fahnenstange für Leute wie dich und mich. Nebelwelt ist der einzige Planet im gesamten Imperium, wo du vielleicht überleben kannst. Woanders schneiden sie dir den Kopf im gleichen Augenblick ab, in dem du aus deinem Loch kommst. Es wird dir bestimmt nicht leichtfallen, dich hier einzugewöhnen, aber du hast wenigstens die Chance, dich zur Wehr zu setzen. Und das ist das Beste, auf was du als Gesetzloser hoffen kannst.«
Owen dachte angestrengt nach. Er haßte es, sich das einzugestehen, doch er brauchte Hazel d’Ark. Sie war laut, herrisch und definitiv ordinär, aber sie verstand seine neue Welt von Gesetzlosen und Kriminellen, und er nicht. Jedenfalls bis jetzt.
»Ihr könnt mich nicht einfach fallenlassen!« beschwerte er sich. »Ihr habt Beziehungen auf dieser Welt, und ich kenne niemanden. Ihr könnt nicht einfach davonspazieren und mich den Wölfen überlassen.«
»Hör mir gut zu!« entgegnete Hazel. »Ich schulde dir gar nichts, Aristo! Wenn ich von Anfang an gewußt hätte, daß du dich so an mich klammern würdest, dann hätte ich dich höchstpersönlich erschossen.«
Also gut, dachte Owen. Soviel zu der Idee, an ihr besseres Ich zu appellieren. Aber was habe ich anderes erwartet? Sie ist schließlich eine Gesetzlose.
»Was haltet Ihr davon: Ich stelle Euch als meine Leibwächterin ein, bis ich hier zurechtkomme. Nennt Euren Preis.«
Hazel blickte ihn nachdenklich an. »Und womit willst du mich bezahlen?«
»Wie Ihr selbst eben ausgeführt habt, wird der Verkauf der Sonnenschreiter mich zu einem reichen Mann machen. Wenn die richtige Person die Verhandlungen führt.«
»Zehn Prozent«, erwiderte Hazel ausdruckslos. »Ich kriege mein Geld vor Abzug deiner Unkosten, und du stellst keine weiteren Bedingungen. Und du jammerst mir nicht die Ohren voll, beschwerst dich nicht andauernd und stellst keine unverschämten Fragen. Ich bleibe bei dir, bis du dich eingelebt hast, aber danach verschwinde ich. Du bist ein zu verlockendes Ziel, Owen Todtsteltzer. Ich werde schon nervös, wenn ich nur neben dir stehe.«
Owen schäumte innerlich. Er hatte den starken Verdacht, daß er mit zehn Prozent des Geldes, das seine Sonnenschreiter bringen würde, ein Dutzend Leibwächter bis an sein Lebensende finanzieren könnte. Aber so wie die Dinge liefen, hatte er keine große Wahl. Er konnte sie nicht wie ein Lord herumkommandieren oder sie als Freundin bitten, also blieb nur Geld übrig.
»In Ordnung«, sagte er barsch. »Ich bin einverstanden.«
Owen streckte die Hand aus, doch Hazel blickte nur ungerührt darauf und sagte: »Vergiß es, Todtsteltzer. Wir beide haben keinen Grund, einander zu vertrauen. Du solltest dir nur merken, daß ich dich in mundgerechte Happen zerlege, sobald du versuchst, mich reinzulegen – ob du nun die teuersten Trainer der Galaxis hattest oder nicht. Und jetzt laß mich nachdenken.«
Sie stand für einige Zeit da und runzelte in angestrengter Konzentration die Stirn. Owen senkte seine Hand und hakte den Daumen hinter dem Schwert in den Gürtel. Jeden anderen hätte er für eine derartige Beleidigung zum Duell gefordert, aber Hazel war etwas Besonderes. Er hatte das Gefühl, als könne er sie sogar eines Tages respektieren. Wenn er sie nicht vorher umbrachte. Sie seufzte plötzlich, als wäre sie zu einem Entschluß gekommen, der ihr nicht sonderlich zusagte, und fixierte Owen erneut mit ihrem spöttischen Grinsen.
»Angenommen, die wenigen Freunde, die ich mir bei meinem letzten Aufenthalt auf Nebelwelt geschaffen habe, sind noch immer am Leben, und angenommen, sie sind noch immer meine Freunde – dann sollte ich imstande sein, uns die Quarantäne zu ersparen. Wir können es uns nicht leisten, so lange hier herumzuhängen, bis man unsere Identität herausgefunden hat. Unglücklicherweise können wir es uns aber auch nicht leisten, uns auf meine alten Kontakte zu verlassen. Die Lebenserwartung auf Nebelwelt ist nicht besonders hoch.
Wenn die Leute einen nicht umbringen, dann macht es der verdammte Planet. Ich hoffe, daß du ein paar vernünftig warme Klamotten irgendwo auf diesem Schiff verstaut hast, Todtsteltzer. Ansonsten werden wir auf der Stelle festfrieren, sobald wir das Schiff verlassen.«
Owen zog ein verdrießliches Gesicht. »Angenommen, Eure alten Kontakte weilen nicht länger unter den Lebenden oder den Euch freundlich Gesonnenen, und wir kommen nicht um die Quarantäne herum – wie lange wird man uns hier festhalten?«
»Lange genug, um einen Esper herbeizurufen, der unseren Verstand nach etwas Verdächtigem durchwühlt. Die Sicherheitsleute von Nebelhafen nehmen ihre Aufgabe sehr ernst.
Das Imperium versucht immer wieder, Schiffe mit versteckten Seuchen und dergleichen einzuschmuggeln.«
»Und wir können uns nicht leisten, daß man uns identifiziert«, sagte Owen. »Großartig. Einfach großartig. Also gut, Hazel d’Ark. Macht, was immer Ihr für notwendig erachtet, aber sorgt dafür, daß man uns nicht in Quarantäne steckt. Und behaltet im Hinterkopf, daß die erforderlichen Bestechungsgelder, egal wie hoch sie sein mögen, von Eurem Anteil abgehen. Ist das klar?«
Hazel nickte anerkennend. »Ich sehe, daß du langsam beginnst, wie ein richtiger Gesetzloser zu denken.«
»Was für ein Planet ist Nebelwelt?« fragte Owen, während sie zu den Komm-Paneelen gingen. »Nach Euren Worten zu urteilen muß es ja die reinste Hölle sein!«