»Nebelwelt ist eine harte Welt, Todtsteltzer. Sehr arm, kaum höhere Technologie, und die Leute, die hierherkommen, gehören zu den Niedrigsten der Niedrigen.«
»Ich bin sicher, Ihr fühlt Euch her wie zu Hause, Hazel d’Ark.«
»Die Bemerkung wirst du noch bereuen, Aristo. In den langen, kalten Tagen, die vor dir liegen. Entweder du lernst dich einzufügen, oder du stirbst. Du hast die Wahl.
Ozymandius, hörst du zu?«
»Selbstverständlich, Hazel«, erwiderte die KI prompt. »Eine Menge Leute haben versucht, Kontakt mit uns aufzunehmen.
Ich habe gewartet, um mich zu versichern, ob wir mit ihnen reden wollen.«
»Stell mich zum Kontrollturm von Nebelhafen durch«, befahl Hazel. »Alle anderen können warten.«
»Wie Ihr wünscht. Darf ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß ich ein sehr hochentwickeltes System habe und sehr wohl imstande bin, jede KI hinters Licht zu führen, die der Raumhafen möglicherweise besitzt?«
»Denk nicht mal dran«, entgegnete. Hazel scharf. »Was hier unten als Lektronenhirn dient, würde dir glatt die nicht vorhandene Spucke verschlagen. Es sind Esper, und sie sind sehr stark und extrem gefährlich. Schirm dich immer gut ab und bleib von allem weg, was nicht hundertprozentig menschlich ist. Die Lektronenhirne besitzen wie alles andere auf Nebelwelt Zähne, die dir Alpträume bescheren würden.«
»Nette Gegend, wo Ihr mich da hingebracht habt«, sagte Ozymandius indigniert.
»Sie hat ihre Reize. Ruf jetzt den Kontrollturm, Ozymandius… Hallo, Nebelhafen Kontrolle? Hier ist die Sonnenschreiter. Wir bitten um Asyl. Bestätigung.«
»Hier spricht Esper vom Dienst John Silver«, erklang eine müde Stimme aus dem Lautsprecher der Konsole. »Hört auf, dauernd Eure Systeme neu zu justieren. Wir haben das visuelle Signal schon wieder verloren. Ich brauche vollständige Angaben über Eure Mannschaft, Eure Fracht und den letzten Planeten, auf dem Ihr gewesen seid. Macht Euch nicht die Mühe zu lügen. Unsere Esper werden sowieso die Wahrheit aus Euch herausholen.«
»John?« fragte Hazel und grinste plötzlich. »Bist du das wirklich, John? Du alter Pirat! Deine Stimme hätte ich am allerwenigsten erwartet. Hier spricht Hazel d’Ark. Erinnerst du dich? Wir haben bei der Engelder-Nacht-Geschichte zusammengearbeitet.«
»Der Herr beschütze und rette uns«, sagte die Stimme ein wenig freundlicher. »Die verdammte Hazel d’Ark! Ich hab’
immer gewußt, daß du eines Tages wieder auftauchen würdest. Ganz ohne Zweifel ist eine Armee von Gläubigern hinter dir her, wetten? Wer ist denn diesmal wieder stinksauer auf dich, eh?«
»Praktisch das gesamte verdammte Imperium. Hör mal, John. Du mußt mir einen Gefallen tun.«
»Wie immer. Was ist es denn diesmal, Hazel?«
»Ich kann mir nicht leisten, in Quarantäne zu gehen. Zu viele Leute sind hinter mir und diesem Schiff her. Ich muß eine Weile nach unten. Kannst du für mich bürgen?«
»Kommt darauf an. Bist du allein?«
»Ein Passagier, John. Und ich bürge für ihn.«
»Keine besondere Empfehlung, Hazel. Ich habe das starke Gefühl, daß ich meine Entscheidung noch bereuen werde - aber in Ordnung. Stellt euer Schiff auf Planquadrat sieben, und dann verschwindet im Nebel. Aber ich kann dir nicht mehr als vierundzwanzig Stunden geben.«
»Das sollte reichen. Danke, John. Wie zur Hölle kommt ein sturer Pirat wie du zur Sicherheitsbehörde?«
Silver kicherte kurz. »Die Zeiten sind hart, Hazel. Nebelhafen braucht alle Esper, die sie kriegen können. Alles ist vor die Hunde gegangen, seitdem du das letzte Mal hiergewesen bist. Das Imperium hat uns eine wirklich ekelhafte Geschichte an den Hals gehängt, eine Art Typhus-Marie. Mehr als die Hälfte unserer Esper ist gestorben, und Tausende von Leuten sind durchgedreht. Deshalb sind die Sicherheitsmaßnahmen strenger als je zuvor, aber wir haben einfach nicht genügend Leute, um sie auch durchzusetzen. Besuch mich mal, wenn du in der Nähe bist. Außer, wenn du noch immer in Schwierigkeiten steckst. In diesem Fall habe ich nie von dir gehört. Ende.«
»Also das war jetzt wirklich Glück«, sagte Owen und unterbrach sich sofort, als er Hazels Gesichtsausdruck bemerkte.
»Oder vielleicht nicht?«
»Kann ich noch nicht sagen, Aristo. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Der John Silver, den ich kannte, war ein verdammter Pirat und Bauernfänger. Und jetzt soll er das Kommando über die Sicherheitsbehörden von Nebelhafen haben?
Da muß ja wirklich einiges schiefgegangen sein, seitdem ich das letzte Mal auf Nebelwelt war. Aber wir sind noch nicht aus dem Schneider, Mann. Uns bleiben vierundzwanzig Stunden, und dann melde ich mich lieber mit einer Menge überzeugender Antworten, oder Silvers Leute nehmen die Stadt auseinander, bis sie uns gefunden haben. Als erstes werden wir die verbleibende Zeit nutzen, um einen Käufer für die Sonnenschreiter zu finden, bevor jemand das Schiff erkennt.
Du kannst deinen Arsch darauf verwetten, daß inzwischen jeder Imperiale Agent auf Nebelwelt eine detaillierte Beschreibung des Schiffs und deiner Person besitzt. Und das bedeutet, uns bleiben genau vierundzwanzig Stunden, um den Handel perfekt zu machen, das Geld auf die Bank zu bringen und den Kopf so sorgfältig einzuziehen, daß selbst die talentiertesten und motiviertesten Leute nicht imstande sind, uns zu finden. Wenn ein wenig Gras über die Sache gewachsen ist, können wir mit neuen Namen und Geschichten und Geld wie Heu wieder aus der Versenkung auftauchen.«
»Warum können wir nicht einfach unser Aussehen in einem Körperladen verändern?« fragte Owen unschuldig.
Hazel betrachtete ihn wie eine Lehrerin, die es mit einem besonders begriffsstutzigen, starrköpfigen Kind zu tun hatte.
Owen wurde diesen Blick allmählich leid, aber er zügelte sein Temperament.
»Erinnerst du dich an das, was ich dir über die Hochtechnologie auf dieser Welt erzählt habe? Hier gibt es nur das, was Schmuggler am Imperium vorbeischaffen können. Ich will damit nicht sagen, daß es auf Nebelwelt überhaupt keinen Körperladen gibt, aber wenn, dann kannst du deinen Arsch darauf verwetten, daß es der einzige ist. Und er wird so exklusiv sein, daß sie einen Arm und ein Bein als Bezahlung von dir verlangen. Wahrscheinlich im wahrsten Sinne des Wortes.
Und das bedeutet, daß dieser Laden Tag und Nacht von Imperialen Agenten beobachtet wird – nur für den Fall, daß wir wirklich dumm genug sind, uns in seiner Nähe sehen zu lassen. Versuch endlich zu denken, Todtsteltzer. Ich kann nicht die ganze Zeit deine Amme spielen. Und bevor du jetzt wieder zu schmollen anfängst… könntest du dir vielleicht Gedanken darüber machen, wie wir an ein wenig Spielgeld kommen? Ich hab’ hier und da ein paar Kredits in Nebelhafen, aber es ist nicht viel. Und ich hab’s auf die harte Tour verdient.«
»Ehrlich?« fragte Owen. »Wie?«
»Das geht dich nichts an.
Ozymandius? Haben wir inzwischen Landeerlaubnis?«
»Sobald wir die an Wucher grenzenden Gebühren bezahlt haben, Hazel.«
Owen wollte wissen, wieviel. Die KI gab die gewünschte Auskunft, und Owen bekam beinahe einen Anfall. »Das werde ich nicht bezahlen! Das ist maßlos!«
»Nicht wirklich«, widersprach Hazel. »Nicht, wenn du bedenkst, wieviel mehr Geld sie kriegen könnten, wenn sie dich an das Imperium ausliefern. Und – nur, damit es keinen Irrtum gibt – nein, das geht nicht von meinen zehn Prozent ab.«
Ozymandius räusperte sich; eine Angewohnheit, die Owen jedesmal aufs neue irritierte (nicht zuletzt deswegen, weil die KI gar keinen Hals zum Räuspern besaß). »Owen, ich denke, ich sollte dich daran erinnern, daß die versteckten Dateien in meinem System sehr genau sind, was ein gewisses Etablissement in Nebelhafen angeht. Du solltest es aufsuchen, um Hilfe zu finden.« Die KI machte eine Kunstpause, bevor sie fortfuhr. Als sie wieder sprach, besaß ihre Stimme einen beinahe entschuldigenden Tonfall. »Ich habe außerdem einen Namen und eine Adresse. Aber ich denke, es wird dir nicht zusagen.«