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»Ich bin nicht sicher, ob sie hier überhaupt Rinnsteine haben.«

Die KI rümpfte die Nase. »Ich kann nicht sagen, daß mich das überrascht. Wo treibst du dich rum? Was ist in der Zwischenzeit geschehen?«

»Erzähl’ ich dir später. Sieht so aus, als würden wir am Ende doch nicht ohne Jakob Ohnesorg weiterkommen. Wie lautet noch mal die Adresse?«

»Abraxus-Informationszentrum.«

Owen schüttelte langsam den Kopf. »Die Handschrift meines Vaters wird immer deutlicher. Er läßt uns alle hübsch nach seiner Pfeife tanzen.« Er unterbrach den Kontakt zu Ozymandius und blickte entschuldigend zu Hazel. »Meine KI nennt den gleichen Namen wie Eure Freundin hier. Das Abraxuszentrum scheint alle Antworten zu besitzen.«

»Das möchte ich hoffen«, erwiderte Cyder. »Sie verlangen schließlich auch ziemlich viel Geld. Hast du noch Zugriff auf das Geld, das du auf den Banken von Nebelhafen deponiert hast, Hazel? Du weißt schon, das Geld aus deiner Zeit als… aus deinem letzten Beruf.«

»Ja«, erwiderte Hazel und funkelte Cyder düster an. »Die Konten laufen unter falschem Namen. Es sollte nicht besonders schwer sein, an das Geld zu kommen.«

»Gut«, sagte Cyder. »Du wirst es brauchen. Nebelhafen ist heutzutage ein ziemlich teurer Ort.«

Sie führte die beiden wieder nach unten in die Bar, die noch überfüllter schien als zuvor. Der fröhliche Krach war beinahe ohrenbetäubend. In einer Ecke des Lokals hatten zwei Frauen einen freundschaftlichen Messerkampf begonnen und wurden von einer dankbaren Menge angefeuert. Owen blickte mißtrauisch auf das Geschehen, während er Cyder und Hazel durch das Gewühl folgte. Die zusammengedrängten Gäste öffneten vor Cyder, die für jeden Besucher ein Lächeln und ein Kopfnicken übrig hatte, eine Gasse. Plötzlich blockierte eine alarmierend große Gestalt ihren Weg. Owen warf einen Blick über Cyders Schulter, und unwillkürlich fiel seine Hand auf den Griff seines Schwertes. Die Gestalt wischte Cyder mit einer mühelosen Handbewegung zur Seite, als wäre sie ein kleines Kind, und blickte grinsend auf Hazel herab. Owen schien nur Luft für sie zu sein. Die Menge wich zurück und schuf reichlich freien Raum. Sie wußten, daß man einem Wampyr besser nicht in den Weg kam.

Owen musterte die grinsende Gestalt bedächtig. Er hatte schon vom Wampyren gehört, aber er hatte noch nie einen lebenden zu Gesicht bekommen. Es gab nicht viele Menschen, die einen Wampyr gesehen und lange genug überlebt hatten, um anderen davon zu berichten. Man hatte die Wampyre geschaffen, um die treulosen Hadenmänner als Stoßtruppen des Imperiums zu ersetzen. Die biotechnisch aufgerüsteten Bewohner von Haden waren zu mächtig gewesen, um kontrollierbar zu sein. Also hatten die Wissenschaftler des Imperiums einen anderen Weg eingeschlagen und ein neues, künstliches, unglaublich energiereiches Blut geschaffen, das jeden Mann in einen unüberwindlichen Krieger verwandelte: stark, schnell und selbstregenerierend. Der einzige Nachteil bestand darin, daß man das Subjekt zuerst töten und das alte Blut heraussaugen mußte, bevor man das neue Blut hineinpumpen und die Wiederbelebung einleiten konnte. Die Wissenschaftler erreichten schließlich eine Erfolgsquote von siebzig Prozent. Das reichte dem Imperium.

Das Resultat war ein lebender Toter. Wampyre spürten keinen Schmerz. Sie spürten auch keine Freude. Sie spürten überhaupt nichts. Ihr einziges Vergnügen war der Kampf, und der einzige Nervenkitzel das beschränkte Vergnügen mentaler Befriedigung. Sie labten sich an den Qualen anderer, grausam wie Killerkatzen und genauso geduldig und tödlich. Sie aßen oder tranken nicht, doch ihr künstliches Blut mußte durch regelmäßige Zufuhr menschlichen Blutes regeneriert und revitalisiert werden. Meist tranken die Wampyre es einfach, weil sie den Effekt auf eventuelle Beobachter genossen.

Sie bildeten exzellente Stoßtruppen mit einem übertriebenen Hang zur Gründlichkeit, und sie waren nur schwer wieder zurückzurufen. Am Ende erwiesen sie sich als schlicht zu teuer für eine Massenproduktion, und zögernd wurde das Projekt wieder eingestellt. Die verbliebenen Wampyre brauchten den Kampf genauso wie das Blut, und so verstreuten sie sich auf der Suche nach organisiertem Tod und Zerstörung durch das gesamte Reich. Sie waren unbeliebt, wurden aber häufig eingesetzt, und so wuchs ihr Ruf: Die untoten Soldaten, die ihren eigenen Tod genauso begierig suchten wie den ihrer Gegner.

Owen vermutete, daß es unausweichlich war, auf Nebelwelt Wampyren zu begegnen. Aller Abschaum fand sich hier ein.

Das Exemplar, das sich vor Hazel aufgebaut hatte, war beinahe zweieinhalb Meter groß. Geschmeidig und muskulös wie eine Raubkatze, ging von ihm eine beinahe spürbare Bedrohung aus. Die Haut des Wampyrs war vollkommen farblos, und Owen wußte, daß sie sich eiskalt anfühlte. Das Gesicht war lang und kantig, flach mit hochstehenden Wangenknochen, und die Augen blickten starr und düster. Ein Lächeln zog die bleichen Lippen auseinander, aber es spiegelte sich nicht in den kalten Augen. Der Wampyr stand dort wie ein Kämpfer im Ring, der auf den Gong wartete. Im Augenblick war sein Blick auf Hazel fixiert, und Owen war froh, daß es so blieb. Der Wampyr weckte die tiefverborgenen Urängste in jedem, den er anstarrte. Owen beobachtete Hazel, um zu sehen, wie sie die Provokation aufnahm, und zu seiner Überraschung schien sie mehr ärgerlich zu sein als alles andere.

»Hazel d’Ark«, sagte die Kreatur schließlich mit einer Stimme so kalt und leblos wie ein Grab. »Du bist zu mir zurückgekommen!«

»Luzius Abbott«, erwiderte Hazel mit Abscheu in der Stimme. »Du stehst an oberster Stelle auf der Liste der Leute, die mich am Arsch lecken können. Warum hast du nicht genügend Taktgefühl besessen und bist vor langer Zeit gestorben?«

»Bin ich«, erwiderte Abbott. »Aber sie haben mich wiederbelebt. Und jetzt lebe ich durch Leute wie dich weiter. Du hättest nicht weglaufen dürfen, Hazel. Du gehörst mir, und so wird es immer bleiben. Dein Blut ist durch meine Adern geflossen.«

Owen schob sich neben Hazel. »Wovon redet er?«

Abbotts Grinsen wurde breiter. »Hast du es ihm nicht erzählt, Hazel? Hast du ihm verschwiegen, daß du ein Plasmakind warst?«

Plasmakind. Ein Frösteln durchfuhr Owen, und er mußte sich anstrengen, nicht zu erschauern. Er kannte das Wort. Das waren die, die Wampyre ihr Blut direkt aus den Augen saugen ließen; eine Beziehung zwischen Herr und Sklave, von der man sagte, sie wäre weitaus intensiver als Sex oder Liebe.

Eine der wenigen Perversionen, die im gesamten Imperium verboten waren. Die Wampyre waren auch ohne ein Heer von ihnen folgenden fanatischen Plasmasüchtigen gefährlich genug. Owen blickte zu Hazel, und sie funkelte wütend zurück, als sie das Mitleid in seinen Augen erkannte.

»Ich war nie eine seiner kranken Puppen! Hin und wieder habe ich auf dem Schwarzmarkt mein Blut verkauft, aber nur, wenn die Zeiten hart waren und ich unbedingt Geld brauchte.

Seine dreckigen Lippen haben mich niemals berührt, und was er von mir bekam, das mußte er teuer bezahlen. Und jetzt geh mir aus dem Weg, Abbott, oder ich schwöre bei Gott, daß ich dich in das Grab bringe, in das du schon seit Jahren gehörst!«

»Du gehörst mir, Hazel.« Die Stimme des Wampyrs war eiskalt und bekam plötzlich einen befehlenden Ton. »Knie nieder!«

Die Macht in seiner Stimme schien überwältigend, vulgär, unmenschlich. Jeder, der es hörte, erschauerte unwillkürlich.

Hazel zuckte zurück. Sie versuchte ihr Schwert zu ziehen, aber ihre Hände zitterten zu sehr. Mehrere Männer und Frauen in der Menge fielen auf die Knie, und noch mehr zogen sich bis in die äußersten Winkel des Raums zurück. Ein weiter freier Platz bildete sich um den Wampyr und sein Opfer.