Und er war Herr und Schöpfer des Projektors, der die Dunkelwüste geschaffen hatte; in einem einzigen Augenblick hatte er Tausende von Sonnen abgeschaltet und ihre Planeten alleine durch die endlose Nacht treibend zurückgelassen. Die Dunkelwüste. Niemand außerhalb der Familie sprach mehr darüber.
Eine Schande, wie der Erste Todtsteltzer schließlich geendet hatte – aber so war eben die Politik. Sein Sohn hatte
anschließend den Posten des obersten Kriegers des Imperiums übernommen, und die Dinge waren einfach so weitergelaufen, wie sie sollten. Owen dachte oberflächlich darüber nach, was der alte Mann mit seinem letzten Nachkommen angestellt hätte.
Wahrscheinlich hätte er Owen bereits beim geringsten Anzeichen einer intellektuellen Tendenz einschläfern lassen. Owen war das verdammt egal. Er hatte immer gewußt, daß er ein Mann der Feder und nicht des Schwertes war. Sicher, er hatte eine anständige Ausbildung in allen martialischen Künsten erhalten, wie es seinem Rang und seiner Abstammung geziemte, aber es interessierte ihn einfach nicht. Seine Leidenschaft lag im Entschlüsseln und Zusammensetzen der wirren Einzelheiten der Geschichte des Imperiums. Nichts faszinierte ihn so sehr wie der Griff in den dunklen Morast der Legenden und Mythen, aus denen der größte Teil der Vergangenheit zu bestehen schien, und aus dem, was er dort fand, feste, unzweifelhafte Tatsachen zu rekonstruieren, so klar und scharf umrissen wie ein Diamant in einer Kohlenmine. Und wenn Owen eine Lehre gezogen hatte aus all den Geschichten und Märchen, die ihm untergekommen waren, dann war es die Tatsache, daß auf dem Schlachtfeld keine verdammte Ehre und kein strahlender Ruhm zu finden waren. Nur Blut und Schlamm und die endlose Bitterkeit verlorener Hoffnungen.
Wenn man sich erst durch die Berge von Lügen und Propaganda gearbeitet hatte, stellten sich die meisten Kriege im Nachhinein als kleine, armselige Angelegenheiten heraus, die dem Schutz von Handelsinteressen dienten oder das politische Gesicht bestimmter Kreise wahren sollten. Owen wollte verdammt sein, wenn er kämpfen und sterben würde, nur damit irgend jemand anderes seinen Profit daraus ziehen konnte.
Ganz besonders, wo das Leben es so gut mit ihm meinte. Das einzige wirkliche Erbe, das er von seinem bösen, verrückten alten Vorfahren hatte, war der Todtsteltzer-Ring. Ein häßliches, klobiges Stück aus Dunklem Gold, das ihm aus der unvorstellbar entfernten Vergangenheit überliefert worden war: Zeichen und Siegel der Todtsteltzer. Die Familientradition verbot ihm, den Ring auszuziehen, außer wenn er ihn eines Tages an seinen ältesten Sohn weiterreichen würde. Nach seines Vaters Tod hatte man dem Leichnam den Finger abschneiden müssen, um den Ring zu entfernen.
Owen und sein Vater hatten sich nie besonders nahegestanden. Wenn man überlegte, wie sehr die beiden sich äußerlich ähnelten, dann war es eine Überraschung, wie distanziert und unterschiedlich sie gewesen waren. Groß und langgliedrig, besaßen beide dunkles Haar und noch dunklere Augen, und beide bewegten sich mit einer Eleganz, die ihre gute Erziehung und ihr Training in den martialischen Künsten verriet. Aber in diesen Tagen hatte Owen ein wenig von seiner athletischen Schlankheit eingebüßt; das gute Leben und seine befriedigten Gelüste hatten die Konturen seiner Muskeln weicher werden und ein Polster an seinem Bauch wachsen lassen. Nicht sehr ausgeprägt, in keiner Weise – aber Owens alter Waffenmeister würde verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, wenn er erfahren hätte, wie sehr seinem
Schüler die Kondition verlorengegangen war.
Die Tür zum Schlafgemach schwang auf, und Owens Stimmung hob sich beträchtlich, als seine Mätresse hereintänzelte, strahlend und prachtvoll anzusehen und golden gebräunt vom Kopf bis zu den Zehen. Katie DeVries war Anfang Dreißig und besaß einen herrlich festen Körper, der wunderbare Freuden spendete. Sie war von durchschnittlicher Größe, aber in jeder anderen Hinsicht weit vom Durchschnitt entfernt. Lange Beine, üppige Formen und langes blondes Haar, das ein herzförmiges Gesicht mit hoch angesetzten Wangenknochen umrahmte. Katie war ungeheuer stolz auf ihre Formen. Schönheit schwindet dahin, pflegte sie zu sagen, doch ein guter Körperbau bleibt für immer. Sie hatte das breiteste Lächeln, das Owen je gesehen hatte, und für einen Blick aus ihren blauen Augen wäre er glatt gestorben. Katie war inzwischen schon seit sieben Jahren seine Mätresse – seit sie ihm anläßlich des Winterballs von Golgatha vorgestellt worden war. Man hatte sie im Haus der Freuden physisch angepaßt. Sie war ein Schlangenmensch, der das erotische Wissen aller Zeitalter in sich vereinte. Katie steckte voller Überraschungen.
Ihren Kontrakt zu kaufen war die beste Investition, die Owen je gemacht hatte.
Katie trug schon wieder seinen alten, abgenutzten Schlafanzug, aber zur Abwechslung hatte sie ihn diesmal mit Hilfe des Gürtels vorn geschlossen. Normalerweise stand die Jacke weit offen, zum Teil, weil es bequemer war, und zum Teil, weil sie genau wußte, wie gerne er sie betrachtete. Doch diesmal war die Jacke fest geschlossen, und aus irgendeinem Grund spürte Owen Besorgnis. Nicht, daß sie nach sieben Jahren begeisterter Erforschung noch eine Stelle zu verbergen gehabt hätte.
Wahrscheinlich wollte sie ihn bloß necken. Katie wußte genau, wie sie Owen in Fahrt bringen konnte. Owen bemerkte anerkennend, daß sie ein großes Glas geeisten kalten Weines brachte. Sie hatte ein sehr feines Gespür für seine Stimmungen und Wünsche. Andererseits war ihr Anblick erfrischender, als es ein Drink jemals sein konnte. Also nahm er ihr das Glas ab und stellte es entschlossen auf den Nachttisch neben dem Bett. Zuerst die wichtigen Dinge. Owen griff nach Katie, und sie wich zurück, gerade außer Reichweite. Er runzelte verwirrt die Stirn, und sie blickte ihn leidenschaftslos an.
»Schlechter Zug, Owen. Du hättest wirklich deinen Wein austrinken sollen. Du wärst einfach eingeschlafen und nie wieder aufgewacht. Das wäre für uns beide so viel einfacher und erfreulicher gewesen. Jetzt bleibt mir nur noch die harte Tour.«
Katie griff in die Schlafanzugjacke und zog einen Disruptor hervor. Owen blinzelte verständnislos auf die Waffe in ihrer Hand, dann traten seine trainierten Reflexe in Aktion. Er warf sich genau in dem Augenblick aus dem Bett, als Katie abdrückte, und rollte sich auf dem Boden ab, noch immer in seine Bettlaken gewickelt, als hinter ihm das Bett in Flammen aufging. Katie stieß einen unterdrückten Fluch aus und steckte die Waffe weg. Dann zog sie ein langes Messer aus dem Schlafanzug. Owen wunderte sich, was sie noch alles unter der Jacke verborgen haben mochte. Er sprang auf die Beine und riß sich die Laken vom Körper. Ihm blieben zwei Minuten, bis der Kristall des Disruptors wieder aufgeladen war.
Owen wich zurück, während sie mit dem Messer heranrückte, und blickte sich verzweifelt nach einem Gegenstand um, den er als Waffe benutzen konnte. Katies Gesicht strahlte eine ruhige Entschlossenheit aus, als würde sie an einem unwichtigen Rätsel sitzen, dessen Lösung ihr im Augenblick nicht in den Sinn kommen wollte.