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»Ich weiß auch warum«, unterbrach ihn Uthman.

Henri ging auf diese Bemerkung nicht weiter ein, sondern fuhr in seiner Erzählung fort. »Louis hatte sich im Kreis der angeblichen Franziskaner niedergelassen. Er wirkte ziemlich aufgeregt und sprach hektisch auf die anderen in jener Sprache ein, die ich auch in Akkon schon nicht verstanden hatte. Plötzlich sprang er auf und nahm den Beobachtungsposten am Anfang des Serpentinenpfades ein. Lange Zeit blieb er dort reglos stehen. Mir schenkte er keinerlei Beachtung mehr.

Es mochten Stunden vergangen sein, bis am Fuße des Berges zunächst leiser Hufschlag zu hören war, der nach und nach in ein lautes Pferdegetrappel überging. Mindestens drei Reiter schienen sich zu nähern. Louis ging ihnen einige Schritte entgegen. Meine Befürchtung, bei den Reitern könne es sich um seine Kumpane aus Akkon handeln, erwies sich zum Glück als unnötig.

Als Erster zeigte sich ein Lanzenträger. Sein Pferd war mit Federbüschen geschmückt, und am Sattelknopf wehte eine Fahne mit den Farben des Emirs von Al-Qudz. In gebührendem Abstand folgte ein herrliches Ross, ein Araberhengst, der sich seiner Würde bewusst war und in gleichmäßigem Schritt ohne Mühe die letzte steile Wegstrecke überwand. Der Sattel war, das ließ sich nicht übersehen, aus edelstem Leder gefertigt, das Zaumzeug mit goldenen Nägeln beschlagen. Der Reiter selbst war mit einer schillernden Burda bekleidet, deren Saum mit glänzenden Edelsteinen eingefasst war. Auf dem Kopf trug der Reiter einen weißen Turban, unter dem schwarze Locken zum Vorschein kamen. Da sich der Emir niemals herabgelassen hätte, zwielichtige Franziskaner aufzusuchen, musste diese edle Erscheinung zumindest ein hoher Beamter am Hofe des Emirs sein.

Louis war an das Ross herangetreten, um den Steigbügel zu halten – eine absolute Gebärde der Demut. Die anderen Kerle hatten sich sogar hingekniet und die Köpfe gesenkt. Der Abgesandte des Emirs, als solchen sollte ich ihn nämlich später kennen lernen, trat auf mich zu und betrachtete mich mit starrem Blick. ›Ist dies der Tempelritter, den du für unsere wichtige Mission ausgesucht hast?‹ – ›Ja, Herr‹, antwortet Louis. Um seine Macht zu zeigen, erhob er die Peitsche. ›Wenn sich dieser elende Christ störrisch zeigen sollte, werde ich ihn schnell gefügig machen.‹ Der Würdenträger verzog zornig sein Gesicht. ›Dir steht es nicht zu, einen Gefangenen zu züchtigen. Das ist Sache meines Lanzenträgers. Morgen soll dieser Tempelritter dem Emir Nadjm Ghazi vorgeführt werden und seine Befehle entgegennehmen. Ich wünsche nicht, dass ich unserem Gebieter ein Häufchen Brei anbieten muss. Binde den Mann los!‹«

»So ist dir das Glück wieder einmal treu geblieben«, sagte Uthman und seufzte erleichtert. »Weißt du, was ich jetzt meine? Diese hochgestellte Persönlichkeit war einer aus unserer Sippe.«

»Richtig geraten!«, erwiderte Henri. »Die angeblichen Franziskaner wagten keine Widerrede. Wie ich später erfuhr, erhofften sie sich als Gegenleistung für meine Auslieferung die Erlaubnis, den Besuch der Pilgerströme zu reglementieren.«

»Das hätte ja mit einem furchtbaren Gemetzel geendet«, befürchtete Uthman. »Aber was wollte dir der Emir für einen Auftrag geben? Woher wusste er überhaupt von deinem Herkommen und von irgendwelchen Kenntnissen, die ihm von Nutzen sein konnten?«

»Das habe ich mich zunächst auch gefragt. Louis liebedienerte vor dem Abgesandten auf eine Art, die geradezu ekelhaft war. Unter seinen Gefährten war ein Gemurmel entstanden, das man, je nachdem, als Protest oder als Zustimmung auffassen konnte. Der Würdenträger befahl, dass man mir mein Pferd holen solle. Er nahm jedoch nicht zur Kenntnis, dass es ungesattelt war. Einer der Lanzenträger ritt voran. Mir gab man nicht die Ehre, gleich hinter ihm reiten zu dürfen. Ich wurde von zwei weiteren Lanzenträgern eingerahmt, die hinter der nächsten Biegung gewartet hatten. Ich war froh, dass sie mich nicht wie einen Verbrecher vor sich auf den Sattel gelegt hatten oder gar an einem Strick zu Fuß hinter sich herzerrten. So nahm ich Abschied vom Berg Zion.

Natürlich erhielt ich keine Unterkunft im Haus meines Retters und erst recht nicht im Palast des Emirs. Man brachte mich in eine Kammer mit vergitterten Fensterluken, verzichtete darauf, mich zu fesseln, postierte jedoch einen bewaffneten Mamelucken vor der eisernen Tür. Ich tröstete mich damit, dass dies immerhin sehr viel besser war als der Baum auf dem Tempelberg, an den man mich gebunden hatte. Offensichtlich hatte der Würdenträger seinen Leuten untersagt, mich zu schlagen. Aber das dürftige Stroh, das sie auf den Boden geschüttet hatten, war nass und roch nach Pferdemist. Sie hatten es wohl aus dem Stall nicht nach draußen in den Hof, sondern hierher getragen. Ich hoffte, dass wenigstens meine Stute auf sauberem Stroh stehen durfte und dass man sie getränkt und gefüttert hatte. Ich erhielt nichts, weder einen Schluck Wasser noch ein Stück Brot.«

Uthman wusste, dass ein Hadith, ein Ausspruch des Propheten, der sorgsam über Generationen überliefert worden war, erzählte, wie Muhammad – Gott segne ihn und schenke ihm Heil – eine Frau zurechtwies, die ihre Katze eingesperrt hatte, ohne sie zu füttern: Du wirst nach Dschahannam kommen, in die Hölle! Und Anas Ibn Malik, der Diener Muhammads, berichtete nach dem Gelehrten Buhari, der Prophet habe gesagt: »Kein Muslim pflanzt eine Pflanze, von der Menschen und Tiere essen, dem dies nicht als Almosen angerechnet wird.« Welche Sünde war es allein schon gewesen, das Pferd nicht zu füttern! »Warum hat dir dein Retter nichts bringen lassen?«, fragte er schließlich, besorgt, sein Vorfahr könnte gefehlt haben.

»Weil er zu der Zeit noch nicht wusste, dass ich einem aus seiner Sippe das Leben gerettet hatte. Für ihn war ich nur ein Gefangener, dessen Kenntnisse man ausnutzen wollte.«

Uthman hätte gar zu gern noch mehr über den hohen Beamten erfahren. Aber Henri machte ihn darauf aufmerksam, dass die Matrosen soeben dabei waren, den Anker zu lichten. Der Kapitän hatte befohlen, die Segel zu setzen. Der Wind sei günstig, hatte er behauptet.

Henri machte den Vorschlag, sie sollten unauffällig nachzählen, ob alle Matrosen an Deck erschienen waren, um in die Takelage zu klettern. Nicht einmal der unerbittliche Kapitän Ernesto di Vidalcosta würde einem Schwerkranken diese Arbeit zumuten.

»Es fehlt keiner«, stellte Uthman fest. »Was soll nur das ganze Gerede von einem Schwerkranken?«

»Ich weiß es im Augenblick auch noch nicht. Aber ich werde in der kommenden Nacht meine eigenen Messungen im Hinblick auf den Polarstern machen. So lässt sich feststellen, ob wir wirklich in Richtung auf die Balearen segeln. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn wir im Hafen von Le Grau du Roi über diesen Kapitän Erkundigungen eingezogen hätten.«

»Um dann von unseren französischen Verfolgern eingeholt und arretiert zu werden!«, höhnte Uthman.

Henri hielt an seinem Plan fest, die Fahrtrichtung durch den Polarstern zu erkunden. Der klare, wolkenlose Nachthimmel begünstigte sein Vorhaben. Unter allen Sternen, mit denen der Himmel übersät war, leuchtete der Polarstern heller als alle anderen. Außerdem war er der Nabel, um den sich alle anderen Sterne drehten. Henri hatte während der Fahrt aufmerksam die Möglichkeiten der Navigation beobachtet. In klaren Nächten war es möglich, die vorgesehene Richtung einzuhalten, wenn der Mann am Steuerruder das Schiff in einem bestimmten Winkel zum Polarstern hielt. Wichtig war es, die Abfahrtszeit so zu wählen, dass beim morgendlichen Verblassen des Polarsterns die Richtung unverändert blieb. Henri, der sich Grundkenntnisse in der Astronomie angeeignet hatte, wollte sein Wissen in dieser Nacht praktisch zur Anwendung bringen.

Er suchte sich einen Platz, an dem er von dem Wachhabenden nicht beobachtet werden konnte. Der Kapitän, so hoffte er, schlief seinen Rausch aus, nachdem er wieder dem andalusischen Wein zugesprochen hatte. Henri legte seinen Kopf in den Nacken, richtete den Blick zum Polarstern und versuchte, den Winkel auszurechnen.