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Der Kapitän hatte sich zwar gefasst, aber er konnte seine schlechte Stimmung nicht verbergen. »Leider nein! Wie sollte so etwas auch möglich sein?« Er zog sich in seine Kajüte zurück.

Henri mochte Uthman nicht tadeln. Er wollte ihm jedoch klarmachen, dass Vorsicht angebracht war. »Es ist ungeschickt, den Menschen, dem wir ausgeliefert sind, unnötig zu provozieren. Denn er hat längst Verdacht geschöpft, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind.«

»Bitte erzähle weiter!«, bat Uthman. »Ich brauche Ablenkung. Denn ich kann meine Wut kaum noch zügeln.«

»Ich habe Verbannung und Gefangenschaft von Abu Hassan al-Masudi vorweggenommen«, begann Henri. »Vor diesem bösen Ende aber lag unsere gemeinsame Arbeit, die aus uns tatsächlich brüderliche Freunde machte.

Abu Hassan sprach noch leiser als zuvor. ›Ich werde dich jetzt in alles einweihen, was mich bedroht und wozu ich deine Hilfe benötige. Du hast doch die wunderschönen Mosaiken bewundert, die den Felsendom schmücken. Leider haben sie in den vergangenen Kämpfen gelitten. Darum hat mich der Emir beauftragt, die Säuberung und Wiederherstellung zu überwachen.‹

›Das ist doch eine sehr ehrenvolle Aufgabe‹, sagte ich.

›Es könnte eine ehrenvolle Aufgabe sein, wenn ich nicht viele Neider hätte. Das Schlimmste ist, dass Christen und Rechtgläubige gemeinsame Sache machen, wenn es darum geht, einen hohen Beamten zu stürzen.

Es werden falsche Anschuldigungen erhoben, und bestochene Zeugen treten auf. Noch aber sind dies nur Gerüchte.‹

›Was kann ich für dich tun, um dir zu helfen?‹, fragte ich.

Als Abu Hassan die mir zugedachte Aufgabe erläuterte, wurde mir klar, dass ich mich in einen argen Zwiespalt begeben und nur von Feinden umgeben sein würde. Beide Seiten, sowohl die Christen als auch die Anhänger des Propheten, würden mich letztendlich als Verräter bezeichnen.

›Was ich von dir erbitte, ist allerdings nicht einfach‹, gab Abu Hassan zu. ›Mache dir Freunde in beiden Lagern. Horche auf das, was sie miteinander bereden! Sorge dafür, dass sie dir vertrauen! Vor allem achte auf ein Gerücht, in dem behauptet wird, dass ich mich von Christen bestechen lasse, die Koranverse im Felsendom zu verfälschen! Berichte mir täglich alles, was du erfahren hast! Aber komme nur bei Dunkelheit, und verrate niemandem, dass du in Akkon auf Seiten der Tempelritter gekämpft hast!‹

Mir war nicht wohl zumute. Eine innere Stimme warnte mich, auf diese Bedingungen einzugehen. Abu Hassan verlangte nicht mehr und nicht weniger von mir, als Menschen zu täuschen, die mich als Freund betrachteten und mir vertrauten. Aber konnte ich überhaupt ablehnen? Mit Sicherheit würde ich dann dort landen, wo ich gerade hergekommen war. Bei den falschen Franziskanern auf dem Berg oder auf nassem Stroh in einem Verlies. Also stimmte ich widerwillig zu, obwohl ich mich deswegen schämte.

Der hohe Beamte des Emirs, der sich mein Bruder nannte, hatte an alles gedacht. Er stattete mich mit würdiger Kleidung aus, vergaß auch nicht ein Schwert, das mir allerdings stumpf vorkam, und wies mir eine Kammer in der Unterkunft seiner Untergebenen zu. Er hatte auch daran gedacht, mir ein anderes Pferd aus seinen Stallungen zu überlassen. Denn an der Stute könne man mich vielleicht erkennen, fürchtete er.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, ihm von dem merkwürdigen Ansinnen der falschen Mönche zu berichten. Vielleicht hätte Abu Hassan Näheres über den Tod des Sultans Baibars gewusst. Ich hätte ihn auch gerne gefragt, ob die Ismailiten auf irgendeine Weise an Baibars Tod beteiligt gewesen waren oder ob diese Sekte immer noch in bestimmten Kreisen Einfluss hätte. Aber ein Gefühl, das ich nicht genau erklären konnte, hielt mich vor allzu großer Vertrauensseligkeit zurück. Schließlich gehört deine Sippe, wie die Ismailiten auch, zu den Anhängern des Kalifen Ali, den die anderen Sarazenen ablehnen.

›Wo soll ich mit meinen Nachforschungen anfangen?‹, erkundigte ich mich also ziemlich ratlos. Die Antwort von Abu Hassan half mir auch nicht weiter. ›Das bleibt deinem Einfühlungsvermögen überlassen‹, sagte er. Aber nach kurzem Zögern fügte er noch hinzu: ›Am besten wäre es wohl, wenn ich dich morgen mit zum Felsendom nehme, um dir den Stein des Anstoßes zu zeigen. Als Templer hast du den besseren Überblick, welche der Mosaiken meinen Gegnern eine Handhabe bieten könnten, um mich zu verleumden.‹«

Uthman hob die Hand. »Bevor du von deinem Besuch im Felsendom erzählst, beantworte mir bitte noch eine Frage: Warum hast du von Saladin so ausführlich berichtet? Gibt es da einen besonderen Grund?«

»Wenn dir dieser Zusammenhang unverständlich geblieben ist, habe ich mich ungenau ausgedrückt. Saladin wollte eigentlich, als er Jerusalem eroberte, jegliches Blutvergießen vermeiden. Darum ließ er die christlichen Einwohner gegen ein geringes Lösegeld abziehen. Was dann doch zu Schwierigkeiten führte, war der unüberbrückbare Unterschied zwischen uns Christen und euch Arabern. Denn wie ich schon sagte, war Saladin eigentlich großmütig. Aber sein ritterlicher Geist wurde von seiner religiösen Hartnäckigkeit übertroffen. Zwischen Christen und euch klaffte für ihn ein abgrundtiefer Spalt. Genau das war es, was mir meine Aufgabe fast unerfüllbar machte. Denn seit Saladins Zeiten hat sich daran nichts geändert.«

»Aber es war doch so«, wandte Uthman ein, »dass unsere Gesetze Abmachungen und Kontakte zwischen Rechtgläubigen und Christen nicht verhindert hätten.«

»Das schon«, gab Henri zu. »Aber der eigentliche Grund dieser Bündnisse war zumeist doch nur, einem anderen zu schaden. Das trifft auch auf den Sachverhalt zu, der Abu Hassan betrifft. Übrigens weiß man auch, dass manche eurer Herrscher zu ihrem Vorteil Verträge mit den Kreuzfahrern gegen ihre eigenen Glaubensbrüder schlossen. Es kam sogar vor, dass sie Seite an Seite miteinander gegen einen gemeinsamen Gegner kämpften. Aber eine friedliche Vereinigung, die den Glauben mit eingeschlossen hätte, lag dabei nie vor.«

»Na ja«, gab Uthman zu. »Auch ich habe mit dir gemeinsame Sache gemacht, um König Philipp ins Jenseits, nämlich in die Hölle, zu befördern und den Papst mit Hilfe eines Alchemisten von seinen irdischen Leiden zu erlösen. Aber ich bin und bleibe ein gläubiger Anhänger des Propheten, so wie du ein Christ bleibst.«

»So weit sind wir in unserem Glauben gar nicht voneinander entfernt«, meinte Henri versöhnlich. »Denn dein Glaube und das Christentum, wie ja auch das Judentum, kennen doch die gleichen Propheten. Wir beten alle keine Götzen an, sondern einen einzigen Gott.«

»Schau mal, wer da kommt!«, unterbrach Uthman die philosophische Diskussion. Brunella, die Piratenbraut, näherte sich ihnen mit einem Weidenkorb, in den sie die tägliche Essensration verpackt hatte. Uthman strahlte sie an und enthielt sich nur mühsam, dem Mädchen auf das Hinterteil zu klopfen. Brunella neigte sich ihm zu. »Auf dem Grund des Korbes findest du etwas Besonderes!«

»Ah, vielleicht ein Stück Braten!«, hoffte Uthman.

Trotz des Scherzes lachte sie nicht. »Etwas viel Wichtigeres als Genüsse, die du dir erhoffst. Achte auf ein Stück Papier! Es könnte für euch eine lebenswichtige Nachricht sein.« Sie stellte den Korb zwischen die beiden Männer und ging davon.

Henri schaute sich erst nach allen Seiten um, bevor er den zusammengefalteten Zettel entrollte. Hinter der vorgehaltenen Hand entzifferte er die kurze Mitteilung. »Versucht nicht, in der kommenden Nacht in die Kajüte des Kapitäns einzudringen! Er empfängt euch bewaffnet. Aber wartet um Mitternacht auf mich! Ich habe euch bedeutende Nachrichten zu überbringen.«

»Wenn sie das nicht mit den Nachrichten geschrieben hätte, käme es mir so vor, als ob Brunella eine Einladung zu einer Liebesnacht überbringen wollte«, sagte Uthman seufzend. »Aber leider klingt die Botschaft ziemlich ernst. Schade! Mir wäre nach ein wenig Zärtlichkeit zumute gewesen.«