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»Das ist Arturo«, flüsterte Uthman. »Ich habe mir doch gleich gedacht, dass er mit dem Kapitän unter einer Decke steckt.«

Die beiden gaben sich nicht einmal Mühe, besonders leise zu sprechen. Manchmal lachten sie sogar ziemlich laut.

»Ich möchte gar nicht wissen, warum die beiden so fröhlich sind«, meinte Uthman. »Wahrscheinlich lachen sie über uns. Ich komme mir ziemlich dumm vor.«

Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, bevor sie die schlagenden Flügel eines nahenden Vogels vernahmen. Die Dunkelheit verhinderte eine genauere Sicht, ob es sich um eine Taube handelte. Aber Ernesto und Arturo hatten anscheinend die Geräusche außerhalb des Schiffes überhört. Denn ihr Lachen war immer lauter geworden.

»Es ist die Brieftaube«, flüsterte Uthman, als der Vogel mit heftigem Flügelschlagen die Kogge umrundete, ohne sich auf der Reling niederzulassen. Sie wirkte von dem ungewohnten Gelächter erschreckt. Endlich waren auch die beiden Männer aufmerksam geworden. Der Kapitän streckte jedoch vergeblich seine Hand aus. Die Taube wagte nicht, sich bei ihm niederzulassen. Immer wieder umrundete sie das Schiff.

»Vielleicht kommt sie zu uns«, flüsterte Uthman. »Dann können wir die Botschaft annehmen.«

»Das wollen wir nicht hoffen«, entgegnete Henri möglichst leise. »Denn wenn der Kapitän das merken würde, wären wir unseres Lebens nicht mehr sicher. Arturo halte ich für äußerst gefährlich.«

Um diese Worte zu unterstreichen, gab Arturo sogleich eine Probe seines Zorns ab. »Komm an Bord, du blödes Vieh, oder ich werde dich mit einem Messerwurf herholen!«

Eine schallende Ohrfeige, die ihm der Kapitän verpasste, war die Antwort auf diesen Wutausbruch. »Bist du von Sinnen? Die Taube stürzt ins Meer, und damit ist die wichtige Nachricht an uns verloren.«

Die Botschaft erreichte zunächst ohnehin nicht mehr ihren Empfänger. Nach der fünften Runde um das Schiff nahm die Taube Kurs auf das offene Meer. Ernesto di Vidalcosta konnte seine Wut kaum bändigen, obwohl auch er nicht schuldlos an dem Verschwinden der Taube war. »Scher dich zum Teufel, Idiot!«, schrie er mit zitternder Stimme. »Und lass dich nachts nicht mehr hier sehen. Bleibe bei deiner Brunella! Sie ist vielleicht gefügiger als die Brieftaube.«

Arturo entfernte sich wortlos. Er wusste aus Erfahrung, dass jede Gegenrede den Zorn des Kapitäns gesteigert und unabsehbare Folgen gehabt hätte.

»Wir können uns jetzt gefahrlos niederlegen und einige Stunden schlafen«, sagte Henri, als der Kapitän in den Aufbauten verschwunden war. »Aber morgen Nacht müssen wir wieder sehr aufmerksam sein.«

Henri und Uthmann lauschten dem sanften Plätschern der Wellen, und es dauerte noch einige Zeit, bis sie endlich Schlaf fanden. Irgendwo da draußen war eine Taube unterwegs, mit einer Botschaft, die sie nur zu gerne gekannt hätten.

9

Am nächsten Morgen erschien der Herr des Schiffes übel gelaunt mit verquollenen Augen auf dem Deck. Missmutig blickte er sich um.

»Er hat sich einmal wieder mit andalusischem Wein getröstet«, bemerkte Uthman ironisch.

Die Matrosen hatten sich darangemacht, den Anker zu lichten. »Wer hat euch den Befehl gegeben?«, schnauzte der Kapitän sie an. »Möchte irgendjemand von euch ausgepeitscht und in den Block geschlossen werden?«

Erschrocken ließen die Seeleute die Ankerkette los, die rasselnd wieder in den Wellen versank. »Wir bleiben an diesem Platz so lange, bis ich den Befehl zum Absegeln gebe«, schrie der Kapitän. »Oder gibt es hier jemand, der neue Sitten einfügen will, vielleicht du, Steuermann?«

Niemand antwortete. Alle senkten ihre Blicke und scharrten verlegen mit den Füßen. Auch der Steuermann hielt sich zurück. Er wusste, dass die Missachtung eines Befehls einer Meuterei gleichkäme und hart bestraft würde.

»Wenn mich nicht alles täuscht«, bemerkte Henri, »bedeutet dieser Auftritt, dass wir vorläufig hier verankert bleiben.«

»Natürlich«, stimmte ihm Uthman zu, »der Kapitän muss ja in der kommenden Nacht die Botschaft der Brieftaube abwarten. Wenn dir danach zumute ist, berichte mir weiter von deinen Erlebnissen in Al-Qudz.«

»Solange das viele Reden nicht zu einer Heiserkeit führt, tue ich das gern.«

Uthman lachte. »Vor der kühlen Nachtluft, die eine Influenza bewirken könnte, hat dich der Kapitän ja ausdrücklich gewarnt.«

Henri stimmte in das Lachen mit ein. »Wenn ich daran denke, wie viele Nächte ich im Freien verbracht habe, besteht diese Gefahr wohl kaum.«

Er bewies wieder einmal sein gutes Gedächtnis und setzte mit seiner Erzählung dort ein, wo er durch den Kapitän jäh unterbrochen worden war.

»Wir verließen die Gebetsnische, und nun gab es für Abu Hassan kein Halten mehr. Unterwegs unterrichtete er mich hastig, welche Bewandtnis es mit den Mosaiken auf sich habe. Im alten Orient hätten die Mosaiken aus schlanken Tonkegeln mit rot, schwarz sowie weiß bemalten Enden bestanden. Man hätte diese Kegel in Lehm eingedrückt, und so wäre eine schöne Wandbeschichtung entstanden, die zugleich schützte.

Man kann immer noch dazulernen, dachte ich, als Abu Hassan auf unsere Zeit zu sprechen kam. ›Heute haben wir natürlich andere Techniken. Die kleinen Mosaikteilchen wurden auf eine dreifache Schicht aus Kalk, Sand und Ziegenmehl oder auch Marmormehl aufgetragen. Die Seldschuken entwickelten eine Mosaiktechnik, bei der sie glasierte Kacheln verwendeten. Aber ich langweile dich sicher mit meinen langatmigen Ausführungen.‹

›Nein, überhaupt nicht‹, antwortete ich wahrheitsgemäß. Ob er mir diese Zusicherung abnahm, weiß ich nicht. Jedenfalls unterbrach er seine Erklärungen. ›Das Beste ist, wenn du dir selbst ein Bild machst.‹

Endlich stand ich vor den Mosaiken, die seinen Gegnern und Neidern Anlass gegeben hatten, dem hohen Beamten zu schaden. Ich sah auf winzige Mosaiksteinchen in den vorherrschenden Farben Grün und Blau. Sie waren in einen goldenen Untergrund eingebettet. Einiges war durch Rot und Silber, Schwarz und Weiß hervorgehoben.

Ich hatte Mühe, mich von der Schönheit dieser Darstellung nicht überwältigen zu lassen. Denn meine Aufgabe war es doch, die bildliche Darstellung zu überprüfen. Ich sah auf Akanthusblätter, Palmen, Füllhörner, Lebensbaummotive und vor allem Lobpreisungen Allahs, Sprüche aus dem Koran und den stilisierten Namenszug eures Propheten. Nirgends konnte ich einen thronenden Christus, die Jungfrau Maria oder Johannes den Täufer entdecken, wie es die Ankläger behauptet hatten.

›Ich kann keinerlei christliche Motive sehen‹, beruhigte ich Abu Hassan, der mich ängstlich beobachtete. ›Deine Ankläger haben ein falsches Zeugnis abgelegt. Es gibt nicht einen einzigen Hinweis darauf, dass du von Christen bestochen wurdest, Fälschungen anzubringen.‹

Aber Abu Hassan war immer noch sehr besorgt. Er kannte ja die Infamie seiner Gegner besser als ich. ›Betrachte jene Stellen genau, die noch in Bearbeitung sind! Gibt es irgendeine Pflanze, deren Stängel oder Blütenblätter sich zu einem Kreuz umdeuten lassen könnten?‹

Ich starrte so lange auf die Blumen und Namenszüge, bis sich die Mosaiken unter meinem Blick zu einem Kaleidoskop verschoben. Schaute nicht hinter Blütenblättern das liebliche Antlitz der Jungfrau Maria hervor? War nicht jener Ast zu einem Kreuz verbogen? Könnte nicht diese Palme zur Darstellung einer Dornenkrone werden? Schimmerte nicht das Füllhorn in seinem Bett aus Blattgold wie eine Darstellung der Wiederauferstehung?

Ich geriet immer mehr in die Wahnidee, diese Mosaiken seien ein Spiegel unserer christlichen Lehre. Mir kamen Zweifel, ob Abu Hassan nicht doch Bestechungsgelder angenommen hatte, um die sarazenischen Darstellungen zu verfälschen. Ich setzte mich auf die steinernen Stufen der Treppe und bedeckte mein Gesicht mit beiden Händen.

Abu Hassan musste meinen verwirrten Zustand bemerkt haben. Er war drei Schritte auf mich zugegangen, als eine herrische Stimme seinen Namen rief. Ein grimmig aussehender Lanzenträger war vor uns aufgetaucht. ›Ist dies der ehemalige Tempelritter, den Euch der Emir zur Mitarbeit bewilligt hat?‹ Er deutete mit der Spitze der Lanze auf mich, sodass ich zurückweichen musste, um nicht schmerzhaft berührt zu werden. Ich bemerkte, dass Abu Hassan erbleicht war. Er nickte stumm.