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»Du gibst wohl niemals auf!«, sagte Uthman. »Lieber verlierst du dein Leben, als von einem einmal gefassten Plan abzulassen.«

»Ich hatte mir vorgenommen, das Fest zu besuchen, das auf Veranlassung des Emirs für die Einwohnerschaft von Taima stattfinden sollte. Insgeheim hoffte ich, dass ich jemanden von der Dienerschaft der Burg kennen lernen würde. Als ich in der Dämmerung auf dem Hauptplatz des Ortes ankam, herrschte dort schon ein ausgelassenes Treiben.

Einige Garküchen boten gebratenes Hammelfleisch an, das allerdings ein wenig zu schwärzlich geraten war, aber trotzdem reißenden Absatz fand. Aus einem irdenen Krug wurden Säfte angeboten, die vorher von den Glaubenswächtern auf einen möglichen Alkoholgehalt geprüft worden waren. Am Rande des Festplatzes, wo die Straßen des Ortes in die Wüste übergingen, hatte sich eine Gauklertruppe versammelt. In der Mitte hüpfte ein hässlicher Mann, auf dessen Schultern ein possierlicher Affe saß, der hübscher anzusehen war als sein Besitzer. Auf einem erhöhten Brettergestell, das als Bühne diente, führten zwei Männer eine Legende auf, die jedermann in Taima kannte, die man mir aber erst erklären musste. Zwei tapfere Königinnen hatten vor langer Zeit erfolgreich gegen die assyrischen Herrscher gekämpft. Die beiden männlichen Darsteller benutzten die Gelegenheit, sich die hölzernen Schwerter kräftig um die Ohren zu schlagen. Die Zuschauer applaudierten begeistert. Mit aller Kraft zog ein Bärenführer ein zottiges Tier hinter sich her. Zwei Männer mit Kampfhähnen versahen ihre Tiere an den Sporen mit scharfen Klingen. Tänzerinnen wiegten sich zum Klang arabischer Rohrflöten.

›Holt die Qayna herbei!‹, rief ein Fuhrknecht, der sich offenbar daheim mit gegorenem Dattelwein übermütige Laune angetrunken hatte. ›Ja, die Qayna! Ja, die Qayna!‹, riefen die Umstehenden und klatschten zum Takt der Musik in die Hände. ›Sie soll für uns tanzen!‹

Beinahe hätte das Fest ein böses Ende genommen. Die Glaubenswächter waren auf den Tumult aufmerksam geworden. Sie sprangen herbei, ergriffen den Anstifter, rissen ihm das Hemd vom Leib und vollstreckten die Strafe an Ort und Stelle. Die Menge, die um den Delinquenten einen Kreis gebildet hatte, zählte im Takt der geschwungenen Peitsche die Schläge mit. Es waren fünfzig, und damit war der Ärmste, wie man mir erklärte, gut bedient. Denn er war nicht nur betrunken, sondern hatte noch die Unverschämtheit besessen, den Tanz der Qayna zu verlangen. Dieses edle Mädchen wurde aber von dem Emir unter Verschluss gehalten und tanzte nur für ihren Gebieter.«

»Ich bin auch der Meinung, dass dieser Tölpel zu milde bestraft wurde«, meinte Uthman. »Jeder weiß doch, dass die Lieblingskonkubine eines Herrschers, noch dazu, wenn sie in Bagdad zur Tänzerin ausgebildet wurde, unantastbar ist.«

»Sogar du würdest nicht wagen, dich einem solchen Mädchen zu nähern?«, fragte Henri.

»Das möge Allah verhüten!«

»Das Geschrei, der Geruch der schwitzenden Menge, der Lärm der Gaukler und der beißende Qualm der Garküchen wurden mir zu viel. Ich sehnte mich nach Ruhe und wanderte darum einige Schritte in die nächtliche Wüste. Gerne hätte ich mich dort in meine Beduinendecke gehüllt, um die Nacht unter dem Sternenzelt zu verbringen. Aber da war noch ein Mensch, der dem Getöse des Festplatzes den Rücken gekehrt hatte. Er trug eine schmucklose Burda und hatte die Kapuze weit vor das Gesicht gezogen. Ehe ich nicht festgestellt hatte, wer dort auf und ab ging, wollte ich mich nicht zum Schlafen niederlegen. So ein Fest zog allzu viel Gesindel an. Zunächst folgte ich ihm, dann aber machte ich einen weiten Bogen, um dem Unbekannten von vorne entgegenzutreten. Der Fremde machte keine Anstalten, die Flucht zu ergreifen. Im Gegenteil! Er streifte die Kapuze ab und zeigte sein Gesicht. Vor mir stand Nadjm Ghazi, der Emir von Al-Qudz. Ich zuckte zurück.

›Ich habe auf Euch gewartet‹, sagte er zu meinem Erstaunen. ›Ihr wart lange in der Wüste, wie man mir berichtet hat. Irgendwann würde es Euch hierhin zurückziehen. Zwischen uns beiden muss eine Entscheidung gefällt werden. Denn Ihr werdet trotz meines Verbotes niemals aufhören, nach Abu Hassan zu suchen. Ihr seht, dass ich Euch ohne mein Gefolge gegenüberstehe. Wir werden kämpfen, und zwar nur mit einem Dolch bewaffnet, den ich unter meiner Burda trage.‹

›Auch ich trage meine Waffe stets bei mir‹, erwiderte ich ihm und zog meinen Dolch aus dem Gürtel. ›Aber wer wird unser Schiedsrichter sein?‹

›Niemand. Denn zwischen uns genügt ein Ehrenwort, dass der Verlierer seine Zeche zahlen wird.‹

›Eine Zeche? Was soll das bedeuten? Ich bin bettelarm, Ihr aber seid der Herr unermesslicher Schätze.‹

Der Emir gestattete sich ein Lächeln. ›So war das nicht gemeint. Ihr setzt etwas ein, das Ihr, obgleich Verlierer, auch als armer Mann leisten könnt. Dagegen setze ich einen wertvollen Preis aus.‹ Ich schüttelte den Kopf. ›Dann lasst hören, Nadjm Ghazi! An Reichtümern ist mir nämlich nicht gelegen.‹

›Noch niemals hat meine Qayna vor einem Fremden getanzt, nicht einmal vor dem allerhöchsten Hofbeamten. Einer von ihnen wollte dem Tanz heimlich zusehen. Er hatte sich hinter einem Vorhang verborgen. Aber er wurde entdeckt. Ich habe ihn foltern und für immer einkerkern lassen.‹«

»Einen höheren Preis konnte der Emir nicht einsetzen. Aber was solltest du dagegen bieten?«, fragte Uthman besorgt.

»Meine Leistung war so hoch, dass ich tatsächlich zögerte. Der Emir wollte mich, falls ich im Kampf unterlegen sein sollte, für immer versklaven.«

»Ich bezweifle, ob du das überstanden hättest. Dein Einsatz ist zu hoch. Was gilt der Tanz einer Qayna gegenüber einem Leben in der Sklaverei?«

»Ich war bereit, in einem Kampf mein Blut zu geben. Was das bedeutet, will ich dir erklären. Während meiner Erziehung bei den Templern habe ich gelernt, dass das Blut als pars pro toto zu gelten hat, nämlich als Teil für das Ganze, für den Körper und die Seele. Kannst du deine Schuld aus einer Abmachung nicht erbringen, droht dir ewige Versklavung.«

»So gesehen war die Versklavung ein nicht ungerechter Einsatz«, gab Uthman zu. »Ich habe einmal gelesen, dass bei einer Verschwörung im alten Rom die Bündnispartner zur Vertragstreue verpflichtet wurden, indem man sie einen mit Blut gemischten Wein trinken ließ.«

»Der Emir fügte unserer Abmachung noch etwas hinzu. ›Ich werde dich zum Verlies führen, damit du dich überzeugen kannst, dass Abu Hassan nicht in Taima eingekerkert ist. In diesem Verlies wirst du als Verlierer die ersten Tage verbringen, bis ich über dein weiteres Schicksal entschieden habe. Was aber nun deinen Freund Abu Hassan betrifft: So habe ich ihn in meinen Palast an der Weihrauchstraße bringen lassen. Dort wird er verbleiben, bis ich herausgefunden habe, ob Abu Hassan die Unwahrheit gesprochen hat oder ob die Zeugen gelogen haben. Erst dann werde ich mein Urteil bekannt geben.‹

Mehr Zugeständnisse konnte ich nicht erwarten. Dennoch zögerte ich. Abu Hassan hatte mir nämlich erzählt, dass Emir Nadjm Ghazi in Mardin geboren worden sei und einem uralten persischen Geschlecht entstamme. Denn der persische König Ardesir sei mit einer Abteilung seines Stammes nach Anatolien gekommen, um sich dort anzusiedeln. Abu Hassan hatte mir viele Geschichten erzählt, die von der Tapferkeit, der Kampfkraft, aber auch der Schläue der Bewohner Mardins zeugten. Die Festung von Mardin galt als uneinnehmbar. Sollte ich es wirklich mit einem Mann aufnehmen, der einem solchen Geschlecht entstammte?«