In diesem Roman bildet Jerusalem den Hintergrund für ein fiktives Abenteuer, das Henri erlebt. Nicht alles darin ist historisch korrekt – die geheimen Bruderschaften etwa; doch für vieles gibt es tatsächliche Vorbilder.
Dem Islam gilt Jerusalem als drittheiligste Stadt nach Mekka und Medina. Dieser Rang liegt in dem einleitenden Vers der Koran-Sure »Die Nachtfahrt« (17. Sure) begründet, die auf eine Himmelfahrt des Propheten Mohammed anspielt. Hier heißt es:
»Preis dem, der seinen Diener des Nachts entführte von der heiligen Moschee [der Kaaba in Mekka] zur fernsten Moschee [dem Tempelberg in Jerusalem], deren Umgebung wir gesegnet haben, um ihm unsere Zeichen zu zeigen.«
Spätere Legenden schmückten diesen kargen Koranvers aus und sprachen davon, dass Mohammed eines Nachts auf seinem Wunderpferd Buraq von Mekka nach Jerusalem flog. Auf dem die Stadt überragenden Tempelberg betete er zusammen mit Abraham, Mose, König Salomo und Jesus, bevor er schließlich auf einer goldenen Leiter in den Himmel aufstieg.
Die Nachtfahrt, so die Überzeugung der Muslime, habe auf dem Heiligen Felsen begonnen, der sich heute inmitten des Felsendoms befindet. Nach den Angaben des jüdischen Talmud befand sich über dem Felsen einst das Allerheiligste des Salomonischen Tempels. Die Christen hatten den Berg, auf dem sich bis zu seiner Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 der Tempel des Herodes erhob, unbebaut gelassen, ja ihn zu einer Müllkippe gemacht. Der Beweggrund für diese Missachtung lag in einem Wort Jesu, denn er hatte über den jüdischen Tempel gesagt: »Es wird hier nicht ein Stein auf dem anderen bleiben, der nicht zerbrochen werde« [Mt 24,2]. Damit galt der Tempel von Jerusalem den frühen Christen als verworfen, der Leib des Menschen sollte sein Tempel sein [I. Kor 3,16].
Als dann Kalif Omar I. (Klf. 634-644) im Jahr 638 Jerusalem erobert hatte, veranlasste er die Säuberung des Tempelplatzes, der ihm als Heiligtum galt. Zur Strafe für die Missachtung dieses heiligen Platzes ließ der Kalif den Patriarchen von Jerusalem durch den Staub kriechen, um dann in seinem eigenen Gewand selbst den ersten Schutt wegzutragen, der den Berg bedeckte. So gab er das Signal zur Säuberung. Unter Kalif Abdalmalik (Klf. 685-705) wurde der Felsendom (Qubbet as-Sakra) errichtet, dessen goldene Kuppel bis heute den Tempelplatz dominiert und ein Wahrzeichen Jerusalems ist. Im Süden des Tempelplatzes wurde auf den noch vorhandenen Überresten der von Herodes errichteten »Halle Salomos«, in der sich auch Jesus aufgehalten hatte, die Moschee al-Aksa, die »ferne Moschee«, errichtet. Zunächst war diese Moschee, von der der christliche Pilger Arculf im Jahr 670 berichtet, sie böte 3000 Betern Platz, nur ein einfacher Holzbau; sie wurde aber alsbald durch ein Steingebäude ersetzt. Nach dem islamischen Chronisten Mukadasi war das Gebäude schöner als die große Moschee von Damaskus. Felsendom und Moschee sollten die unter Kaiser Konstantin (Ks. 324-337) über dem Grab Jesu errichtete Grabeskirche übertreffen. Von der Anordnung her entsprechen die islamischen Bauten auf dem Tempelberg dem christlichen Heiligtum: Hier wie dort umgibt ein Kuppelbau einen heiligen Felsen, während ein großes Gebäude in der Längsachse als Ort des Gebets dient. Bei der konstantinischen Grabeskirche waren Grabrotunde und Basilika noch getrennt gewesen. Ob die Moschee noch unter Abdelmalik oder erst unter seinem Sohn, Kalif Walid I. (Klf. 705-715), errichtet wurde, ist nicht geklärt. Das ursprünglich wie eine Basilika mit vier Seitenschiffen errichtete Gebäude wurde in den folgenden Jahrhunderten des Öfteren durch Erdbeben stark beschädigt und musste mehrmals vollständig neu aufgebaut werden. Dabei wurden die Maße immer wieder abgeändert. Nach der Zerstörung durch das Erdbeben des Jahres 1033 wurde ein fünfschiffiger Bau errichtet und mit der silbernen Kuppel gekrönt, die noch heute das Aussehen der Moschee charakterisiert.
Mit der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer am 15. Juli 1099 begann für den Tempelplatz und die dort stehenden Gebäude ein neuer Geschichtsabschnitt. Nach den Plünderungen durch den Kreuzfahrer Tankred war der Felsendom aller Schätze entledigt. Auch hatte auf dem Tempelplatz am zweiten Tag der Eroberung der Stadt ein furchtbares Gemetzel stattgefunden, bei dem Tausende von Muslimen, Männer, Frauen und Kinder, den Tod gefunden hatten. Selbst in christlichen Chroniken wurde die Klage laut, dass es bei der Eroberung der Heiligen Stadt zu einem solchen Blutbad gekommen sei, bei dem das die Felsen herabströmende Blut bis zu den Zügeln der Pferde gereicht habe. Nach der Eroberung lebte in der Stadt kein Muslim mehr, außer er war ein Sklave der christlichen Eroberer.
Der Tempelberg und seine Bauten wurden von den Eroberern in Besitz genommen und einer neuen Bestimmung zugeführt. In der Moschee al-Aksa richtete König Balduin I. von Jerusalem (Kg. 1100-1118) seine Residenz ein, solange seine geplante Residenz in der Zitadelle von Jerusalem noch ausgebaut wurde. Der Felsendom, von den Christen »Templum Domini« – Tempel des Herrn – genannt, wurde zu einer Kirche, die von einer Gemeinschaft von Kanonikern betreut wurde. Am Gebäude wurden umfangreiche Veränderungen vorgenommen, um es für die Durchführung von Gottesdiensten herzurichten. Allerdings fanden keine Eingriffe in die Bausubstanz statt, die nicht wieder rückgängig gemacht werden konnten. So blieb der Großteil der mit Mosaik eingelegten Koransprüche sichtbar. Andere Teile der Wände wurden lediglich gekalkt, abgeschlagen wurde nichts. Der Heilige Felsen unter der Kuppel wurde mit Marmorplatten verkleidet und darauf der Altar aufgestellt. Die Höhle unterhalb des Felsens diente als Krypta und Kapelle. Nach einer Beschreibung, die der Presbyther Johannes von Würzburg von seiner Reise nach Palästina 1170 niederschrieb, befanden sich an einigen Stellen der neuen Kirche, die eigentlich Maria geweiht war, aber immer »Templum Domini« genannt wurde, Tafeln, deren Inschriften auf Episoden aus den Evangelien hinwiesen, die im Tempel geschahen. Nördlich des Felsendoms wurde das Kloster der Tempelkanoniker errichtet, von dem heute nur wenige Nachrichten erhalten sind.
Als im Jahr 1120 die neun Begründer des Templerordens ihre Gelübde der Armut, Keuschheit, des Gehorsams und der Verpflichtung zum Heidenkampf in die Hände des Patriarchen von Jerusalem, Warmund, ablegten, hatten sie noch keine Unterkunft. Da gewährte ihnen König Balduin II. von Jerusalem (Kg. 1118-1131), einen Teil der königlichen Gemächer in der Moschee al-Aksa zu nutzen, »… weil sie bis jetzt keine eigene Kirche oder irgendeinen festen Wohnsitz hatten«, wie Jakob von Vitry schrieb. Einen freien Platz neben dem Gebäude erhielten die Templer von den am Templum Domini dienenden Kanonikern. Weil die Moschee al-Aksa von den Christen »Templum Salomonis« – Tempel Salomos – genannt wurde, trugen die Mönchsritter von nun an den Namen »Pauperes Commilitones Christi Templi Salomonis« (Arme Kampfgefährten Christi vom Tempel Salomos), oder kurz: Templer.
Nachdem der Umbau der Zitadelle abgeschlossen war und König Balduin II. dorthin seine Residenz verlegte, konnten die Templer die gesamte Moschee als Hauptquartier in ihren Besitz nehmen. Die folgenden Jahre waren von einer regen Bautätigkeit geprägt. Dem Eingang des Gebäudes im Norden wurde eine Säulenhalle vorgebaut, die in Teilen noch heute existiert. Im Westen wurde ein dreischiffiges, von Spitzbogen überwölbtes Refektorium, der klösterliche Speisesaal, angebaut. Heutzutage befinden sich in diesem noch erhaltenen Gebäudeteil die Frauenmoschee und das Museum zur Geschichte des Tempelplatzes. Die große Halle der Moschee wurde durch eingezogene Wände in kleine Zellen zur Unterbringung der Ordensmitglieder unterteilt. Um das Jahr 1130 war die Marienkirche fertiggestellt. Sie befand sich an der östlichen Seite der Moschee. Auch von diesem Bau ist ein Rest erhalten. An der östlichen Außenwand der Moschee al-Aksa ist noch heute eine Rosette zu sehen, die zu dieser Templerkirche gehörte. Legendär wurden die »Ställe Salomos«. Zur Unterbringung ihrer Pferde und Kamele nutzten die Templer die gewaltigen Hallen unterhalb der Moschee. Diese Hallen waren beim Bau der Süderweiterung des Tempelplatzes unter König Herodes errichtet worden. Der Pilger Johannes von Würzburg berichtete, 2000 Pferde und Kamele hätten hier Platz gefunden. Die bekannte Fläche dieser Räume umfasst etwa 5000 m3. Vor einigen Jahren wurde hier eine Moschee eingerichtet.